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40. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 15.09.2024, Berlin

Objektive Stimmbeurteilung in der Diagnostik und Therapie laryngealer Leukoplakien mittels Stimmumfangsmaß

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Philipp Caffier - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Moonef Alotaibi - King Fahad Medical City, Berlin, Deutschland
  • Anne Lohs - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Felix Caffier - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Tadeus Nawka - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland

40. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Berlin, 12.-15.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocV20

doi: 10.3205/24dgpp27, urn:nbn:de:0183-24dgpp277

Published: August 20, 2024

© 2024 Caffier et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Laut Literatur liegt die jährliche Inzidenz laryngealer Leukoplakien bei 10,2 Läsionen pro 100.000 Männern sowie 2,1 pro 100.000 Frauen, wobei das Risiko für eine maligne Progression bei beiden Geschlechtern besteht. Die multifaktorielle Ätiologie umfasst u.a. Nikotingenuss, Alkoholkonsum, eine Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV), genetische und umweltbedingte Ursachen. Ziel unserer Studie war die Untersuchung der Stimmfunktion vor und nach phonomikrochirurgischer Leukoplakieabtragung unter Einbeziehung des neuen objektiven Stimmumfangsmaßes SUM.

Material und Methoden: In einer klinischen Studie wurden bei 44 Patienten (15 Frauen, 29 Männer, Altersspanne 37-81 Jahre) die funktionellen Ergebnisse der mikrolaryngoskopischen Abtragung von Stimmlippenleukoplakien untersucht. Die Befunde und Behandlungsergebnisse wurden anhand prä- und postoperativer Videolaryngostroboskopie, intraoperativer Aufnahmen, sowie mittels prä- und postoperativer Stimmfunktionsdiagnostik dokumentiert und ausgewertet. Der auf der Basis von Stimmfeldfläche und -form errechnete Parameter SUM wurde mit dem Dysphonie Schweregrad Index (DSI) verglichen und hinsichtlich seiner diagnostischen Eignung bewertet.

Ergebnisse: Präoperativ wiesen 34 Patienten (77%) eine unilaterale Leukoplakie der Stimmlippen auf (19 links, 15 rechts), 10 Patienten (23%) waren beidseitig betroffen. Intraoperativ wurden alle 54 leukoplakischen Läsionen vollständig entfernt, wobei sich histologisch in 52% (n=28) eine Keratose und in 35% (n=19) eine Dysplasie nachweisen ließ. Postoperativ zeigte die Stimmdiagnostik eine signifikante Verbesserung aller subjektiven Parameter (VHI-9i, RBH) sowie einen objektiven Erhalt der Stimmfunktion. SUM und DSI korrelierten signifikant miteinander. Allerdings traten bei 6 Patienten Rezidive auf (Spanne 10–40 Monate postoperativ), davon 4 mit squamöser intraepithelialer Läsion Grad III (SIL III).

Diskussion: Die phonomikrochirurgische Abtragung von Stimmlippenleukoplakien stellt eine objektiv und subjektiv zufriedenstellende Therapie mit Erhalt der Stimmfunktion dar. Der Parameter SUM erscheint auch bei dieser Patientenklientel äußerst geeignet, die stimmliche Leistungsfähigkeit zu quantifizieren.


Text

Hintergrund

Laut Literatur liegt die jährliche Inzidenz laryngealer Leukoplakien bei 10,2 Läsionen pro 100.000 Männern sowie 2,1 pro 100.000 Frauen [1], wobei das Risiko für eine maligne Progression bei beiden Geschlechtern besteht [2]. Die multifaktorielle Ätiologie umfasst u.a. Nikotingenuss, Alkoholkonsum, eine Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV), genetische und umweltbedingte Ursachen. Ziel unserer Studie war die Untersuchung der Stimmfunktion vor und nach phonomikrochirurgischer Leukoplakieabtragung unter Einbeziehung des neuen objektiven Stimmumfangsmaßes SUM (engl. Vocal Extent Measure, VEM) [3].

Material und Methoden

In einer klinischen Studie wurden bei 44 Patienten (15 Frauen, 29 Männer, Altersspanne 37–81 Jahre) die funktionellen Ergebnisse der mikrolaryngoskopischen Abtragung von Stimmlippenleukoplakien untersucht. Das intraoperative therapeutische Vorgehen bestand nach Inspektion und Palpation unter dem Mikroskop zunächst in einer subepithelialen Infusion einer epinephrinhaltigen Kochsalzlösung (1 mg/ml; 10 gtt. in 10 ml NaCl). Die Dehnung und Abhebung des Epithels ermöglichte es, eine Infiltration mit Fixierung der Läsionen an tieferen Strukturen auszuschließen. Mit kalten Instrumenten, CO2- oder Blue-Laser-gestützt wurde nun schonend dysplastisches und keratotisches Epithel von der kranialen Stimmlippenoberfläche entfernt (s. Abbildung 1 [Abb. 1]).

