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4. Dreiländertagung D-A-CH
35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 23.09.2018, Innsbruck, Österreich

Ein neu entwickelter Bolusapplikator für die Dysphagiediagnostik: Eine Vorstudie mit simultaner Messung oraler Druckverläufe im Liegen und Sitzen

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Matthias Weidenmüller - Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Dennis Kurre - Automatisierungstechnik und Mikroprozessortechnik, Fakultät Naturwissenschaften und Technik, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Göttingen, Deutschland
  • Sebastian Krohn - Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Ralf Bürgers - Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Andreas Kegler - Automatisierungstechnik und Mikroprozessortechnik, Fakultät Naturwissenschaften und Technik, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Göttingen, Deutschland
  • Arno Olthoff - Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. 4. Dreiländertagung D-A-CH, 35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Innsbruck, Österreich, 20.-23.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocP6

doi: 10.3205/18dgpp31, urn:nbn:de:0183-18dgpp316

Published: September 14, 2018

© 2018 Weidenmüller et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Für eine vereinfachte, zuverlässige und standardisierte Bolusgabe während der Schluckdiagnostik im Echtzeit-MRT wurde ein Bolusapplikator in Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) neu entwickelt. Hiermit erfolgte die automatisierte Bolusgabe sowie Aufzeichnung der Druckverläufe. Da wir vermehrt orale Druckmessungen während des Schluckens im Echtzeit-MRT durchführen, interessierte uns in einer ersten Messung, ob es diesbezüglich Unterschiede beim Schlucken im Liegen gegenüber der uns gewohnten Position im Sitzen gibt. Zur stabilen Platzierung der Mess- sowie Bolussonden wurde eine individuelle Oberkieferschiene durch einen Kollegen der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik angepasst.

Material und Methoden: Untersucht wurden im Sinne einer Vorstudie zwei schluckgesunde Probanden. Über den Bolusapplikator wurde angedickter Ananassaft verabreicht. Zwei automatische Hinweistöne signalisierten jeweils Beginn und Ende der Bolusapplikation, woraufhin der Schluck erfolgte. Ein an die Messsonde angekoppelter Perfusor erzeugte durch einen kontinuierlichen Luftstrom einen geringfügigen Überdruck, um einen Rückfluss von Speichel zu vermeiden. Vor der nächsten Bolusgabe wurden die Messsonden zusätzlich durch einen automatisierten kurzen Luftstoß von Speichel gereinigt. Die Messung fand zuerst im Sitzen, dann im Liegen statt.

Ergebnisse: Methodische Schwächen der manuellen Bolusgabe (mangelnde Standardisierung, Verlegung der Messsonde) konnten vermieden werden. Während die Druckamplituden im Sitzen im Mittel um die 20 mbar lagen, waren sie im Liegen im Mittel bei ca. 10 mbar.

Diskussion: Der neu entwickelte Bolusapplikator erlaubt die simultane Messung und digitale Aufzeichnung von Druckverläufen. Zudem wird die Messsonde automatisiert gereinigt. Dies begegnet erfolgreich den methodischen Schwächen der bisherigen manuellen Bolusapplikation und getrennten Druckmessung.

Die genannten Ergebnisse dieser Vorstudie stützen unsere These einer Anheftung der Zunge an den Hartgaumen beim Schlucken, welche so insbesondere in aufrechter Körperposition die Kehlkopfhebung erleichtert. Daher würden wir auch insgesamt geringere Druckamplituden im Liegen erwarten.

Fazit: Für eine automatisierte Bolusgabe sowie die Aufzeichnung des oralen Druckverlaufs beim Schlucken scheint der Bolusapplikator geeignet zu sein. Ein mögliches Anwendungsfeld hierfür könnten Schluckuntersuchungen im Echtzeit-MRT sein. Die Auswertung weiterer Messungen wird zeigen, ob sich unser Trend bestätigt.


