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39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28.09. - 01.10.2023, Cologne

Sonografie der laryngealen Tongeneratoren

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Behiye Mutlu - Selbständiger Funktionsbereich für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum, Düsseldorf, Deutschland
  • Hannah Seuken - Selbständiger Funktionsbereich für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum, Düsseldorf, Deutschland
  • Ursula Willems - Canon Medical Systems, Neuss, Deutschland
  • Thomas Massing - Selbständiger Funktionsbereich für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum, Düsseldorf, Deutschland
  • Wolfgang Angerstein - Selbständiger Funktionsbereich für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum, Düsseldorf, Deutschland

39. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Köln, 28.09.-01.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP9

doi: 10.3205/23dgpp22, urn:nbn:de:0183-23dgpp227

Published: September 20, 2023

© 2023 Mutlu et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Bildgebung der laryngealen Tongeneratoren (Stimmlippen, Taschenfalten) erfolgt üblicherweise mittels transoraler oder transnasaler Larynx-Endoskopie. Diese Untersuchung mit Optiken kann jedoch speziell bei Kindern sowie bei allen Patienten mit verstärktem Würgreiz mitunter schwierig und belastend sein. Wir haben daher versucht, Glottis und Supraglottis sonografisch darzustellen. Dafür bieten sich zwei Zugangswege an: 1. Ossifikationsfenster (noch nicht verknöcherte Regionen) des Schildknorpels für koronare B-Mode-Schnittbilder, 2. Membrana thyrohyoidea oder Membrana cricothyroidea für transversale B-Mode-Schnittbilder.

Material und Methoden: Da die Ossifikation des Schildknorpels zu Totalreflexion des Ultraschalls führt, wurden im Rahmen einer Literaturrecherche Ausmaß und Größe der altersabhängigen Ossifikationsfenster bestimmt. Weiterhin wurde die optimale Positionierung der Ultraschallsonde (insbes. Neigungswinkel der Sonde in Relation zur Hautoberfläche) ermittelt. 45 stimmgesunde Probanden (19 männlich, 26 weiblich; Alter: 5 bis 64 Jahre, x̄=30,7±15,2 Jahre) wurden mit dem Ultraschall-System Aplio i800 (Canon Medical Systems, Ōtawara) beim Sprechen gehaltener Vokale untersucht. Hierbei kam die Linear-Sonde i18LX5 (variabler Frequenzbereich: 4 bis 18 MHz, Bildrate: 29 Frames pro Sekunde) zum Einsatz. Die B-Mode-Darstellung von Stimmlippen, Taschenfalten und Aryhöckern wurde digital mittels Videofilm dokumentiert.

Ergebnisse: Bei allen 45 Probanden konnte die Stimmlippen-Taschenfalten-Ebene sonografisch erfasst werden. Anhand der Beweglichkeit der Aryhöcker konnten Aussagen zur Motilität der Stimmlippen gemacht werden. Bei einigen Probanden waren sogar Schwingungen der Stimmlippen zu erkennen. Die Darstellbarkeit der laryngealen Tongeneratoren war in transversalen Schnittebenen besser als in koronaren Schnittbildern.

Diskussion: Die Sonografie der laryngealen Tongeneratoren ist nicht strahlenbelastend und nicht invasiv. Die Beweglichkeit der Stimmlippen/Aryhöcker lässt sich in transversalen B-Mode-Schnittbildern gut erkennen, weshalb diese Ultraschalltechnik bei der Frage nach einer Stimmlippen-Bewegungsstörung eine Alternative zur Larynxendoskopie ist. Das trifft insbesondere bei Kindern zu (zumal hier die Schildknorpel noch nicht ossifiziert sind) sowie bei allen Patienten mit verstärktem Würgreiz.

Fazit: Die B-Mode-Sonografie mit transversalen Schnittbildern kann zur Feststellung der Stimmlippen-Beweglichkeit empfohlen werden.


Text

Hintergrund

Die B-Mode-Sonografie kann auch zur Untersuchung der laryngealen Tongeneratoren (Stimmlippen und Taschenfalten) benutzt werden und wird dann als „Phono-Sonografie“ oder „PhoSo“ bezeichnet [1]. Die Phono-Sonografie wird durch eine altersabhängige Schildknorpelossifikation erschwert. Deshalb müssen durch angemessene Sonden-Positionierung (Lage und Winkel) die Bereiche mit Ossifikation vermieden werden.

Material und Methoden

Die Schildknorpelossifikation verläuft in drei Stadien: Sie beginnt (mit 15 bis 20 Jahren) im Cornu inferius oder direkt oberhalb davon, weitet sich (mit 20 bis 40 Jahren) von dort nach kranial und anterior aus, begleitet von einer Ossifikation der Mittellinie. Schließlich (etwa ab dem 40. Lebensjahr) bleiben nur je zwei kleine Ossifikationsfenster in Lamina sinistra und dextra des Schildknorpels übrig [2].

45 stimmgesunde Probanden (Alter: 5 bis 64 Jahre) wurden sitzend beim Sprechen gehaltener Vokale untersucht. Hierbei kam das Ultraschall-System Aplio i800 (Canon Medical Systems, Ōtawara / Japan) mit der Linear-Sonde i18LX5 (variabler Frequenzbereich: 4 bis 18 MHz, Bildrate: 29 Frames pro Sekunde) zum Einsatz. Die B-Mode-Phono-Sonografie von Stimmlippen, Taschenfalten und Aryhöckern wurde digital videodokumentiert (.mp4). Bei allen Probanden wurde der Auftreffwinkel zwischen Ultraschallsonde und Hautoberfläche am Hals bestimmt.

