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Patientin mit Ödemneigung und Hypereosinophilie
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Published: | September 14, 2021 |
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Vorgeschichte: Eine 32-jährige Patientin stellt sich bei rezidivierender Ödemneigung und Eosinophilie zur weiteren Abklärung im Zentrum für Seltene Erkrankungen vor. Die Symptomatik trat erstmalig nach einer Nasennebenhöhlenentzündung auf und besteht seit 10 Monaten. Es besteht ein sehr gutes Ansprechen auf Prednisolon 50 mg täglich. Nach Reduktion der Prednisolondosis auf <35 mg täglich kam es mehrfach zu Rezidiven mit Gesichtsschwellung, peripheren Ödemen, Anasarka, urtikariellem Hautausschlag, einer Gewichtszunahme von 15 kg und Hypalbuminämie. Antihistaminika waren ohne Effekt. Es ist bereits eine umfassende hämatologische, dermatologische und infektiologische Diagnostik erfolgt, die ohne wegweisenden Befund blieb. Es sind ein leichtes Asthma bronchiale und Nahrungsmittelallergien bekannt. Die Familienanamnese ist leer bezüglich hämatologischer und rheumatologischer Erkrankungen.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Die Leitsymptome sind schubartig auftretende generalisierte Ödemneigung, Gewichtszunahme, Hypalbuminämie, urtikarielles Exanthem, periphere Eosinophilie (12,1/nl), S-IgE-Erhöhung.
Diagnostik: Initial zeigt sich in der Knochenmarkhistologie zytomorphologisch normo- bis hyperzelluläres Knochenmark, mit 65% Eosinophilen. Immunzytologisch findet sich kein Hinweis auf ein Lymphom, nach ausführlicher molekulargenetischer Diagnostik besteht kein Hinweis auf ein klonales Geschehen. Coloskopisch findet sich eine eosinophile Colitis. Die S-Tryptase ist negativ. Im Verlauf tritt neu eine Proteinurie von 0,7 g/g Kreatinin auf, bei Abnahme der eGFR auf 70 ml/min. Es besteht eine Erythrozyturie. Immunserologisch findet sich eine deutliche S-IgG4-Erhöhung. Der Rheumafaktor ist positiv. Daraufhin erfolgt eine Nierenbiopsie mit der Frage nach einer IgG4-assoziierten tubulointerstitiellen Nephritis oder einer eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis mit renaler Beteiligung. In der Nierenbiopsie findet sich kein Hinweis für eine tubulointerstitielle Nephritis, eine Immunkomplexnephritis oder Vaskulitis. Es zeigt sich jedoch eine vermehrte IgM-Ablagerung in den Glomeruli, sowie ultrastrukturell die Lamina rara interna teilweise deutlich verbreitert, bzw. der subendotheliale Raum aufgeweitet. Vereinzelt finden sich hier dezente elektronendichte Ablagerungen, bei hoher Vergrößerung in erster Linie Fibrinpräzipitaten entsprechend, teilweise auch mit den lichtoptischen IgM-positiven Befunden korrelierend. Der tubulointerstitielle Befund passt auch indirekt auch zu einer mikrovaskulären Funktionsstörung: Hier zeigt sich im Interstitium ein mäßiges Ödem, Tubuli mit teilweise erheblich polaritätsgestörten und geschwollenen Epithelien mit apikalen Bürstensaumunterbrechungen und im Zytoplasma geschwollenen Organellen. Diese Befunde sind unter Einbezug der klinischen und laborchemischen Befunde mit einem sogenannten Gleich-Syndrom vereinbar. Die S-Kryoglobuline sind negativ. Die gamma/delta T-Zellen sind im peripheren Blut mit 23% deutlich erhöht. Eine LGL Leukämie sowie ein monoklonales T-Zell-Rezeptor-Rearrangement wurde ausgeschlossen.
Therapie: Nach Ausschluss einer zugrundeliegenden hämatologischen, nephrologischen, infektiologischen oder rheumatologischen Grunderkrankung wird die Diagnose eines Gleich-Syndroms gestellt. Es handelt sich hierbei um eine seltene Erkrankung, die erstmals 1984 beschrieben wurde [1]. Bislang wurden ca. 60 erwachsene und 17 pädiatrische Fälle beschrieben [2]. Das Gleich-Syndrom ist eine chronisch rezidivierende Erkrankung, welche sich von den übrigen hypereosinophilen Syndromen durch die typische Symptomkonstellation rezidivierendes Angioödem und Eosinophilie abgrenzen lässt. Häufig treten im Rahmen der Schübe urtikarielle Hautveränderungen auf. Klinische und laborchemische Zeichen der mikrovaskulären Funktionsstörung sind eine deutliche Gewichtszunahme und Hypalbuminämie. Im Serum zeigt sich dem Schub unmittelbar vorausgehend eine Erhöhung des S-IL-5 und S-IL-13, mit nachfolgendem Anstieg der Eosinophilen im Blut [3]. Auch eine S-IgM Erhöhung und S-IgE-Erhöhung lässt sich in der Mehrzahl der Fälle nachweisen. Der gleichzeitige Nachweis einer Klonalität des T-Tell-Rezeptors ist beschrieben [3]. Die Therapie mit Glukokortikoiden zeigt einen dualen suppressiven Effekt sowohl auf die Eosinophilenproliferation wie auch die Th2-Zytokin-Produktion. Eine IL5-blockierende Therapie wurde mit gutem Erfolg zur Behandlung des Gleich-Syndroms eingesetzt [4]. Zur Glukokortikoideinsparung wurde daher bei unserer Patientin eine Therapie mit dem IL-5-Blocker Mepolizumab begonnen.
Weiterer Verlauf: Das Ansprechen auf die Therapie bleibt abzuwarten.
Disclosures: Es bestehen keine Interessenkonflikte der Autoren.
Literatur
- 1.
- Gleich GJ, Schroeter AL, Marcoux JP, Sachs MI, O’Connell EJ, Kohler PF. Episodic angioedema associated with eosinophilia. N Engl J Med. 1984 Jun;310(25):1621-6. DOI: 10.1056/NEJM198406213102501
- 2.
- Bertrand V, Boccara O, Filhon B, Manca F, Lefèvre G, Groh M, Kahn JE. Episodic angioedema with eosinophilia (Gleich syndrome) in children: A clinical review. Pediatr Allergy Immunol. 2020 Apr;31(3):297-302. DOI: 10.1111/pai.13173
- 3.
- Khoury P, Herold J, Alpaugh A, Dinerman E, Holland-Thomas N, Stoddard J, Gurprasad S, Maric I, Simakova O, Schwartz LB, Fong J, Lee CC, Xi L, Wang Z, Raffeld M, Klion AD. Episodic angioedema with eosinophilia (Gleich syndrome) is a multilineage cell cycling disorder. Haematologica. 2015 Mar;100(3):300-7. DOI: 10.3324/haematol.2013.091264
- 4.
- Matucci A, Liotta F, Vivarelli E, Dies L, Annunziato F, Piccinni MP, Nencini F, Pratesi S, Maggi E, Vultaggio A. Efficacy and Safety of Mepolizumab (Anti-Interleukin-5) Treatment in Gleich’s Syndrome. Front Immunol. 2018 May;9:1198. DOI: 10.3389/fimmu.2018.01198
- 5.
- Gleich GJ, Leiferman KM. The hypereosinophilic syndromes: current concepts and treatments. Br J Haematol. 2009 May;145(3):271-85. DOI: 10.1111/j.1365-2141.2009.07599.x