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46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 32. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), Wissenschaftliche Herbsttagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)

19.09. - 22.09.2018, Mannheim

Kryofibrinogenämie als seltene Ursache einer systemischen Vaskulitis

Meeting Abstract

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  • Norman Görl - Klinik Südstadt Rostock, Klinik für Innere Medizin II, Rheumatologie/Immunologie, Rostock
  • Christian Kneitz - Klinik Südstadt Rostock, Klinik für Innere Medizin II, Rheumatologie/Immunologie, Rostock

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie. 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 32. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), Wissenschaftliche Herbsttagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR). Mannheim, 19.-22.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocVK.20

doi: 10.3205/18dgrh201, urn:nbn:de:0183-18dgrh2010

Published: February 5, 2019

© 2019 Görl et al.
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Einleitung: Kryofibrinogene sind Komplexe aus abnormem Fibrinogen, Fibrin und deren Spaltprodukten, die bei Kälte im Plasma präzipitieren und Thrombosen, Gefäßverschlüsse sowie eine immunologisch vermittelte systemische Vaskulitis in kleinen und mittelgroßen Gefäßen hervorrufen können.

In vielen Fällen ist eine Kryofibrinogenämie asymptomatisch und bei ca. 3% der Bevölkerung nachweisbar. Therapiebedürftigkeit erlangt die Erkrankung durch häufig rasch progredient verlaufende ischämische Komplikationen vaskulitisch/thrombotischer Genese mit klassichem Raynaud-Syndrom, in 80% der Fälle akralen Hautnekrosen- und ulcerationen sowie Fieber. Von der essentiellen Kryofibrinogenämie ist die sekundäre Genese abzugrenzen, die meistens auf bakteriellen und viralen Infektionen sowie lymphoproliferativen Erkrankungen beruhen kann.

Diagnostisch richtungsweisend sind neben der typischen klinischen Symptomatik die akurate Bestimmung der Kryofibrinogene im Plasma und häufig der Nachweis einer leukozytoklastischen Vaskulitis und/oder Kryofibrinogen-Thromben in einer Haut-PE.

Die Behandlung der Kryofibrinogenämie erfolgt empirisch und nicht evidenzbasiert. In leichten Fällen gelingt mit Glukokortikoiden häufig eine Remission, bei klinisch schwerwiegenden Manifestationen kommen weitere Immunsuppressiva sowie Antithrombotika/Fibrinolytika zum Einsatz.

Das Rezidivrisiko ist besonders in den ersten 5 Jahren der Erkrankung mit 42-76% erhöht, zusätzlich demaskieren sich in dieser Zeit auch bei bis zu 50% der Patienten B- und T-Zell-Lymphome, so dass eine engmaschige Kontrolle der Patienten obligat erscheint.

Methoden: Ein 65-jähriger männlicher Patient wurde aufgrund initial klassischer Symptome einer Polymyalgia rheumatica 2016 mit Glukokortikoiden therapiert, die eine partielle Remission erreichen ließen. Eine Absenkung der Glukokortikoide unter 10 mg gelang jedoch nicht, es traten erneut Polymyalgien auf und laborchemisch waren ansteigende Entzündungswerte objektivierbar. Nach erneuter Glukokortikoid-Stoßtherapie und additiver Methotrexatapplikation war wiederum ein zufriedenstellender klinischer und laborchemischer Verlauf ersichtlich. 6 Monate später traten erstmals livide Verfärbungen der Großzehen bds., im Verlauf der Vorfüße bds. und letztlich der Unterschenkel bds. auf, die sich zu ausgeprägt schmerzhaften Nekrosen entwickelten.

Nach ausführlicher klinischer, apparativer und laborchemischer Differentialdiagnostik ließ sich als Ursache eine systemische Vaskulitis der kleinen und mittelgroßen Gefäße bei Kryofibrinogenämie diagnostizieren (Abbildung 1 [Abb. 1]), (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Ergebnisse: Um die beiden unteren Extremitäten zu erhalten war eine rasche Immunsuppression notwendig, deren Intensität allerdings ständig vor dem Hintergrund wiederholter bakterieller Superinfektionen und Septikämien präzise abgewogen werden musste.

Neben hoch dosierten Glukokortikoiden erhielt der Patient Immunglobuline sowie 5 Zyklen Plasmaseparation. Weiterhin fiel die Entscheidung zum Beginn einer Glukokortikoid-einsparenden Immunsuppression mit Cyclophosphamid.

Da ein rascher Erfolg klinisch und laborchemisch ausblieb, erweiterten wir die Immunsuppression aufgrund der positiven Studiendaten bei der Kryoglobulinämischen Vaskulitis um Rituximab.

Begleitend mussten bei nicht beherrschbaren bakteriellen Septikämien ausgehend von den nekrotisierten unteren Extremitäten beide Vorfüße amputiert werden.

Die Wundheilung gelang im Weiteren problemlos, neue Hautulcera oder akrale Nekrosen traten nicht auf. Kryofibrinogene sind aktuell laborchemisch nicht nachweisbar, der Patient ist ohne Hilfe im eignen Haushalt eigenständig mobilisiert (Abbildung 3 [Abb. 3]).

Schlussfolgerung: Die Kryofibrinogenämie ist eine seltene aber schwerwiegende Erkrankung, die essentiell oder sekundär bei Infektionen, Lymphomen, Kollagenosen auftreten kann. Klinisch führend sind ein Raynaud-Syndrom sowie akrale kutane Ulcera und Nekrosen.

Diagnostisch richtungsweisend sind neben der Klinik der Nachweis von Kryofibrinogenen im Plasma und eine Haut-PE.

Es gibt keine Evidenz in der Therapie, oft sind Glukokortikoide +/- ASS ausreichend, bei schwerem Verlauf ist aber häufig zusätzlich eine empirische Immunsuppression nötig.

Obligat ist eine enge Weiterbetreuung der Patienten, da sich innerhalb der ersten 5 Krankheitsjahre oft Lymphome demaskieren [1], [2], [3].


Literatur

1.
Moiseev S, Luqmani R, Novikov P, Shevtsova T. Cryofibrinogenaemia-a neglected disease. Rheumatology (Oxford). 2017 Sep 1;56(9):1445-1451. DOI: 10.1093/rheumatology/kew379 External link
2.
Belizna CC, Tron F, Joly P, Godin M, Hamidou M, Lévesque H. Outcome of essential cryofibrinogenaemia in a series of 61 patients. Rheumatology (Oxford). 2008 Feb;47(2):205-7. doi: 10.1093/rheumatology/kem341 External link
3.
Belizna C, Loufrani L, Subra JF, Godin M, Jolly P, Vitecocq O, Faller B, Ghali A, Tron F, Hamidou M, Henrion D, Lévesque H, Ifrah N. A 5-year prospective follow-up study in essential cryofibrinogenemia patients. Autoimmun Rev. 2011 Jul;10(9):559-62. DOI: 10.1016/j.autrev.2011.04.009 External link