Die laryngealen Tongeneratoren können koronar und transversal im B-Mode erfasst werden [2], [3]. Die koronaren Schnittebenen ermöglichen eine Beschallung durch die Ossifikationsfenster in Lamina sinistra und dextra des Schildknorpels. Der transversale Ansatz umfasst zwei anatomische Fenster, um den Schildknorpel zu umgehen: Die Tongeneratoren können 1. durch das Ligamentum conicum bzw. durch die Membrana cricothyroidea von unten mit Schallrichtung nach oben sowie 2. durch die Membrana thyrohyoidea von oben mit Schallrichtung nach unten dargestellt werden [2], [3]. Für jeden Probanden wurde notiert, mit welchem dieser Zugangswege die laryngealen Tongeneratoren am besten reproduzierbar identifiziert werden konnten.

Ergebnisse

Die Untersuchung in koronarer Schnittebene (vertikal) ermöglichte bei 36 der 45 Probanden (80%) die Darstellung der laryngealen Strukturen an beiden Laminae. Schildknorpel, Musculus thyroarytaenoideus, Aryhöcker und die Stimmlippe der beschallten Seite waren zu erkennen (Abbildung 1a [Abb. 1]).

Bei allen 45 Probanden konnte der Stimmlippen-Taschenfalten-Komplex in transversalen Schnittebenen (horizontal) erfasst werden. Die Beschallung durch die Membrana cricothyroidea lieferte bei 41 der 45 Probanden (91,1 %) die besten Ergebnisse, wohingegen die Beschallung durch die Membrana thyrohyoidea bei 4 Probanden (8,9 %) eine bessere Darstellung der laryngealen Tongeneratoren ermöglichte (p<0,01). Die Stimmlippen-Taschenfalten-Komplexe konnten als schwingende, hypoechogene Strukturen erkannt werden (Abbildung 2 [Abb. 2]). Dabei war es nicht immer möglich, die Stimmlippen von den Taschenfalten zu unterscheiden. Deshalb ist die Bezeichnung als Stimmlippen-Taschenfalten-Komplex angemessen [3]. Schildknorpel und Aryhöcker waren als hyperechogene Bereiche sichtbar (Abbildung 1b [Abb. 1]).

Der Auftreffwinkel zwischen Sonde und Hautoberfläche am Hals betrug bei transversaler Beschallung durch die Membrana cricothyroidea 83,8±4,9° (spitzwinklig), bei transversaler Beschallung durch die Membrana thyrohyoidea etwas mehr als 90° (stumpfwinklig) und bei koronarer Beschallung etwa 90° (rechtwinklig).

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen ebenso wie die Ergebnisse anderer Autoren [1], [2], [3], [4], dass laryngeale Tongeneratoren mit der Phono-Sonografie dargestellt werden können. Aus der (Un-)Beweglichkeit der Aryhöcker lässt sich ableiten, ob die Stimmlippen-Beweglichkeit intakt oder gestört ist.

Etwa ab dem 40. Lebensjahr kann die Schildknorpelossifikation einen negativen Einfluss auf die Phono-Sonografie haben [4]. Die Alternativen sind transversale Schnittbilder, entweder von oben nach unten durch die Membrana thyrohyoidea oder von unten nach oben durch die Membrana cricothyroidea [4]. Da diese transversalen Schnittebenen den Schildknorpel fast vollständig umgehen, sind sie unabhängig von dessen altersbedingter Ossifikation. Die Untersuchung durch die Membrana cricothyroidea stellt im Vergleich zur Untersuchung durch die Membrana thyrohyoidea einen deutlich besseren Zugangsweg zu den laryngealen Tongeneratoren dar. Das ist durch die einfachere Sondenführung begründet, deren Positionierung an der Membrana thyrohyoidea durch das Kinn und bei Männern zusätzlich durch den Adamsapfel erschwert wird.

Bei Kindern und Jugendlichen bis zum 20. Lebensjahr ist eine ungestörte Beschallung laryngealer Tongeneratoren in koronaren und transversalen Schnittebenen möglich, da hier noch große Ossifikationsfenster im Schildknorpel bestehen [2]. So kann zumindest eine Bewegungsstörung der Stimmlippen ausgeschlossen bzw. festgestellt werden. Auch bei Patienten mit starkem Würgereiz bildet die Phono-Sonografie eine angemessene Alternative zur Larynxendoskopie.

Fazit/Schlussfolgerungen

Die Phono-Sonografie mit transversalen und koronaren B-Mode-Schnittbildern ist eine gute Ergänzung der Kehlkopfendoskopie, besonders bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Patienten mit starkem Würgereiz. Bei transversaler Beschallung liefert der Zugangsweg von unten durch die Membrana cricothyroidea meistens die beste Darstellung der laryngealen Tongeneratoren.


Literatur

1.
Heyduck A, Bozzato A, Reiter R. Phono-Sonografie. Ultraschall Med. 2019;40(S 01):S8-S9.
2.
Chevallier P, Marcy PY, Arens C, Raffaelli C, Padovani B, Bruneton JN. Larynx and hypopharynx. In: Bruneton JN, editor. Applications of sonography in head and neck pathology. Medical radiology. Berlin: Springer; 2002. p. 165-191.
3.
Böhme G. Sonographie des Larynx und klinische Anwendungen (unter Ausschluss onkologischer Erkrankungen). In: Sader, R, Norer, B, Horch, HH, editors. Lehrbuch der Ultraschalldiagnostik im Kopf-Hals-Bereich. Reinbeck: Einhorn-Presse Verlag; 2001. p. 236-250.
4.
Beale T, Twigg VM, Horta M, Morley S. High-resolution laryngeal US: Imaging technique, normal anatomy, and spectrum of disease. Radiographics. 2020;40(3):775-790.