Text

Hintergrund

Für eine vereinfachte, zuverlässige und standardisierte Bolusgabe während der Schluckdiagnostik im Echtzeit-MRT wurde ein Bolusapplikator in Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) neu entwickelt. Hiermit erfolgte die automatisierte Bolusgabe sowie Aufzeichnung der Druckverläufe. Da wir vermehrt orale Druckmessungen während des Schluckens im Echtzeit-MRT durchführen, interessierte uns in einer ersten Messung, ob es diesbezüglich Unterschiede beim Schlucken im Liegen gegenüber der uns gewohnten Position im Sitzen gibt. Zur stabilen Platzierung der Mess- sowie Bolussonde wurde eine individuelle Oberkieferschiene durch die Zahnärztliche Prothetik unserer UMG angepasst.

Material und Methoden

Untersucht wurden im Sinne einer Vorstudie zwei schluckgesunde Probanden. Über den Bolusapplikator (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) wurde angedickter Ananassaft verabreicht. Zwei automatische Hinweistöne signalisierten jeweils Beginn und Ende der Bolusapplikation, woraufhin der Schluck erfolgte. Um den durch den Schluck bedingten Rückfluss von Speichel bzw. Saft in die Messsonde zu verhindern, koppelten wir einen Perfusor an die Messsonde, der durch einen kontinuierlichen Luftstrom einen geringfügigen Überdruck erzeugte. Vor der nächsten Bolusgabe wurde die Messsonde zusätzlich durch einen automatisierten kurzen Luftstoß von Flüssigkeit gereinigt. Die Messung fand zuerst im Sitzen, dann im Liegen statt.

Ergebnisse

Methodische Schwächen der manuellen Bolusgabe (mangelnde Standardisierung, Verlegung der Messsonde) konnten vermieden werden. Während die negativen Druckamplituden im Sitzen im Mittel bei -20 mbar lagen, waren sie im Liegen im Mittel bei ca. -10 mbar (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Im Sitzen war der Schluckvorgang länger (im Mittel 3 s) als im Liegen (im Mittel 1,6 s) und es zeigte sich im Sitzen ein kurzes Plateau eines kontinuierlichen Unterdrucks.

Diskussion

Der neu entwickelte Bolusapplikator erlaubt die simultane Messung und digitale Aufzeichnung von Druckverläufen. Zudem wird die Messsonde automatisiert gereinigt. Dies begegnet erfolgreich den methodischen Schwächen der bisherigen manuellen Bolusapplikation und getrennten Druckmessung.

Die genannten Ergebnisse dieser Vorstudie stützen unsere These einer Anheftung der Zunge durch Sog an den Hartgaumen beim Schlucken, welche so insbesondere in aufrechter Körperposition die Kehlkopfhebung entgegen der Schwerkraft unterstützt [1]. Hiernach waren geringere Druckamplituden im Liegen zu erwarten. Ein Zusammenhang mit dem Ausmaß der Kehlkopfhebung wurde hierbei von uns nicht untersucht. Der Frage nach der Kehlkopfhebung im Sitzen und Liegen ging jedoch eine südkoreanische Arbeitsgruppe nach [2]. Sie bestimmte die Larynx-Hyoid-Annäherung beim Schlucken mithilfe von Ultraschalldiagnostik. Signifikante Unterschiede im Sitzen gegenüber dem Schlucken im Liegen konnten sie nicht feststellen.

Fazit

Für eine automatisierte Bolusgabe sowie die Aufzeichnung des oralen Druckverlaufs beim Schlucken scheint der Bolusapplikator geeignet zu sein. Ein mögliches Anwendungsfeld hierfür könnten Schluckuntersuchungen im Echtzeit-MRT sein. Die Auswertung weiterer Messungen wird zeigen, ob sich der Befund unterschiedlicher Druckamplituden im Sitzen und im Liegen bestätigt.


Literatur

1.
Olthoff A, Joseph AA, Weidenmüller M, Riley B, Frahm J. Real-time MRI of swallowing: intraoral pressure reduction supports larynx elevation. NMR Biomed. 2016 Nov;29(11):1618-23.
2.
Ahn SY, Cho KH, Beom J, Park DJ, Jee S, Nam JH. Reliability of ultrasound evaluation of hyoid-larynx approximation with positional change. Ultrasound in Med & Biol. 2015;41(5):1221-5.