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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Vergleich der Hörschwellen mittels BERA mit NB-Chirp-Stimuli und ASSR bei Kindern mit mindestens hochgradiger Schwerhörigkeit

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Sebastian Semmelbauer - Ludwig-Maximilian-Universität München, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf-Hals-Chirurgie, München, Deutschland
  • author Katharina Eder - Ludwig-Maximilian-Universität München, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf-Hals-Chirurgie, München, Deutschland
  • author Maria Schuster - Ludwig-Maximilian-Universität München, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf-Hals-Chirurgie, München, Deutschland
  • author Maike Neuling - Ludwig-Maximilian-Universität München, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf-Hals-Chirurgie, München, Deutschland
  • author Daniel Polterauer - Ludwig-Maximilian-Universität München, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf-Hals-Chirurgie, München, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV7

doi: 10.3205/17dgpp07, urn:nbn:de:0183-17dgpp075

Published: August 30, 2017

© 2017 Semmelbauer et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Für die Hörschwellenbestimmung bei Kindern ist die BERA ein unverzichtbarer Bestandteil pädaudiologischer Diagnostik geworden. Zur frequenzunterscheidenden Messung können NB-Chirp-Stimuli verwendet werden oder auch ASSR. In dieser Studie wird untersucht, ob beide Methoden ähnliche Ergebnisse bei sensorischer Schwerhörigkeit erbringen oder sich bei mindestens hochgradigen Kindern eine unterschiedliche Konsequenz für eine Therapieentscheidung ergäbe.

Material und Methoden: Retrospektive Analyse von 78 Messergebnissen von 47 Kindern (0,5 bis 4 Jahre alt) mit mindestens hochgradiger Schwerhörigkeit. Die Messung der BERA mit NB Chirp-Stimuli und ASSR jeweils im Frequenzbereich um 1, 2 und 4 kHz wurden direkt nacheinander im ruhigen Spontanschlaf, mit Schlafinduktion oder Intubationsnarkose durchgeführt. Die Hörschwelle wurde von zwei erfahrenen Audiometristen/Pädaudiologen für alle BERA-Messungen visuell ermittelt; Korrekturangleichungen im tieferen Frequenzbereich wurden nicht einbezogen. Beim Vergleich wurde insbesondere darauf geachtet, ob sich hinsichtlich einer Indikation zur Cochlea Implantat-Versorgung Unterschiede zwischen beiden Methoden ergibt. Die Datenanalyse erfolgte in Excel.

Ergebnisse: Insbesondere in den niedrigeren Frequenzbereichen zeigten sich Hörschwellenunterschiede zwischen den Methoden. Weniger als 15dB Unterschied zeigte sich bei messbaren Schwellen mit beiden Methoden bei 1kHz in 90%, 2 kHz in 85% und 4kHz in 87%. Unterschiede von mehr als 20dB ergaben sich v.a. bei Kindern mit auditorischer Synaptopathie/Neuropathie.

Bei 5 Ohren ergab sich eine Konsequenz für die weitere Therapie (Hörgeräte oder CI) bei niedrigerer Hörschwelle mittels ASSR.

Diskussion: Beide Methoden – BERA mit NB-Chirp-Stimuli und ASSR zeigen bei der frequenzunterscheidenden Messung eine gute Übereinstimmung. Eine grundlegende Konsequenz für die Therapie – Hörgeräteversorgung oder Cochlea Implantat – ergab sich bei Kindern mit mindestens hochgradiger sensorischer Schwerhörigkeit allein aus diesen Messungen bei 4 Ohren.

Fazit: ASSR und BERA mit NB-Chirp-Stimuli liefern in den meisten Fällen vergleichbare Resultate zur Hörschwelle.


Text

Hintergrund

Für die Hörschwellenbestimmung bei Kindern ist die BERA ein unverzichtbarer Bestandteil pädaudiologischer Diagnostik geworden [1]. Zur frequenzunterscheidenden Messung können NB-Chirp-Stimuli [2] verwendet werden oder auch ASSR, deren Wertigkeit für die Hörschwellenbestimmung allerdings noch nicht ausreichend geklärt ist. In dieser Studie wird untersucht, ob beide Methoden ähnliche Ergebnisse bei Kindern mit mindestens hochgradiger sensorischer Schwerhörigkeit erbringen und ob sich bei Unterschieden eine Konsequenz für eine Therapieentscheidung ergäbe.

