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37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 18.09.2021, digital

Erfolgreiche non-selektive laryngeale Reinnervierung bei einseitiger Stimmlippenlähmung 20 Jahre nach Thyroidektomie – ein Fallbeispiel

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  • corresponding author presenting/speaker Alexander Mainka - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Dirk Mürbe - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). sine loco [digital], 17.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocP4

doi: 10.3205/21dgpp10, urn:nbn:de:0183-21dgpp104

Published: October 28, 2021

© 2021 Mainka et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Zu den Therapieoptionen bei einseitiger Stimmlippenlähmung zählt auch die non-selektive laryngeale Reinnervierung. Etabliert sind die Technik nach Harvey Tucker mittels Muskel-Nerven-Transplantat [1] sowie die sog. Ansa-Technik mit direkter Anastomosierung der Radix anterior der Ansa cervicalis profunda mit dem Nervus laryngeus inferior [2]. Wirkprinzip ist die Volumenzunahme der reinnervierten laryngealen Muskulatur, v.a. auf Stimmlippenebene sowie die Stellungsänderung der Stimmlippe im Sinne einer Medialisierung.

Material und Methoden: Die Patientin war zum Zeitpunkt der Erstvorstellung 54 Jahre alt und berichtete über eine stattgehabte Schilddrüsen-Operation vor 20 Jahren mit unmittelbar postoperativ aufgetretener Heiserkeit. Trotz erfolgter Stimmübungsbehandlung sei die Stimme schwach und behaucht. Die Patientin war als Lehrerin an einer privaten Schule (Mittelstufe) jahrelang zurechtgekommen, berichtete nun allerdings über zunehmende Stimmprobleme. V.a. das Vorlesen sei in letzter Zeit sehr mühsam geworden. In der durchgeführten Video-Strobolaryngoskopie zeigte sich eine komplette Stimmlippenlähmung rechts mit intermediär stehender, stark atrophierter Stimmlippe und erheblicher glottaler Schlussinsuffizienz (mind. 2 mm). In der Stimmdiagnostik zeigten sich eine deutlich überhöhte Sprechstimmlage, eine verminderte Stimmdynamik sowie eine erheblich verkürzte Phrasendauer.

Ergebnisse: Die Intervention bestand in einer non-selektiven laryngealen Reinnervierung mittels Ansa-Technik rechts sowie einer simultanen Injektionsglottoplastik mit 0,5 ml Calciumhydroxylapatit in die rechte Stimmlippe. Postoperativ zeigte sich nach 6 Monaten eine leichte Stimmverbesserung. Nach 12 Monaten war eine erhebliche Stimmverbesserung in allen wesentlichen Parametern bei sichtbar voluminöserer Stimmlippe zu verzeichnen. Die Patientin berichtete neben dem spürbar leichteren Sprechen über eine Verbesserung der physischen Belastbarkeit durch die bessere Atemkontrolle.

Diskussion: Das funktionelle Ergebnis nach laryngealer Reinnervierung mittels Ansa-Technik kann wie im aktuellen Fall sehr gut und einer Laryngoplastik vergleichbar sein. Anders als bei einer Rahmenchirurgie des Larynx besteht jedoch kein Schwellungsrisiko postoperativ. Auch eine Verschlechterung der Stimmleistung, wie es nach Laryngoplastik im Langzeitverlauf durch Fortschreiten der Muskelatrophie mitunter zu beobachten ist, sollte kaum eine Rolle spielen. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ist die laryngeale Reinnervierung daher v.a. für jüngere Patienten eine Alternative.

Fazit: Die non-selektive laryngeale Reinnervierung stellt auch bei lang zurückliegender Nervenläsion eine gute Therapieoption dar. Wichtig bleibt die Beachtung bestehender Kontraindikationen.


