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4. Dreiländertagung D-A-CH
35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 23.09.2018, Innsbruck, Österreich

Polymedikation, Dysphagie und das höhere Lebensalter

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. 4. Dreiländertagung D-A-CH, 35. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Innsbruck, Österreich, 20.-23.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocV19

doi: 10.3205/18dgpp28, urn:nbn:de:0183-18dgpp286

Published: September 14, 2018

© 2018 Schwemmle et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: In Deutschland gibt es über 40 000 zugelassene und registrierte Arzneimittel, davon sind 33 Wirkstoffe für über 80% der vermeidbaren unerwünschten Arzneimittelwirkungen verantwortlich. Bis zu 10% der Klinikeinweisungen stehen in Verbindung mit Problemen bei Polymedikationen (6 oder mehr Medikamente). Eine selektiv-medikamentöse Behandlung der einzelnen Erkrankungen führt zu immer mehr Medikamentenverschreibungen, während sich gleichzeitig im höheren Lebensalter Stoffwechselvorgänge verringern und sich Schluckfertigkeiten reduzieren und Medikamente selbst die Schluckfunktion direkt/indirekt stören können. Betagte oder deutlich eingeschränkte Altenheimbewohner können Nebenwirkungen häufig nicht mehr verbalisieren.

Viele Medikamente werden oftmals lange Zeit unverändert ohne Berücksichtigung veränderter Stoffwechselprozesse und des Gewichts eingenommen.

Außerdem gibt es Substanzgruppen, die die Wirkung anderer Medikamente verstärken oder abschwächen („Täter und Opfer“). Kritisch sind Trends zur Maximaltherapie, beispielsweise bei der Bluthochdruckbehandlung oder der Hyperlipidämie.

Diskussion: Auch die Fachärzte, die mit dem einzelnen Patienten nicht vertraut sind, sollten sich einen aktuellen Medikamentenplan zur Dokumentation aushändigen lassen und auch selbst explizit Anfragen beim Hausarzt stellen. Wichtige Maßnahme ist die Vermeidung der Höchstdosis von Medikamenten. Eine jährliche „Brown Bag“-Besprechung bedeutet, dass Patienten einmal jährlich alle Medikamente, die sie regelmäßig oder bei Bedarf einnehmen, mit in die Praxis bringen sollten. Dort kann die Medikation auf potenzielle Risiken überprüft werden. Elektronifizierte Medikamentenpläne geben mehr Sicherheit in Darreichungsform und Frequenz. Bezüglich der Darreichungsform und Galenik (Mörsern, Teilen, per Sonde-Gabe) ist die interdisziplinäre Beratung mit den Apothekern/Pharmakologen wichtig, unabhängig, ob eine stationäre oder ambulante Patientenbehandlung erfolgt. Verschiedene Medikamente könnten durch eine flüssige Darreichungsform ersetzt werden.

Wünschenswert ist ein Netzwerk mit Einbezug von Geriatern, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Ärzte untereinander, mit den Apothekern und dem Pflegepersonal in Klinik und Altenheimen.

Fazit: Der Vortrag soll einen Überblick über verschiedene Medikamentennebenwirkungen bei Presbyphagie geben, einzelne medikamentenassoziierte Interaktionen auflisten, leitliniengerechtes Verhalten versus Polymedikation beschreiben und mögliche Konzepte aufzeigen.


Text

Hintergrund

In Deutschland gibt es über 40 000 zugelassene und registrierte Arzneimittel, davon sind 33 Wirkstoffe für über 80% der vermeidbaren unerwünschten Arzneimittelwirkungen verantwortlich. Bis zu 10% der Klinikeinweisungen stehen in Verbindung mit Problemen bei Polymedikationen (sechs oder mehr Medikamente). Eine selektiv-medikamentöse Behandlung der einzelnen Erkrankungen führt zu immer mehr Medikamentenverschreibungen, während sich gleichzeitig im höheren Lebensalter Stoffwechselvorgänge verringern, sich Schluckfertigkeiten reduzieren und Medikamente selbst die Schluckfunktion direkt/indirekt stören können. Betagte oder deutlich eingeschränkte Altenheimbewohner können außerdem Nebenwirkungen häufig nicht mehr verbalisieren.

