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38. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

29.09. - 02.10.2022, Leipzig

Kurz- und Langzeiteffekte der Frühaugmentation mit Eigenfett nach Chordektomie kleiner glottischer Karzinome

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Matthias Echternach - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, LMU Klinikum, München, Deutschland
  • Kariem Sharaf - HNO-Klinik, LMU Klinikum, München, Deutschland
  • Frank Haubner - HNO-Klinik, LMU Klinikum, München, Deutschland
  • Axelle Felicio-Briegel - HNO-Klinik, LMU Klinikum, München, Deutschland

38. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 29.09.-02.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocV10

doi: 10.3205/22dgpp14, urn:nbn:de:0183-22dgpp144

Published: September 26, 2022

© 2022 Echternach et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Ziel dieser Studie war es die kurz- und langfristigen Effekte der Frühaugmentation mit autologem Fett bei Patienten nach Chordektomie aufgrund kleiner glottischer Karzinome auf die Stimmfunktion zu untersuchen.

Material und Methoden: Es handelt sich um eine prospektive Studie mit 16 Patienten (2 weiblich; 14 männlich), die eine Frühaugmentation mittels autologem Fett erhielten. Eine Stimmuntersuchung erfolgte präoperativ und 6, 12, 26 und 38 Wochen nach Operation mittels Videostroboskopie, RBH-Skala, Spirometrie, Göttingen Heiserkeitsdiagramm, subjektiver Stimmeinschätzung inklusive Voice Handycap Index (VHI) und weitere akustischen Parametern.

Ergebnisse: Es zeigte sich eine transiente geringe Verschlechterung des VHI, DSI, Göttinger-Heiserkeits-Diagramm, Tonhaltedauer 6 und 12 Wochen postoperativ. 26 und 38 Wochen nach Operation zeigt sich eine Angleichung der Stimmfunktion an den präoperativen Zustand. Die Rauigkeits-Behauchtheits-Heiserkeits-Skala und die subjektive Stimmeinschätzung entsprechen 6 und 12 Wochen nach Operation dem präoperativen Zustand und weisen eine Verbesserung auf 26 und 38 Wochen nach Operation. Es zeigten sich keine Komplikationen im Bereich der Fettentnahmestelle.

Diskussion: Die Frühaugmentation mittels autologem Fett ermöglicht einen kurzfristigen Erhalt der Stimmfunktion in den Wochen direkt nach der Operation. Langfristig zeigte sich eine Verbesserung der Stimme mit Angleichung an den präoperativen Zustand. Die Rezidivrate entsprach der, in der Literatur für kleine glottische Karzinome beschriebenen Rezidivrate.


Text

Hintergrund

Das Larynxkarzinom ist mit einer Inzidenz von 3,6/100.000 einer der häufigsten Tumore im Kopf-Hals-Bereich [1]. Für kleine glottische Karzinome haben sich sowohl die Radiotherapie als auch die mikrolaryngoskopische Entfernung als Therapie bewährt [2]. Im Rahmen beider Behandlungen kommt es häufig zu einer Stimmverschlechterung [3], [4], [5]. Zur chirurgischen Stimmverbesserung hat sich unter anderem die Laryngoplastik etabliert [6]. Hierbei bietet die Verwendung von Eigenfett den Vorteil einer ausbleibenden Fremdkörperreaktion, welche bei Verwendung von synthetischen Materialien auftreten kann. Bei einseitigen Stimmlippenparesen wird autologes Fett bereits erfolgreich zur Augmentation verwendet und Effekte konnten 6 bis 12 Monate lang nachgewiesen werden [7]. In dieser Studie wurden detaillierte Daten zur Stimmentwicklung nach Frühaugmentation mit Eigenfett bei Chordektomie aufgrund kleiner glottischer Karzinome erhoben.

Material und Methoden

Im Rahmen eines prospektiven Studiendesigns erfolgte der Einschluss von 16 Patienten mit Tcis, T1 oder T2 glottischem Larynxkarzinom über einen Zeitraum von 16 Monaten. Zunächst erfolgte die mikrolaryngoskopische lokale Tumorresektion mit CO2-Laser in Vollnarkose. Anschließend erhielten alle Patienten mindestens eine Chordektomie Grad III [8]. Nach Bestätigung der karzinomfreien Ränder im Schnellschnitt erfolgte eine direkte Eigenfettaugmentation nach minimal-invasiver Fettentnahme mittels Lipoaspiration im Bereich der periumbilikalen abdominalen Subcutis, welche lediglich eine Inzision von 1–2 mm benötigt. Die Injektion in den lateralen Teil des Musculus thyroarytenoideus erfolgte lediglich mit dem korpuskulären Anteil des entnommenen Fetts, welcher durch Zentrifugation des entnommenen Fettes bei 3.000 rpm für 5 Minuten gewonnen wurde. Die Überkorrektur betrug ca. 10–20%. Alle Patienten erhielten eine multidimensionale Stimmevaluation nach dem Protokoll der European Laryngological Society [9] zum präoperativen Zeitpunkt sowie 6 Wochen und 3, 6 und 9 Monate nach Operation. Zwei Wochen nach Operation erfolgte lediglich eine Laryngostroboskopie sowie Evaluation nach Rauigkeit-Behauchtheit-Heiserkeit (RBH)-Skala.

