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47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 21. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC)

08.09. - 10.09.2016, Kassel

Reanimation des Plexus brachialis durch Anpassung komplexer myoelektrischer Prothesen – Grenzen und Möglichkeiten bei glenohumeralen und transhumeralen Amputationsniveau

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Jennifer Ernst - Universitätsmedizin Göttingen, Unfallchirurgie, Plastische und Wiederherstellungschirurgie; Schwerpunkt Plastische Chirurgie, Göttingen, Deutschland
  • Gunther Felmerer - Universitätsmedizin Göttingen, Unfallchirurgie, Plastische und Wiederherstellungschirurgie; Schwerpunkt Plastische Chirurgie, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. 47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 21. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Kassel, 08.-10.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc142

doi: 10.3205/16dgpraec142, urn:nbn:de:0183-16dgpraec1425

Published: September 27, 2016

© 2016 Ernst et al.
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Die Steuerung myoelektrischer Armprothesen erfolgte bisher über zwei transkutane Elektroden, die durch unabhängig innervierte Muskeln ansteuerbar waren. Weitere Freiheitsgerade von Gelenken der oberen Extremität wurden durch Kokontraktion dieser Muskeln angesteuert. Ein simultaner Bewegungsablauf war mit diesem Steuerungsmechanismus bisher nicht möglich. Ein interdisziplinäres Team eines Rehabilitationszentrum in Chicago und später in Wien nützten erstmals selektiven Nerventransfer der Nervenstümpfe des Plexus brachiales, um weitere neuromuskuläre Einheiten zu schaffen, die als simultane, intuitive Steuerungseinheiten myoelektrischer Armprothesen dienen konnten. In der Versorgung von hochgradig Amputierten Patienten berichten wir im folgenden über Möglichkeiten, Herausforderungen und Grenzen dieser mikrochirurgischen Technik.

Methoden: Traumatische Oberarmamputierte (n=2) glenohumeral (n=1, Pat. A), transhumeral (n=1, Pat. B) erhielten nach umfassenden präoperativen Diagnostik (MRT, EMG, psychologisches Gutachten) 5 selektive Nerventranfers der verbleibenden Nervenstümpfe des Plexus brachilais in mikrochirurgischer Technik. Der Reinnervationsverlauf der stumpfnahen Zielmuskeln (Mm. pectoralis major et minor, M. latissimus dorsi, Mm. infra- et. supraspinatus sowie M. trizeps brachii, M. biceps brachii und M. brachialis) wurde klinisch und über transkutane EMG Messungen mithilfe hochauflösender flächiger Elektroden erfasst und dokumentiert. Sobald lokal stabile Kontraktionssignale der Zielmuskeln erfasst werden konnten, schloss sich ein intensiviertes, auf ergotherapeutischen Techniken beruhendes Prothesentraining sowie die Schaftanpassung an. Zur Verlaufsdokumentation des Erfolgs der prothetisch ersetzten Armfunktion erfolgten (modifizierter) Box and Block Test, Clothespin Relocation Test sowie SHAP.

Ergebnis: Alle 5 durchgeführten selektiven Nerventransfers in Pat. A, B reinnervierten erfolgreich die Zielmuskeln. Das intensivierte Prothesentraining nach stabilen Steuerungssignalen der Zielmuskeln begann nach 10 (Pat A) bzw. nach 5 Monaten (Pat.B). Auf glenohumeralen Amputationsniveau (Pat. A) konnte erfolgreich eine myoelektrisch gesteuerte Prothesen mit 6 Steuerungseinheiten unter Hinzunahme eines nicht-intuitiven Steuerungssignal (M.deltoideus) in weniger als 3 Monaten angepasst werden. Pat. A erleidet rezidivierende irritative Ekzeme im Schaftbereich. Pat. A berichtet dass sich die ausgeprägten Deafferierungsschmerzen deutlich reduzieren wenn die Prothese getragen wird und nach Ablegen der Prothese wieder zunehmen. Im vorliegenden transhumeralen Amputationsniveua (Pat.B.) war im Rahmen der operativen Versorgung additiv eine Stumpfkorrektur notwendig. Es erfolgte bisher eine erfolgreiche Etablierung von 5 Steuerungssignalen. Pat. B. leidet aktuell unter einem Neurom eines sensiblen Hautnervens im distalen Stumpf. Pat. B. litt zu keinem Zeitpunkt an Deafferierungs- oder Phantomschmerzen. Die Steuerung der Prothese ist zuverlässig und reliabel (Pat. A,B). Pat. A. ist erfolgreich in den Arbeitsalltag reintegriert. Box and Block Test, Clothespin Relocation Test und SHAP Test (Pat. A) zeigen deutliche Verbesserung in Zeitparametern und Durchführung der Tests.

Schlussfolgerungen: Die Technik des selektiven Nerventransfer ermöglicht eine simultane Steuerung von bis zu 6 Bewegungen einer myolektrischen Prothese und verbessert die Funktionalität und Steuerung der aktuell verfügbaren myoelektrischen Prothesen. Die Selektion des Patienten als auch der postoperative Anpassungsprozess erfordert ein interdisziplinäres Team, welches den psychologischen, chirurgischen, technischen und therapeutischen Support sicherstellt. Die Anpassung auf höhergradigen Amputationsniveau gestaltet sich trotz mechanischen Schultergelenks in den vorliegenden Fällen schneller, da die EMG-Signale lokal voneinander getrennt sind. Die aktuell verfügbaren transkutanen Elektroden sind in der Schaftanpassung des transhumeralen Stumpfes platzlimitierend. Osseointegrative Konzepte zur direkten Fixierung der Prothese am Körper als auch implantierbare Elektroden, würden mechanische Irritation als auch eine direkte Ableitung der Signale ermöglichen. Derartige innovative Konzepte als sowie sensiblen Feedbacks, sollten weiterhin Gegenstand zukünftiger Forschung sein.