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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Grenzbereiche der Penetrations-Aspirations Skala (PAS) nach Rosenbek – Vorstellung eines neuen Dysphagiescores (LAR)

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Jana-Christiane Koseki - UKE, Hamburg, Deutschland
  • Almut Nießen - UKE, Hamburg, Deutschland
  • Julie C. Nienstedt - UKE, Hamburg, Deutschland
  • Till Flügel - UKE, Hamburg, Deutschland
  • Franziska Marsian - UKE, Hamburg, Deutschland
  • Frank Müller - UKE, Hamburg, Deutschland
  • Christina Pflug - UKE, Hamburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV37

doi: 10.3205/19dgpp57, urn:nbn:de:0183-19dgpp574

Published: September 13, 2019

© 2019 Koseki et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Beurteilung des Schweregrades einer Dysphagie in der FEES erfolgt in Forschung und Klinik weltweit überwiegend durch die PAS (Rosenbek 1996, Hey 2014).

Bei der FEES Beurteilung zeigen sich immer wieder Befunde, welche nicht ausreichend durch die PAS abbildbar sind. In dieser Untersuchung stellen wir einen neuen Dysphagiescore vor, der den Schluckbefund für den Kliniker besser darstellt. Beurteilt werden dabei die Laryngeale Eindringtiefe, die Aktion des Patienten und die verbleibenden Residuen (LAR).

Material und Methoden: Es wurden 72 Schlucke mittels der PAS und des LAR beurteilt. Der LAR bestimmt postdeglutitiv die Eindringtiefe auf einer Scala von 0–4. Nach spontaner Reaktion oder Aufforderung zur Reinigung wird erneut die Lokalisation der Residuen beurteilt. Retrospektiv wurden Schlucksequenzen breiiger und flüssiger Konsistenz gleichmäßig über alle PAS Werte extrahiert. Die PAS und der LAR wurden verblindet von zwei erfahrenen Untersuchern jeweils zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in randomisierter Reihenfolge beurteilt.

Ergebnisse: Die Interrater Reliabilität lag bei rho 0.74 für die PAS Werte und 0.34 für den LAR als dreistelligen Gesamtwert. Bei Umrechnung der LAR Werte in PAS Werte (einstellig) stieg die Übereinstimmung auf rho 0.72 und war damit vergleichbar mit den direkt bestimmten PAS Werten. Die Intrarater Reliabilität für die in PAS umgerechneten LAR-Werte lag bei 0.84 und 0.93. Die PAS Werte 1, 3, 7 und 8 und die dazugehörigen LAR Werte zeigten die höchste Übereinstimmung.

Diskussion: Der LAR Score ermöglicht auf einen Blick ein differenzierteres Bild der Dysphagie und ist der PAS daher in der klinischen Aussagekraft überlegen. Statistisch konnte gezeigt werden, dass der in PAS umgerechnete LAR eine vergleichbare Reliabilität aufweist. Insbesondere bei Residuen außerhalb des Aditus laryngis, die der PAS nicht erfasst, aber auch bei tiefer Aspiration, erlaubt der LAR eine bessere Differenzierung, die hinsichtlich der therapeutischen Konsequenz durchaus bedeutsam ist. Ob die geringe Reliabilität des LAR ohne die Umrechnung auf PAS Werte auf den dreistelligen Wert des LAR zurückzuführen ist, bedarf weiterer Untersuchungen. Zusammenfassend bietet der LAR eine klinisch exaktere Beurteilung der FEES bei vergleichbar guter Reliabilität wie die PAS.


Text

Einleitung

Neben einem standardisierten Endoskopieablauf wie Susan Langmore ihn 1988 [1] beschrieb, ist eine valide und vergleichbare Beschreibung und Beurteilung des Befundes wichtig. Dieses gilt sowohl für die interdisziplinäre Kommunikation wie auch die Forschung.

Ursprünglich für die Videofluoroskopie entwickelt, stellt die Penetrations-Aspirations Skala (PAS) [2] eine spezifisch und valide Schweregradeinteilung für Dysphagie dar. Weltweit ist es eine der am häufigsten benutzten Skalen zur Beurteilung des Schweregrades der Aspiration und Penetration. Bei der Beurteilung einer flexibel endoskopischen Evaluation des Schluckens (FEES) finden sich allerdings immer wieder Befunde, welche nicht ausreichend durch die PAS abgebildet werden können.

