gms | German Medical Science

47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 21. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC)

08.09. - 10.09.2016, Kassel

Die Prä- und Postkonditionierung mit niedrigen Erythropoetindosen verringert die Nekroserate von kritisch-perfundiertem Haut- und Muskelgewebe

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Andrea Weinzierl - Klinikum rechts der Isar, Plastische Chirurgie und Handchirurgie, München, Deutschland
  • Daniel Schmauß - Klinikum rechts der Isar, Plastische Chirurgie und Handchirurgie, München, Deutschland
  • Fabian Weiß - Klinikum rechts der Isar, Plastische Chirurgie und Handchirurgie, München, Deutschland
  • Verena Schmauß - Klinikum rechts der Isar, Plastische Chirurgie und Handchirurgie, München, Deutschland
  • Hans-Günther Machens - Klinikum rechts der Isar, Plastische Chirurgie und Handchirurgie, München, Deutschland
  • Yves Harder - Klinikum rechts der Isar, Plastische Chirurgie und Handchirurgie, München, Deutschland; Ospedale Regionale di Lugano, Abteilung für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Lugano, Schweiz

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. 47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 21. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Kassel, 08.-10.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc057

doi: 10.3205/16dgpraec057, urn:nbn:de:0183-16dgpraec0572

Published: September 27, 2016

© 2016 Weinzierl et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Das kritisch durchblutete, pedikelferne Gewebe stellt beim Gewebetransfer nach wie vor eine Herausforderung dar. Folglich hat die Verhinderung der Gewebsnekrose einen hohen Stellenwert in der plastisch-chirurgischen Forschung. Es ist bekannt, dass Erythropoetin (EPO) nicht nur der primäre Regulator der Erythropoese ist, sondern auch gewebeprotektive Eigenschaften besitzt. In Vorstudien konnten wir zeigen, dass die systemische Verabreichung von 500 I.E. EPO/kg Körpergewicht (KG) im Rückenhautkammer-Modell in der Maus die Nekroserate eines randomisiert perfundierten Lappen signifikant verringert. Nichtsdestotrotz hat der EPO-induzierte Hämatokritanstieg die Blutrheologie verschlechtert, so dass hohe EPO-Dosierungen diesen gewebeprotektiven Effekt teilweise „zunichte“ gemacht haben.

Ziel unserer Arbeit war es deshalb zu evaluieren, ob auch eine Prä- und Postkonditionierung mit niedrigen, Hämatokrit-irrelevanten Dosierungen einen signifikanten Effekt auf das Lappenüberleben hat. Des Weiteren sollte die Wirksamkeit eines EPO-Regimes mit initial sehr hohen Dosierungen und rascher Reduktion auf eine Erhaltungsdosis, um einen signifikanten Hämatokritanstieg zu verhindern, untersucht werden.

Material & Methoden: Drei Gruppen zu jeweils sechs C57Bl/6-Mäusen wurden untersucht. Auf dem Rücken jedes Tieres wurde ein randomisiert perfundierter Haut-Muskel-Lappen gehoben und in eine Rückenhautkammer eingebracht. Die Gruppen wurden wie folgt behandelt: 1. Unbehandelte Kontrollgruppe (KON); 2. Prä- und Postkonditionierung mit initial hohen Dosen EPO und nachfolgend niedrigen Dosen (2500 I.E./kg KG intraperitoneal (i.p.) 30 min vor der Lappenhebung, 1250 I.E./kg KG i.p. 30 min nach der Lappenhebung, 500 I.E./kg KG i.p. 24 h nach der Lappenhebung, 125 I.E./kg KG i.p. alle 12 h, beginnend 48 h nach der Lappenhebung für den restlichen Beobachtungszeitraum) (EPO-High); 3. Prä- und Postkonditionierung mit niedrigen Dosen EPO (125 I.E./kg KG i.p.) jeweils zu den gleichen Zeitpunkten wie Gruppe 2 (EPO-Low). An den Tagen 1, 3, 5, 7 und 10 nach der Lappenhebung wurden die Lappen mittels intravital Epi-Fluoreszenzmikroskopie untersucht und das Ausmaß der Lappennekrose, sowie die Mikrozirkulation und Angiogenese beurteilt. Der Hämatokrit wurde an den Tagen 0, 3, 7 und 10 bestimmt. Am Tag 10 wurden die Tiere euthanasiert und die entnommenen Gewebeproben histologisch und molekularbiologisch untersucht.

Ergebnisse: Unbehandelt entwickelten die Lappen auf Grund der akuten anhaltenden Ischämie ca. 50% Nekrose. In der EPO-Low Gruppe konnte die Nekroserate im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant verringert werden (p<0.05). Dies war mit einer arteriellen Gefäßdilatation, einem Anstieg der arteriellen Fließgeschwindigkeit und dementsprechend einem signifikant höheren arteriellen Blutfluss vergesellschaftet (p<0.05). In der EPO-Low Gruppe konnte des Weiteren in den kritisch durchbluteten Lappenarealen eine signifikant höheren kapilläre funktionelle Kapillardichte erhalten werden (p<0.05). Die Verwendung initial hoher Dosen EPO in der EPO-High Gruppe führte zu keiner signifikanten Reduktion der Lappennekrose im Vergleich zur Kontrollgruppe. EPO-induzierte Angiogenese konnte in Tieren beider Behandlungsgruppen beobachtet werden. Ein signifikanter Hämatokritanstieg konnte nur in der EPO-High Gruppe beobachten werden (p<0.05).

Schlussfolgerung: Die Prä- und Postkonditionierung mit konstant niedrigen Dosierungen EPO verringert die Gewebenekrose signifikant und ist als Folge einer verbesserten arteriellen Durchblutung und somit einer Aufrechterhaltung der nutritiven Kapillarperfusion zu sehen. Die initiale Gabe von hohen, anti-inflammatorischen EPO-Dosierungen zeigte keine Gewebeprotektion. Die hohe Nekroserate ist am ehesten als Folge der raschen, post-ischämischen Hämatokrit-bedingten Blutverdickung und somit Verschlechterung der Blutrheologie zu sehen, und konnte trotz rascher Dosisreduktion auf Hämatokrit-irrelevante EPO-Dosierungen nicht verbessert werden. Prä- und Postkonditionierung mit Hämatokrit-irrelevanten EPO-Dosierungen stellen somit einen viel versprechenden therapeutischen Ansatz zur Verringerung ischämisch bedingter Komplikationen in der klinischen Lappenchirurgie dar.