Text

Hintergrund

Zu den Therapieoptionen bei einseitiger Stimmlippenlähmung zählt auch die non-selektive laryngeale Reinnervierung. Etabliert sind die Technik nach Harvey Tucker mittels Muskel-Nerven-Transplantat [1] sowie die sog. Ansa-Technik mit direkter Anastomosierung der Radix anterior der Ansa cervicalis profunda mit dem Nervus laryngeus inferior [2]. Wirkprinzip ist die Volumenzunahme der reinnervierten laryngealen Muskulatur, v.a. auf Stimmlippenebene sowie die Stellungsänderung der Stimmlippe im Sinne einer Medialisierung.

Methoden

Die Patientin war zum Zeitpunkt der Erstvorstellung 54 Jahre alt und berichtete über eine stattgehabte Schilddrüsen-Operation vor 20 Jahren mit unmittelbar postoperativ aufgetretener Heiserkeit. Trotz erfolgter Stimmübungsbehandlung sei die Stimme schwach und behaucht. Die Patientin war als Lehrerin an einer privaten Schule (Mittelstufe) jahrelang zurechtgekommen, berichtete nun allerdings über zunehmende Stimmprobleme. V.a. das Vorlesen sei in letzter Zeit sehr mühsam geworden.

In der durchgeführten Video-Strobolaryngoskopie zeigten sich eine komplette Stimmlippenlähmung rechts mit intermediär stehender, stark atrophierter Stimmlippe und erheblicher glottaler Schlussinsuffizienz (mind. 2 mm). In der Stimmdiagnostik zeigte sich eine deutlich überhöhte Sprechstimmlage, eine verminderte Stimmdynamik sowie eine erheblich verkürzte Phrasendauer.

Ergebnis

Die Intervention bestand in einer non-selektiven laryngealen Reinnervierung mittels Ansa-Technik rechts sowie einer simultanen Injektionsglottoplastik mit 0,5 ml Calciumhydroxylapatit in die rechte Stimmlippe. Postoperativ zeigte sich nach 6 Monaten eine leichte Stimmverbesserung. Nach 12 Monaten ist eine erhebliche Stimmverbesserung in allen wesentlichen Parametern bei sichtbar voluminöserer Stimmlippe zu verzeichnen. Die Patientin berichtet neben dem spürbar leichteren Sprechen über eine Verbesserung der physischen Belastbarkeit durch die bessere Atemkontrolle.

Vorher/Nachher-Endoskopie-Videos und Audioaufnahmen der Sprechstimme sind abrufbar unter [3].

Diskussion

Das funktionelle Ergebnis nach laryngealer Reinnervierung mittels Ansa-Technik kann wie im aktuellen Fall sehr gut sein und ist dem einer Laryngoplastik mit Arytenoidrotation vergleichbar. Anders als bei einer Rahmenchirurgie des Larynx besteht jedoch kein Schwellungsrisiko mit Entwicklung von Atemnot postoperativ. Auch das Nachlassen der Stimmleistung nach Laryngoplastik nach einigen Jahren bspw. durch Fortschreiten der Muskelatrophie ist nach Reinnervierung eher nicht zu erwarten. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ist die laryngeale Reinnervierung daher v.a. für jüngere Patienten mit ausgeprägter Muskelatrophie eine gute Behandlungsalternative.

Fazit

Die non-selektive laryngeale Reinnervierung stellt auch bei lang zurückliegender Nervenläsion eine gute Therapieoption der stimmlichen Einschränkungen einer einseitigen Stimmlippenlähmung dar. Darüber hinaus kann man – wie bei allen erfolgreichen Behandlungen einer glottalen Schlussinsuffizienz – mit einer verbesserten körperlichen Leistungsfähigkeit durch die verbesserte Atemkontrolle rechnen.


Literatur

1.
Tucker HM. Human laryngeal reinnervation. Laryngoscope. 1976;86(6):769-79. DOI: 10.1288/00005537-197606000-00004 External link
2.
Crumley RL, Izdebski K. Voice quality following laryngeal reinnervation by ansa hypoglossi transfer. Laryngoscope. 1986;96(6):611-6.
3.
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Audiologie und Phoniatrie. Laryngeale Reinnervierung bei Stimmlippenlähmung. Verfügbar unter: https://audiologie-phoniatrie.charite.de/fuer_patienten/stimme/einseitige_recurrensparese/laryngeale_reinnervierung/ External link