Viele Medikamente werden zudem oftmals lange Zeit unverändert und ohne Berücksichtigung veränderter Stoffwechselprozesse und des Gewichts eingenommen.

Außerdem gibt es Substanzgruppen, die die Wirkung anderer Medikamente verstärken oder abschwächen („Täter und Opfer“). Kritisch sind Trends zur Maximaltherapie, beispielsweise bei der Bluthochdruckbehandlung oder der Hyperlipidämie.

Der Vortrag soll einen Überblick über verschiedene Medikamentennebenwirkungen bei Presbyphagie geben, einzelne medikamentenassoziierte Interaktionen auflisten, leitliniengerechtes Verhalten und Polymedikation beschreiben und Konzepte aufzeigen.

Methodik

Selektive Literaturrecherche in PubMed und Google zu Polypharmazie, Polymedikation, polypharmacy

Diskussion

Das Interesse, das Wissen und die Zahl der Veröffentlichungen mit dem Thema der Polymedikationsproblematik beim älteren Menschen haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Auch die Laienpresse nimmt z.B. in Form von Patientenratgebern dieses Thema auf. In verschiedenen deutschen Regionen sind Kontaktnetzwerke insbesondere von Pharmakologen und Ärzten bereits initiiert oder bereits etabliert, um eine Optimierung der sinnvollen, patientenorientiert-medikamentösen Behandlung zu bewirken.

Auch die Fachärzte, die mit dem einzelnen Patienten nicht vertraut sind, sollten sich einen aktuellen Medikamentenplan zur Dokumentation aushändigen lassen und auch selbst explizit Anfragen beim Hausarzt stellen. Wichtige Maßnahme ist die Vermeidung der Höchstdosis von Medikamenten. Eine jährliche „Brown Bag“-Besprechung bedeutet, dass Patienten einmal jährlich alle Medikamente, die sie regelmäßig oder bei Bedarf einnehmen, mit in die Praxis bringen sollten. Dort kann die Medikation auf potenzielle Risiken überprüft werden.

Elektronifizierte Medikamentenpläne geben mehr Sicherheit in Darreichungsform und Frequenz.

Bezüglich der Darreichungsform und Galenik (Mörsern, Teilen, per Sonde-Gabe) ist die interdisziplinäre Beratung mit den Apothekern/Pharmakologen wichtig, unabhängig, ob eine stationäre oder ambulante Patientenbehandlung erfolgt. Verschiedene Medikamente könnten außerdem durch eine flüssige Darreichungsform ersetzt werden.

Fazit

Wünschenswert ist ein Netzwerk mit Einbezug von Geriatern, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Ärzte untereinander, mit den Apothekern und dem Pflegepersonal in Klinik und Altenheimen.


Literatur

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4.
Klindt K. Medikationsplan richtig nutzen. Wer drei oder mehr Medikamente am Tag einnimmt, hat jetzt Anspruch auf einen Medikationsplan. Was Patienten über den Arzneilotsen wissen müssen. Apotheker Umschau, Seniorenratgeber. 2017 Nov 27. Available from: https://www.senioren-ratgeber.de/Medikamente/Medikationsplan-richtig-nutzen-545491.html External link
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Klindt K. Polymedikation: Durchblick behalten: Senioren nehmen oft fünf oder mehr Arzneimittel am Tag ein. Wer soll da noch durchblicken? Medikationschecks sorgen für Klarheit und decken Wechselwirkungen auf. Apotheker Umschau, Seniorenratgeber. 2017 Sep 15. Available from: https://www.senioren-ratgeber.de/Medikamente/Polymedikation-Durchblick-behalten-542747.html External link
6.
Morgenstern A. Polymedikation im höheren Lebensalter. Dissertation, Universität Regensburg; 2017.
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Schwemmle C, et al. Medikamenteninduzierte Dysphagien – ein Überblick. HNO. 2015;63(7):504-10.
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