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36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

19.09. - 22.09.2019, Göttingen

Vocal Tract Discomfort Scale (VTD) – statistische Auswertung zum Ankreuzverhalten

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Lydia Elaine Stappenbeck - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Ute Gonnermann - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Bernhard Lehnert - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 36. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Göttingen, 19.-22.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV31

doi: 10.3205/19dgpp47, urn:nbn:de:0183-19dgpp479

Published: September 13, 2019

© 2019 Stappenbeck et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Stimmstörungen sind assoziiert mit subjektiven Missempfindungen im Vokaltrakt, z.B. Brennen oder Kloßgefühl. Die Vocal Tract Discomfort Scale (VTD) quantifiziert 8 solcher Missempfindungen separat für die Eigenschaften „Häufigkeit“ und „Schweregrad“. Damit belastet sie die Patienten/innen mit 16 Entscheidungen.

Aus bestehenden Daten wurde die a priori Hypothese abgeleitet, dass beide Eigenschaften von Patienten anscheinend sehr ähnlich beurteilt werden. Damit ist fraglich, ob diese überhaupt separat erfasst werden müssen. In dieser Arbeit wurde an neuen Daten untersucht, inwieweit die Beurteilungen von „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ einander gleichen.

Material und Methoden: Im Rahmen klinisch-logopädischer Stimmdiagnostik wurden 93 VTD-Bögen (♂ 20, ♀ 73) einmalig erhoben. Für die Eigenschaften „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ jeder Missempfindung wurde eine Spearman-Korrelationsanalyse durchgeführt. Es wurden zudem durchschnittliche absolute Differenzen und 90%-Quantile der absoluten Differenzen zwischen beiden Eigenschaften berechnet sowie systematische Abweichungen mittels t-Test für abhängige Stichproben. Die statistische Auswertung erfolgte in R.

Ergebnisse: Die Spearman-Korrelationen zwischen „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ lagen zwischen 0,82 und 0,90. Die gemittelten absoluten Differenzen je Missempfindung schwankten zwischen 0,31 und 0,56. Die 90%-Quantile der absoluten Differenzen lagen zwischen den Werten beider Eigenschaften nie über 2 Punkten.

Einer von acht t-Tests wurde mit p=0,02 signifikant. Der Mittelwertunterschied zwischen „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ war mit 0,16 Punkten Differenz vernachlässigbar gering.

Diskussion: Die Eigenschaften „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ erhobener Missempfindungen werden von Patienten/innen tatsächlich sehr ähnlich beurteilt. Ihr Abstand betrug im Durchschnitt zirka einen halben Punkt. In 90% der Fälle lagen sie entweder nur einen oder höchstens zwei Punkte auseinander. Mit Vorzeichen gemittelt unterschieden sie sich nicht oder nur irrelevant.

Fazit: Da „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ von Patienten/innen so ähnlich beurteilt werden, dass sie in der Auswertung der VTD nicht eindeutig unterscheidbar sind, ist eine Verkürzung des Fragebogens zu überlegen. Damit könnte der Aufwand für Patienten/innen halbiert werden.


Text

Hintergrund

Stimmstörungen sind neben auditiv-perzeptiv oder objektiv messbaren Beschwerden mit subjektiven Missempfindungen im Vokaltrakt, wie z.B. Brennen, Trockenheit oder Kloßgefühl, assoziiert [1]. Acht solcher Missempfindungen können über die Vocal Tract Discomfort Scale (VTD) separat für die Eigenschaften „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ quantifiziert werden [2]. Die Patienten/innen müssen während des Ausfüllens der VTD damit 16 Entscheidungen treffen.

Aus bestehenden Daten wurde die a priori Hypothese abgeleitet, dass die Eigenschaften „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ der VTD von Patienten anscheinend ähnlich beurteilt werden. Damit ist fraglich, ob diese überhaupt separat erfasst werden können bzw. müssen. In dieser Arbeit wurde an neuen Daten untersucht, inwieweit die Beurteilungen einander tatsächlich gleichen.

Material

Im Rahmen klinisch-logopädischer Stimmdiagnostik wurden 93 VTD-Bögen (♂ 20, ♀ 73) einmalig erhoben. Für die Eigenschaften „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ jeder Missempfindung wurde eine Spearman-Korrelationsanalyse durchgeführt. Es wurden zudem durchschnittliche absolute Differenzen und 90%-Quantile der absoluten Differenzen zwischen beiden Eigenschaften berechnet sowie systematische Abweichungen mittels t-Test für abhängige Stichproben. Die statistische Auswertung erfolgte in R [3], [4].

Ergebnisse

Die Spearman-Korrelationen zwischen „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ lagen zwischen 0,82 und 0,90. Die gemittelten absoluten Differenzen je Missempfindung schwankten zwischen 0,31 und 0,56. Die 90%-Quantile der absoluten Differenzen lagen zwischen den Werten beider Eigenschaften nie über 2 Punkten.

Einer von acht t-Tests wurde mit p=0,02 signifikant. Der Mittelwertunterschied zwischen „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ war mit 0,16 Punkten Differenz vernachlässigbar gering.

Ein Vergleich der Summenwerte von „Häufigkeit“ und Schweregrad“ zeigte einen linearen Zusammenhang beider Eigenschaften (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Diskussion

Die Eigenschaften „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ erhobener Missempfindungen werden von Patienten/innen tatsächlich sehr ähnlich beurteilt. Ihr Abstand betrug im Durchschnitt zirka einen halben Punkt. In 90% der Fälle lagen sie entweder nur einen oder höchstens zwei Punkte auseinander. Mit Vorzeichen gemittelt unterschieden sie sich nicht oder nur irrelevant.

Fazit

Die Eigenschaften „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ werden von Patienten/innen so ähnlich beurteilt werden, dass sie in der Auswertung der VTD nicht eindeutig unterscheidbar sind. Eine Differenzierung der Patienten, die „Häufigkeit“ und „Schweregrad“ tatsächlich identisch beurteilen von denen, die sie unterscheiden, scheint für klinisch-praktische Belange unerheblich. Der individuelle Leidensdruck des Patienten kann darüber nur eingeschränkt abgebildet werden. Daher ist eine Verkürzung des Fragebogens zu überlegen. In weiterführenden Untersuchungen muss dazu ermittelt werden, welche der beiden Eigenschaften qualitativ aussagekräftig zur Erhebung von Missempfindungen im Vokaltrakt ist. Damit könnte der Aufwand zum Ausfüllen des Fragebogens für Patienten/innen halbiert und dieser dadurch entlastet werden.


Literatur

1.
Mathieson L. Vocal tract discomfort in hyperfunctional dysphonia. J Voice. 1993;2:40-8.
2.
Lukaschyk J, Brockmann-Bauser M, Beushausen U. Transcultural Adaptation and Validation of the German Version of the Vocal Tract Discomfort Scale. J Voice. 2017;31(2):261-8.
3.
R Core Team. R: A language and environment for statistical computing. Vienna: R Foundation for Statistical Computing. Available from: https://www.R-project.org/ External link
4.
Handl A, Kuhlenkasper T. Multivariate Analysemethoden – Theorie und Praxis mit R. Heidelberg: Springer Spektrum; 2017.