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Analyse der Glottisschlussinsuffizienz und Asymmetrie im numerischen Modell SimVOICE
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Published: | September 26, 2022 |
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Zusammenfassung
Hintergrund: SimVOICE ist ein numerisches Modell des Kehlkopfes und des Vokaltraktes, mit dem der Stimmentstehungsprozess simuliert werden kann. Neben der gesunden Phonation ist das Modell in der Lage, irreguläre Stimmlippenschwingungen zu reproduzieren und den sich ergebenden Luftstrom und Schall realistisch nachzubilden. Dies ermöglicht eine umfassende Analyse und neue Einblicke in den strömungsbedingten Schallentstehungsprozess der gesunden wie auch gestörten Phonation.
Material und Methoden: SimVOICE ist ein hybrides Computermodell, das die Finite-Volumen-Methode (FVM) für die Strömungssimulation mit der Finiten-Element-Methode (FEM) für die Schallentstehung kombiniert. Die Bewegungen der Stimmlippen wurden aus Messungen an exzidierten Schweinekehlköpfen im FVM-Modell nachgebildet. Die simulierten zeitaufgelösten 3D Strömungsfelder wurden an das FEM Modell übergeben, darin die akustischen Quellen berechnet und die 3D Schallausbreitung simuliert. Für diese Studie wurden verschiedene Fälle (GC1–GC5) mit zunehmender Glottisschlussinsuffizienz (GSI) modelliert, jeweils für symmetrisch und asymmetrisch schwingende Stimmlippen.
Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen einen zunehmenden permanenten Luftstrom durch die Glottis für zunehmenden GC-Grad (GC1–GC4). Ferner zeigt sich, dass der Energietransfer von der Strömung in die Stimmlippen (1) mit steigendem GC-Grad und (2) zusätzlich bei asymmetrischen Stimmlippenschwingungen stark abnimmt. Die Folge ist eine Verminderung der Phonationseffizienz, was zu einer verkürzten Phonationszeit mit einer Lungenfüllung bei betroffenen PatientInnen korrespondiert, klinisch als Luftverlust bezeichnet. In gleicher Weise zeigt der Cepstral Peak Prominence (CPP) Parameter eine starke Verminderung der simulierten Schallqualität bei GSI und Asymmetrie, hervorgerufen durch eine Abnahme der harmonischen Töne gegenüber dem akustischen Grundrauschen.
Diskussion: Die Ergebnisse der Studie zeigen und bestätigen, dass ein kompletter Glottisschluss und eine symmetrische Stimmlippenschwingung wichtige Kriterien für eine gesunde Phonation sind. Hierbei zeigen sich die Einschränkungen von PatientInnen sowohl in der Phonationsausdauer als auch im Stimmsignal direkt in den Simulationsdaten. SimVOICE stellt somit ein sehr wertvolles Modell dar, um tiefe Einblicke in den gestörten Phonationsprozess zu erhalten.
Text
Einleitung
SimVOICE ist ein numerisches Modell des Kehlkopfes und des Vokaltraktes, mit dem der Stimmentstehungsprozess simuliert werden kann. Neben der gesunden Phonation ist das Modell in der Lage, irreguläre Stimmlippenschwingungen zu reproduzieren und den sich ergebenden Luftstrom und Schall realistisch nachzubilden. Dies ermöglicht eine umfassende Analyse und neue Einblicke in den strömungsbedingten Schallentstehungsprozess der gesunden wie auch gestörten Phonation.
Methoden
SimVOICE ist ein hybrides Computermodell, das die Finite-Volumen-Methode (FVM) für die Strömungssimulation mit der Finiten-Element-Methode (FEM) für die Schallentstehung kombiniert [1], [2]. Die Bewegungen der Stimmlippen wurden aus Messungen an exzidierten Schweinekehlköpfen im FVM-Modell nachgebildet [3]. Die simulierten zeitaufgelösten 3D Strömungsfelder wurden an das FEM Modell übergeben, darin die akustischen Quellen berechnet und die 3D Schallausbreitung simuliert. Für diese Studie wurden verschiedene Fälle (GC1–GC5) mit zunehmender Glottisschlussinsuffizienz (GSI) modelliert, jeweils für symmetrisch und asymmetrisch schwingende Stimmlippen [4].
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen einen zunehmenden permanenten Luftstrom durch die Glottis für zunehmenden GC-Grad (GC1–GC4), siehe Abbildung 1 [Abb. 1]. Ferner zeigt sich, dass der Energietransfer von der Strömung in die Stimmlippen (1) mit steigendem GC-Grad und (2) zusätzlich bei asymmetrischen Stimmlippenschwingungen stark abnimmt. Die Folge ist eine Verminderung der Phonationseffizienz, was zu einer verkürzten Phonationszeit mit einer Lungenfüllung bei betroffenen Patientinnen und Patienten korrespondiert, klinisch als Luftverlust bezeichnet. In gleicher Weise zeigt der Cepstral Peak Prominence (CPP) Parameter eine starke Verminderung der simulierten Schallqualität bei GSI und Asymmetrie, hervorgerufen durch eine Abnahme der harmonischen Töne gegenüber dem akustischen Grundrauschen.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen und bestätigen, dass ein kompletter Glottisschluss und eine symmetrische Stimmlippenschwingung wichtige Kriterien für eine gesunde Phonation sind. Hierbei zeigen sich die Einschränkungen von Patientinnen und Patienten sowohl in der Phonationsausdauer als auch im Stimmsignal direkt in den Simulationsdaten. SimVOICE stellt somit ein sehr wertvolles Modell dar, um tiefe Einblicke in den gestörten Phonationsprozess zu erhalten.
Förderung
Die Studie wurde im Rahmen eines Kooperationsprojektes von der DFG (DO 1247/10-1) und der FWF (I 3702) gefördert.
Literatur
- 1.
- Sadeghi H, Kniesburges S, Kaltenbacher M, Schützenberger A, Döllinger M. Computational Models of Laryngeal Aerodynamics: Potentials and Numerical Costs. J Voice. 2019 Jul;33(4):385-400. DOI: 10.1016/j.jvoice.2018.01.001
- 2.
- Schoder S, Weitz M, Maurerlehner P, Hauser A, Falk S, Kniesburges S, Döllinger M, Kaltenbacher M. Hybrid aeroacoustic approach for the efficient numerical simulation of human phonation. J Acoust Soc Am. 2020 Feb;147(2):1179. DOI: 10.1121/10.0000785
- 3.
- Birk V, Kniesburges S, Semmler M, Berry DA, Bohr C, Döllinger M, Schützenberger A. Influence of glottal closure on the phonatory process in ex vivo porcine larynges. J Acoust Soc Am. 2017 Oct;142(4):2197. DOI: 10.1121/1.5007952
- 4.
- Falk S, Kniesburges S, Schoder S, Jakubaß B, Maurerlehner P, Echternach M, Kaltenbacher M, Döllinger M. 3D-FV-FE Aeroacoustic Larynx Model for Investigation of Functional Based Voice Disorders. Front Physiol. 2021;12:616985. DOI: 10.3389/fphys.2021.616985