Material und Methoden

In einer retrospektiven Analyse werden 78 Messergebnissen von 47 Kindern (0,5 bis 4 Jahre alt) mit mindestens hochgradiger Schwerhörigkeit ausgewertet. Die Messung der BERA mit NB Chirp-Stimuli und ASSR jeweils im Frequenzbereich um 1, 2 und 4 kHz wurden direkt nacheinander im ruhigen Spontanschlaf, mit Schlafinduktion oder Intubationsnarkose durchgeführt (Interacoustics Eclipse). Die Messung erfolgte mit Einsteckhörer (3M EAR Tone ABR) mit angepasster Vertäubung des Gegenohres. Die Hörschwelle wurde von zwei erfahrenen Audiometristen/Pädaudiologen für alle BERA-Messungen visuell ermittelt. Für die Auswertung der ASSR wurde die Intensitätsstufe als Schwelle herangezogen, bei der noch Potentiale messbar waren; Korrekturangleichungen im tieferen Frequenzbereich wurden nicht einbezogen. Beim Vergleich wurde insbesondere darauf geachtet, ob sich hinsichtlich einer Indikation zur Cochlea Implantat-Versorgung [3] Unterschiede zwischen beiden Methoden ergeben. Die Datenanalyse erfolgte in Microsoft Excel. Ergebnisse von Kindern mit auditorischer Synaptopathie/Neuropathie wurden nicht in die Analyse einbezogen.

Ergebnisse

Insbesondere in den niedrigeren Frequenzbereichen zeigten sich Hörschwellenunterschiede zwischen den Methoden. Weniger als 15 dB Unterschied zeigte sich bei messbaren Schwellen mit beiden Methoden bei 1 kHz in 90%, 2 kHz in 85% und 4 kHz in 87%. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt die Häufigkeit, der über die Frequenzen gemittelten Absolut-Werte der Differenzen beider Messverfahren.

Bei nicht mehr nachweisbaren Potentialen mittels BERA (Schwelle>100dB) zeigten sich mittels ASSR in 16% mehr als 15 dB bessere Schwellen bei 1 kHz, in 24% bei 2 kHz und in 50% bei 4 kHz. Die Daten der ASSR Schwellen in Abbildung 2 [Abb. 2] sind gemittelt über alle ausgewerteten Frequenzen.

Bei 5 Ohren ergab sich eine Konsequenz für die weitere Therapie (Hörgeräte oder CI), da die mittels ASSR ermittelte Hörschwelle unterhalb der in den Leitlinien [1] angegebenen Schwellen lag, mittels NB-Chirp-BERA allerdings darüber.

Diskussion

Beide Methoden – BERA mit NB-Chirp-Stimuli und ASSR zeigen bei messbaren Potentialen eine gute Übereinstimmung. Bei fehlenden Potentialen bei der BERA-Messung sind allerdings vermehrt Hörschwellenunterschiede von mehr als 15 dB vorhanden. Eine grundlegende Konsequenz für die Therapie – Hörgeräteversorgung oder Cochlea Implantat – ergab sich allein aus diesen Messungen bei 5 Ohren.

Fazit

Die elektrophysiologische Hörschwellenbestimmung mittels ASSR und BERA mit NB-Chirp-Stimuli liefern bei mehr als hochgradiger Schwerhörigkeit von Kindern mitunter deutlich unterschiedliche Ergebnisse. Natürlich müssen die Resultate auch mit den weiteren audiometrischen Ergebnissen abgeglichen werden, um so die adäquate Therapie individuell auswählen zu können. Für eine abschließende Bewertung der ASSR als verlässliche Methode der Hörschwellenbestimmung bei Kindern sollten die Ergebnisse tonaudiometrischer Verfahren in zukünftigen Studien einbezogen werden.


Literatur

1.
Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, Hrsg. AWMF 049/010 – S2k-Leitlinie: Periphere Hörstörungen im Kindesalter (aktueller Stand: 09/2013). AWMF online. Verfügbar unter: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/049-010l_S2k_Periphere_H%C3%B6rst%C3%B6rungen_im_Kindesalter_2013-09.pdf External link
2.
Elberling C, Don M. A direct approach for the design of chirp stimuli used for the recording of auditory brainstem responses. J Acoust Soc Am. 2010 Nov;128(5):2955-64. DOI: 10.1121/1.3489111 External link
3.
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. AWMF 017/071 – S2k-Leitlinie: Cochlea-Implantat Versorgung einschließlich zentral-auditorischer Implantate. AWMF online. Verfügbar unter: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-071l_S2k_Cochlea_Implant_Versorgung_2012-05-abgelaufen.pdf External link