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40. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 15.09.2024, Berlin

Erfolgsparameter „Interdisziplinäre Zusammenarbeit“ bei der Versorgung von Kindern mit Schwerhörigkeit

Vortrag

40. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Berlin, 12.-15.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocV36

doi: 10.3205/24dgpp48, urn:nbn:de:0183-24dgpp484

Published: August 20, 2024

© 2024 Mendes et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Um Kinder mit Schwerhörigkeit erfolgreich zu erkennen und zu behandeln, werden verschiedene Fachdisziplinen benötigt. Bisher fehlen verbindliche nationale Konzepte zur Umsetzung des Modelles der „Interdisziplinären Zusammenarbeit“ in der Versorgung dieser Kinder, obwohl hierfür eine versorgungsmedizinische Relevanz vorliegt.

Material und Methoden: Mittels eines validierten Online-Fragebogens mit 4 bis max. 15 Fragen erfolgte eine deutschlandweite Befragung von beteiligten Experten an 108 Institutionen mit dem Ziel der Verbesserung und Steigerung der Effizienz des interdisziplinären Austauschs. Es wurden die Vor- und Nachteile für Mitarbeitende des interdisziplinären Modells analysiert, um Lösungsansätze für eine optimierte interdisziplinäre Kooperation aufzustellen.

Ergebnisse: 92 Personen der Fachbereiche Akustik/(Päd-)Audiologie, Logopädie, Pädagogik und Medizin nahmen teil. Die Befragung spiegelte wieder, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit für diese Fachdisziplinen ein zentrales Thema mit hoher Eigeninitiative der Beteiligten in der Versorgung von Kindern mit Schwerhörigkeit darstellt, um individuelle und umfassende Lösungen für die Betroffenen zu finden, Rückmeldungen, Ideen und Anregungen durch andere Fachdisziplinen zu erhalten und eigene Kompetenzen zu erweitern. Der zeitliche Mehraufwand und die ehrenamtliche Basis werden als nachteilig wahrgenommen.

Diskussion: Die erhobene Datenbasis ermöglicht erste Einblicke in der Umsetzung und Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Versorgung von Kindern mit Schwerhörigkeit. Die Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen spielt eine wichtige Rolle in der ganzheitlichen Betreuung von Kindern mit Hörstörungen.

Fazit: Die Erarbeitung eines nationalen Konzeptes zur „Interdisziplinären Zusammenarbeit“ in der Behandlung von Kindern mit Schwerhörigkeiten anhand regionaler Modelle sollte angestrebt werden, ebenso eine sozial- und versorgungsmedizinische Finanzierung.


Text

Einleitung

Um Kinder mit Schwerhörigkeit erfolgreich zu erkennen und zu behandeln, werden verschiedene Fachdisziplinen benötigt. Bisher fehlen verbindliche nationale Konzepte zur Umsetzung des Modelles der “Interdisziplinären Zusammenarbeit“ in der Versorgung dieser Kinder, obwohl hierfür eine versorgungsmedizinische Relevanz vorliegt.

Methode

Mittels eines validierten Online-Fragebogens mit 4 bis max. 15 Fragen erfolgte eine deutschlandweite Befragung von beteiligten Expert:innen an 108 Institutionen mit dem Ziel der Verbesserung und Steigerung der Effizienz des interdisziplinären Austauschs. Es wurden die Vor- und Nachteile für Mitarbeitende des interdisziplinären Modells analysiert, um Lösungsansätze für eine optimierte interdisziplinäre Kooperation aufzustellen.

Ergebnisse

92 Personen der Fachbereiche Akustik/(Päd-)Audiologie, Logopädie, Pädagogik und Medizin beteiligten sich an der Online-Umfrage. Zunächst wurde abgefragt, ob die Befragten in der Versorgung von Kindern mit Schwerhörigkeit tätig seien und ob in diesem Bereich interdisziplinär zusammengearbeitet werde. Nur wer diesen Fragen zustimmte, wurde in den nächsten Abschnitt weitergeleitet. Es ergab sich eine neue Grundgesamtheit von n=76. Bei 39,5% der Befragten erfolgt der Austausch an festgelegten Terminen, wobei 83,3% von diesen berichteten, dass neben den festgelegten Terminen auch zusätzliche spontane Besprechungen stattfinden. Dabei sei der Austausch situationsbedingt und erfolge bedarfsgerecht. Die Kommunikation findet hierbei überwiegend telefonisch (96,1%), per E-Mail (92,1%) und mittels persönlicher Treffen (84,2%) statt (Mehrfachantworten möglich). Die Häufigkeit der Interaktion unterscheidet sich sehr stark bei den Befragten. Sie reicht von einem täglichen bis hin zu einem jährlichen Austausch.