Ergebnisse

Bis auf zwei Patienten erhielten alle Patienten eine Kontroll-Mikrolaryngoskopie 4 bis 12 Wochen nach dem initialen Eingriff. Zum Zeitpunkt 12 Wochen nach Operation mussten zwei Patienten aufgrund eines Rezidivs ausgeschlossen werden. Die Menge des entnommenen Fettes betrug im Median 5,15 ml (4,0–9,0) und das injizierte Fett 1,15 ml (0,4–3,6). Im Median traten nach der Injektion 0,2 ml (0,1–1,9) aus der Stimmlippe wieder heraus. Kein Patient benötigte im Nachbeobachtungszeitraum eine weitere stimmverbessernde Operation. Es wurden keine Komplikationen im Bereich der Fettentnahmestelle beobachtet. Laryngeal kam es zu zwei Komplikationsfällen: ein Patient benötigte nach schlechter Einstellbarkeit eine Tracheotomie; ein anderer Patient benötigte nach einer postoperativ hypertonen Entgleisung eine operative Blutstillung.

Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt die Werte der RBH Skalierung. Dabei waren im Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test für die Behauchtheit signifikante Unterschiede zwischen den Werten der präoperativen Messung und den Messungen nach 6 Wochen (p=0,005) bzw. 12 Wochen (p=0,028) postoperativ nachweisbar. Ebenso wiesen die Werte für die Heiserkeit zwischen den Messwerten vor und 6 Wochen nach der Operation einen statistisch signifikanten Unterschied auf (p=0,042).

Im Voice-Handicap-Index (VHI) kam es durch den Eingriff zu einem Anstieg der Werte (Median 31 (2–64) präoperativ, 54 (2–75) 6 Wochen post, 49 (3–63) 12 Wochen post, 48 (0–64) 26 Wochen post bzw. 46 (0–59) 38 Wochen postoperativ). Die maximale Tonhaltedauer sank nach der Operation leicht ab (präoperativ: 11,94 s (4,76–26,35) nach 6 Wochen: 8,90 s (3,00–20,55), nach 12 Wochen: 9,51 s (3,10–15,15), nach 26 Wochen: 8,23 s (4,36–25,45) und nach 38 Wochen: 9,04 s (5,85–34,40)). Es zeigte sich im Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test ein signifikanter Unterschied zwischen der präoperativen maximalen Tonhaltedauer sowie den Messwerten nach 6 Wochen (p=0,036). Im Dysphonia Severity Index (DSI) lagen die Mediane bei -0,05 (-3,1–5,8) präoperativ, -3,5 (-10–2) 6 Wochen, -1,1 (-10–1,7) 12 Wochen, -0,6 (-4,9–4,4) 26 Wochen, -1,5 (-10–3,6) 38 Wochen nach dem Eingiff. Die Abbildung 1b zeigt die Werte für den Jitter und Shimmer, die aus dem Göttinger Heiserkeitsdiagramm entnommen wurden.

Diskussion

Zu der Frühaugmentation mit Eigenfett nach Chordektomie liegen nur wenige klinische Daten vor [10]. Im Rahmen dieser Studie konnte größtenteils ein Erhalt der Stimmfunktion nach Chordektomie bei zeitgleich niedrigen Operationsrisiken nachgewiesen werden. 6 und 12 Wochen nach Operation zeigte sich jedoch eine Verschlechterung der maximalen Tonhaltedauer, des VHI und des DSI. Mögliche Ursache hierfür ist die Durchführung einer Kontroll-Mikrolaryngoskopie mit neuen Wundheilungseffekten zum Messzeitpunkt 12 Wochen postoperativ. Zu den Messzeitpunkten 6 und 9 Monate nach Operation konnte ein Rückgang der Parameter zum präoperativen Zustand beobachtet werden. Die Rezidivrate von 12% stimmt mit anderen im Rahmen von Chordektomien berichteten Rezidivraten überein [2], [11].

Limitationen dieser Studie sind unter anderem die geringe Patientenzahl, die Durchführung aller Eingriffe durch denselben Phonochirurgen sowie das Abdomen als einzige Fettentnahmestelle – in anderen Studien wurde das Fett gluteal entnommen [12]. Die gewählte Überkorrektur von 10 bis 20% könnte einen Einfluss auf die Stimmentwicklung haben, da in manchen Studien eine Überkorrektur von 30% gewählt wurde [7].

Schlussfolgerung

Die Frühaugmentation mit Eigenfett ist eine sichere und geeignete Therapie zur Stimmverbesserung bei Patienten nach Chordektomie indiziert im Frühstadium glottischer Karzinome. Der minimal-invasive Ansatz ermöglicht eine risikoarme Fettentnahme.


Literatur

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