Bei größeren, die Randkante überschreitenden Befunden erfolgte anschließend die Leukoplakieabtragung von der Unterkante. Tiefere Schichten wurden geschont, wobei die Lamina propria Befund-abhängig nicht immer komplett erhalten werden konnte. Generell erfolgte ein Einsenden der entnommenen Präparate zur pathohistologischen Untersuchung. Die Befunde und Behandlungsergebnisse wurden anhand prä- und postoperativer Videolaryngostroboskopie, intraoperativer Aufnahmen, sowie mittels prä- und postoperativer Stimmfunktionsdiagnostik dokumentiert und ausgewertet. Der auf der Basis von Stimmfeldfläche und -form errechnete Parameter SUM wurde mit dem Dysphonie Schweregrad Index (DSI) verglichen und hinsichtlich seiner diagnostischen Eignung bewertet.

Ergebnisse

Präoperativ wiesen 34 Patienten (77%) eine unilaterale Leukoplakie der Stimmlippen auf (19 links, 15 rechts), 10 Patienten (23%) waren beidseitig betroffen. Intraoperativ wurden alle 54 leukoplakischen Läsionen vollständig entfernt, wobei sich histologisch in 52% (n=28) eine Keratose und in 35% (n=19) eine Dysplasie nachweisen ließ. Postoperativ zeigte die Stimmdiagnostik eine signifikante Verbesserung aller subjektiven Parameter (VHI-9i, VHIs, RBH) sowie einen objektiven Erhalt der Stimmfunktion. Abbildung 2 [Abb. 2] präsentiert beispielhaft den prä- und post-operativen Vergleich der Stimmumfangsprofile sowie ausgewählter subjektiver und objektiver Parameter.

SUM und DSI korrelierten signifikant miteinander. Allerdings traten bei 6 Patienten Rezidive auf (Spanne 10–40 Monate postoperativ), davon 4 mit squamöser intraepithelialer Läsion Grad III (SIL III).

Diskussion und Fazit

Das SUM als positives Maß der Stimmfunktion kann die im Stimmumfangsprofil dokumentierte stimmliche Leistungsfähigkeit bei Gesunden sowie Erkrankten mit verschiedenen organischen und funktionellen Stimmstörungen abbilden [4], [5], [6], [7], [8], [9]. Die Stimmleistung kann auf diese Art und Weise mit einem konkreten Wert quantitativ nach Schweregrad beurteilt und in Quartile eingeordnet werden (Q1: SUM <69, Q2: SUM 69 bis <93, Q3: SUM 93 bis <108, Q4: SUM 108), anstatt sie anhand der visuellen Wahrnehmung aus dem Stimmumfangsprofil und einiger weniger exponierter Messwerte zu schätzen [10]. Die phonomikrochirurgische Abtragung von Stimmlippenleukoplakien stellt eine objektiv und subjektiv zufriedenstellende Therapie mit Erhalt der Stimmfunktion dar. Der Parameter SUM erscheint auch bei dieser Patientenklientel äußerst geeignet, die stimmliche Leistungsfähigkeit zu quantifizieren.


Literatur

1.
Bouquot JE, Gnepp DR. Laryngeal precancer: a review of the literature, commentary, and comparison with oral leukoplakia. Head Neck. 1991;13(6):488-97. DOI: 10.1002/hed.2880130604 External link
2.
Bukovszky B, Fodor J, Tóth E, Kocsis ZS, Oberna F, Ferenczi Ö, Polgár C. Malignant Transformation and Long-Term Outcome of Oral and Laryngeal Leukoplakia. J Clin Med. 2023 Jun;12(13):4255. DOI: 10.3390/jcm12134255 External link
3.
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5.
Salmen T, Ermakova T, Möller A, Seipelt M, Weikert S, Rummich J, Gross M, Nawka T, Caffier PP. The Value of Vocal Extent Measure (VEM) Assessing Phonomicrosurgical Outcomes in Vocal Fold Polyps. J Voice. 2017 Jan;31(1):114.e7-114.e15. DOI: 10.1016/j.jvoice.2016.03.016 External link
6.
Salmen T, Ermakova T, Schindler A, Ko SR, Göktas Ö, Gross M, Nawka T, Caffier PP. Efficacy of microsurgery in Reinke's oedema evaluated by traditional voice assessment integrated with the Vocal Extent Measure (VEM). Acta Otorhinolaryngol Ital. 2018 Jun;38(3):194-203. DOI: 10.14639/0392-100X-1544 External link
7.
Freymann ML, Mathmann P, Rummich J, Müller C, Neumann K, Nawka T, Caffier PP. Gender-specific reference ranges of the vocal extent measure in young and healthy adults. Logoped Phoniatr Vocol. 2020 Jul;45(2):73-81. DOI: 10.1080/14015439.2019.1617894 External link
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Seipelt M, Möller A, Nawka T, Gonnermann U, Caffier F, Caffier PP. Monitoring the Outcome of Phonosurgery and Vocal Exercises with Established and New Diagnostic Tools. Biomed Res Int. 2020;2020:4208189. DOI: 10.1155/2020/4208189 External link
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Song W, Caffier F, Nawka T, Ermakova T, Martin A, Mürbe D, Caffier PP. T1a Glottic Cancer: Advances in Vocal Outcome Assessment after Transoral CO-Laser Microsurgery Using the VEM. J Clin Med. 2021 Mar;10(6):1250. DOI: 10.3390/jcm10061250 External link
10.
Müller C, Caffier F, Nawka T, Müller M, Caffier PP. Pathology-Related Influences on the VEM: Three Years' Experience since Implementation of a New Parameter in Phoniatric Voice Diagnostics. Biomed Res Int. 2020;2020:5309508. DOI: 10.1155/2020/5309508 External link