Als häufigste Vorteile einer interdisziplinären Zusammenarbeit hoben sich zwei Kategorien besonders ab: der Vorteil von Ideen, Anregungen, Rückmeldungen und der allgemeine Austausch zwischen dem Fachpersonal und zum anderen die individuellen und umfassenden Lösungen, welche für die einzelnen Kinder gemeinsam erarbeitet werden können (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Als häufigster persönlicher Nachteil wurde 31-mal der zeitliche Mehraufwand genannt. 16 Personen gaben schriftlich an, dass das interdisziplinäre Modell für sie keinerlei Nachteile besäße. Zehn Personen bemängelten den erhöhten Arbeitsaufwand und die zusätzlich nötige Organisation bei einer interdisziplinären Zusammenarbeit. Zudem wurde genannt, dass es durch dieses Modell vermehrt zu hierarchischen Konflikten, so wie Konflikten durch verschiedene Ansichten, kommt. Hinzu kommen Missverständnisse, teils wenig Wertschätzung und eine Datenschutzhürde, welche den Informationsfluss beeinträchtigt (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Befragung spiegelte wider, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit für die beteiligten Fachdisziplinen ein zentrales Thema mit hoher Eigeninitiative in der Versorgung von Kindern mit Schwerhörigkeit darstellt, um individuelle und umfassende Lösungen für die Betroffenen zu finden.

Diskussion

Mit einer Beteiligung von 92 Personen bietet die Umfrage eine erste Datenbasis, um Einblicke in die aktuelle Situation der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Versorgung von Kindern mit Schwerhörigkeit in Deutschland zu gewinnen. Die hohe Teilnehmerzahl kann als Hinweis auf das bestehende Interesse und die Relevanz der Thematik des interdisziplinären Austausches gedeutet werden.

Der erhöhte Zeitaufwand wurde von einem Großteil der Befragten als persönlicher Nachteil betitelt, dennoch sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die daraus resultierenden Ergebnisse und Verbesserungen in der Versorgung von Kindern mit Schwerhörigkeit diesen Mehraufwand für fast alle Beteiligten trotzdem wert. In den vorgeschlagenen Maßnahmen für eine Optimierung des interdisziplinären Netzwerks wurde mehr in die Arbeit eingeplante Zeit für den interdisziplinären Austausch genannt. Mit einer zusätzlichen Vergütung könnte der Mehraufwand gewürdigt werden.

Eine große Herausforderung für die Beteiligten sind das fehlende gemeinsame System und die Datenschutzhürde beim Austausch persönlicher Daten. Natürlich ist die Regelung des Datenschutzes im Normalfall zum Wohl des Kindes streng, stellt jedoch ein Hindernis für die beteiligten Fachdisziplinen dar. Mit einer zentralen Datenbank könnte dem entgegengewirkt werden. Die Einführung eines gemeinsamen Systems bzw. einer einheitlichen Software für den interdisziplinären Austausch könnte die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Fachdisziplinen vereinfachen. Mit Hilfe eines einheitlichen Systems des interdisziplinären Austauschs ließen sich zudem regionale und überregionale Netzwerke schaffen. Über personalisierte Accounts und Registrierungen könnten Beteiligte einzelner Fachdisziplinen in Kontakt treten z.B. auf virtuellen Plattformen.

Fazit

Die Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen spielt eine wichtige Rolle in der ganzheitlichen Betreuung von Kindern mit Hörstörungen. Die Erarbeitung nationaler Konzepte anhand regionaler Modelle sollte angestrebt werden, ebenso eine sozial- und versorgungsmedizinische Finanzierung.

An vielen Kliniken, Einrichtungen und (Fach-)Geschäften funktioniert der interdisziplinäre Austausch bereits gut. Es gibt engagiertes Fachpersonal, welches sich zum gegenseitigen Austausch motiviert und die Versorgung so vorantreibt. Auch wenn die interdisziplinäre Zusammenarbeit heute noch auf einer eher ehrenamtlichen und von Eigeninitiative geprägten Basis stattfindet, sollte sie sich zukünftig fest in der Versorgung, Betreuung und Therapie etablieren.