Es wurde ein systematischer dreistufiger Score entwickelt. Beurteilt werden dabei die Laryngeale Eindringtiefe (L) [3], die Aktion des Patienten (A) und die verbleibenden Residuen (R) (LAR).

Material und Methoden

Es wurden 72 Schlucke von Patienten im Alter von 18 bis 90 Jahren mittels der PAS und des LAR beurteilt. Die Konsistenzen flüssig und breiig wurden verwendet. Zwei erfahrene Untersucher beurteilten jeweils zu zwei verschiedenen Zeitpunkten die Schlucke mittels LAR und mittels PAS in randomisierter Reihenfolge. Die PAS wurde nach den Kriterien bzw. der Übersetzung von Hey 2014 [4] (siehe auch Tabelle 1 [Tab. 1]) verwendet. Der LAR wird wie folgt beurteilt:

Zunächst wird direkt postdeglutitiv die Eindringtiefe „L“ auf einer Scala von 0–4 beurteilt.

L 0: kein Bolus; L 1: Bolus außerhalb des Aditus laryngis, L 2: Bolus erreicht maximal die Taschenfalten, L 3: Bolus verbleibt zwischen Taschenfalte und Glottis, L 4: Bolus gelangt bis subglottisch

Im zweiten Schritt wird die spontane Aktion/Reaktion „A“ des Patienten abgewartet. Diese wird positiv (+) oder negativ (–) bewertet. Wenn keine spontane Reaktion/Reinigung erfolgt, wird der Patient zu Rachenreinigung und Nachschlucken aufgefordert. Nach diesem Reinigungsvorgang werden dann erneut die Residuen mit der gleichen Eindringtiefenskala wie für „L“ beurteilt, nun jedoch mit „R“ bezeichnet. Damit ergeben sich 27 Einzelwerte für den LAR (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Damit die Auswertung vergleichbare Ergebnisse liefert, wurden alle LAR Werte entsprechend der PAS umgerechnet und mit „LARcat“ bezeichnet.

Ergebnisse

Aus einem LAR Ergebnis kann eindeutig der PAS Wert bestimmt werden (siehe LARcat). Berechnet wurden die PAS und LARcat als Ordinalskala, während der originäre LAR als Nominalskala betrachtet werden muss. Die Interrater Reliabilität lag bei Spearman rho 0.74 (Signifikanz <0,001, hohe Übereinstimmung) für die PAS Werte und einem Cohens kappa 0.34 (Signifikanz <0,001, moderate Übereinstimmung) für den LAR als dreistelligen Gesamtwert. Bei Umrechnung in LARcat stieg die Übereinstimmung auf Spearman rho 0.72 (Signifikanz <0,001, hohe Übereinstimmung). Damit ist die Reliabilität des LARcat vergleichbar mit den direkt bestimmten PAS Werten. Die Intrarater Reliabilität für die LARcat-Werte lag bei Spearman rho 0.84 und 0.93 für die beiden Untersucher.

Diskussion

Der LAR Score weist eine statistisch vergleichbare Zuverlässigkeit wie der PAS auf, ermöglicht jedoch ein differenzierteres Bild der Dysphagie. Auf einen Blick können mehr Informationen aus ärztlicher und therapeutischer Sicht erfasst werden. Insbesondere bei Residuen außerhalb des Aditus laryngis, die der PAS nicht erfasst, aber auch bei Aspiration, erlaubt der LAR eine bessere Differenzierung, die hinsichtlich der therapeutischen Konsequenz durchaus bedeutsam ist.

Ob die geringe Reliabilität des LAR ohne die Umrechnung auf PAS Werte auf den dreistelligen Wert des LAR, oder auf die eher geringe Fallzahl im Verhältnis zur hohen Variabilität zurückzuführen ist, bedarf weiterer Untersuchungen.

Fazit

Der LAR bietet eine klinisch exaktere Beurteilung der FEES bei vergleichbar guter Reliabilität wie die PAS.


Literatur

1.
Langmore SE, et al. Fiberoptic endoscopic examination of swallowing safety: a new procedure. Dysphagia. 1988;2(4):216-9.
2.
Rosenbek JC, et al. A penetration-aspiration-scale. Dysphagia. 1996;11:93-8.
3.
Nienstedt JC, et al. Narrow Band Imaging Enhances the Detection Rate of Penetration and Aspiration in FEES. Dysphagia. 2017;32(3):443-8.
4.
Hey C, et al. Penetrations-Aspirations-Skala nach Rosenbek. HNO. 2014;62:276-81.