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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Kognitives Pretesting des Index zur persönlichen Stimmeinschätzung für Kinder (IpSKi)

Poster

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocP17

doi: 10.3205/19dgpp52, urn:nbn:de:0183-19dgpp521

Published: September 13, 2019

© 2019 Heilmann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Für den deutschen Sprachraum existieren zur Erfassung der subjektiven Beeinträchtigung von stimmbeeinträchtigten Kindern bisher ausschließlich Fragebögen für Eltern. Studien zeigen jedoch, dass eine Befragung von Kindern möglich und wegen der Unterschiede zwischen dem Erleben der Eltern und Kinder empfehlenswert ist.

Da sich kognitive und sprachliche Fähigkeiten der Kinder erst allmählich entwickeln, sind altersspezifische Fragebögen erforderlich.

Der an der MLU Halle-Wittenberg entwickelte Fragebogen „Index zur persönlichen Stimmeinschätzung für Kinder" (IpSKi) richtet sich an deutschsprachige 6- bis 10-jährige Kinder. Er soll die subjektive Bewertung der eigenen Stimme sowie die Auswirkungen der Stimmstörung auf den Alltag aus Sicht des Kindes erfassen. Ein zielgruppenspezifisches kognitives Pretesting soll Verständnisprobleme beim IpSKi aufdecken.

Material und Methoden: Mit 18 Grundschulkindern (Alter: 6,01–11,10 J.) wurde ein halbstandardisiertes, kognitives Interview durchgeführt. Die Transkripte wurden bzgl. Verständnisproblemen untersucht (deduktives Vorgehen). Weitere unvorhergesehene Schwierigkeiten wurden qualitativ und quantitativ erfasst (induktives Vorgehen). Die Einschätzung der Verständlichkeit und Handhabung des IpSKi erfolgte anhand dieser formell-qualitativen Inhaltsanalyse.

Ergebnisse: Die Ergebnisse dieser Analyse führten zur Umgestaltung des IpSKI: Umformulierung von acht Items, zwei Items wurden verworfen, Änderung der Antwortskala, Präzisierung der Instruktion für die Befragten, Veränderung der Zusammensetzung der Items und graphische Modifikationen zur besseren Orientierung und Handhabung.

Diskussion: Die Analyse der auftretenden Probleme sowie fundierte Empfehlungen zur Fragebogenkonstruktion bildeten die Grundlage zur Überarbeitung des IpSKi.

Fazit: Mit dem nun modifizierten IpSKi liegt ein linguistisch validierter und durch ein kognitives Pretesting bzgl. der Verständlichkeit verbesserter Fragebogen für die Erfassung der subjektiven Beeinträchtigung potentiell stimmbeeinträchtigter Kinder sowie eine daraus abgeleitete Elternversion inkl. Manual vor.


Text

Hintergrund

Für den deutschsprachigen Raum existieren zur Beurteilung der Lebensqualität stimmbeeinträchtigter Kinder bisher ausschließlich Fragebögen für Eltern. Studien zeigen jedoch, dass eine Befragung von Kindern möglich und wegen der Unterschiede zwischen dem Erleben der Eltern und Kinder außerdem auch empfehlenswert ist [1], [2], [3], [4], [5].

Der an der MLU Halle-Wittenberg entwickelte Fragebogen „Index zur persönlichen Stimmeinschätzung für Kinder“ (IpSKi) richtet sich an 6- bis 10-jährige deutschsprachige Kinder [6]. Er erfasst die subjektive Bewertung der eigenen Stimme sowie die subjektiv empfundenen Auswirkungen der Stimmstörung des Kindes auf dessen Alltag. Bei einem Fragebogen wie diesem müssen unvorhergesehene Verständnisprobleme aufgedeckt und beseitigt werden. Hierfür wurde ein kognitives Pretesting durchgeführt [7], [8], [9], [10], [11], [12].

Material und Methoden

Um schwer verständliche Aspekte des Fragebogens identifizieren zu können, wurden mit 18 Kindern halbstandardisierte, kognitive Interviews durchgeführt. Die daraus angefertigten Transkripte wurden in Bezug auf Verständnisprobleme der Kinder untersucht (deduktives Vorgehen). Schwierigkeiten konnten erfasst, strukturiert und hinsichtlich ihrer Relevanz und Häufigkeit eingeschätzt werden (induktives Vorgehen). Mithilfe dieser formell-qualitativen Inhaltsanalyse erfolgte die Einschätzung der Verständlichkeit und Handhabung des IpSKi [13], [14], [15].

Ergebnisse

Anhand der gewonnen Daten konnte die Verständlichkeit des Fragebogens optimiert werden: einige Items wurden umformuliert, die Antwortskala verändert, die Instruktionen präzisiert, die Items passender sortiert. Außerdem wurden graphische Modifikationen zur besseren Orientierung und Handhabung vorgenommen ([16].

Diskussion

Das kognitive Pretesting und die Empfehlungen zur Fragebogenkonstruktion bildeten die Grundlage zur Überarbeitung des IpSKi [7], [17], [18], [11], [19]. Eine neue Elternversion des IpSKi wurde aus dem Fragebogen für Kinder abgeleitet und stellt eine parallelisierte Variante dar (vergleiche [20], [21].

Fazit

Es liegt nun ein linguistisch validierter, durch kognitives Pretesting bzgl. der Verständlichkeit verbesserter IpSKi für Kinder sowie eine daraus abgeleitete Elternversion (inkl. Manual) vor. Der IpSKi ist ein deutschsprachiges Messinstrument, das die Sicht der Kinder selbst erfasst.

Abbildung 1 [Abb. 1]


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