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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Automatische ASSR mit Knochenleitungsstimulation in normal-hörenden Probanden

Vortrag

  • author presenting/speaker Fabian Kraus - Pädaudiologie und Phoniatrie, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Mario Cebulla - HNO, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Lisa Scherer - Hospital Groß-Sand, Hamburg-Wilhelmsburg, Deutschland
  • corresponding author Wafaa Shehata-Dieler - Pädaudiologie und Phoniatrie, Universitätsklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV5

doi: 10.3205/17dgpp05, urn:nbn:de:0183-17dgpp051

Published: August 30, 2017

© 2017 Kraus et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Akustische Stimuli für evozierte akustische Potentiale können über Luft- (LL) als auch über Knochenleitung (KL) dargeboten werden. Entscheidend für die Diagnostik von Schallleitungsschwerhörigkeiten ist eine Messung über die KL. Bisher sind wenige Objektive Knochenleitungs-Messverfahren beschrieben. Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung der Reliabilität einer automatisierten KL-ASSR.

Material und Methoden: 18 normalhörende Probanden wurden in die Studie eingeschlossen. Alle erhielten eine Tonaudiometrie. Die KL-ASSR wurde unter der Verwendung von Frequenz-spezifischen Chirp-Stimuli über LL (EAR 3A) und KL (B71) über das „Interacoustics Eclipse ASSR system“® dargeboten. Das kontralaterale Ohr würde 10 dB über dem Stimulationslevel vertäubt und die KL-ASSR Schwellen über einen automatisierten Algorithmus bestimmt. Der geringste Stimulationsunterschied betrug 5 dB. Die ermittelten ASSR-Schwellen über Luft- und Knochenleitung wurden mit standardisierten Messverfahren, hier objektiver BERA und subjektiver, frequenzspezifischer Tonaudiometrie, verglichen.

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass die Unterschiede zwischen den Tonaudiometrischen Schwellen und den ASSR Schwellen beider Messmodi frequenzabhängig sind. Die größte Differenz konnte in der tiefsten Stimulationsfrequenz bei 500 Hz mit 21,7 dB nHL(LL) und 22,2 dB nHL(KL), die geringste bei 4 kHz mit 10,3 dB (LL) und 13,3 dB (KL) gemessen werden. Es bestehen geringe aber signifikante Unterschiede zwischen der LL- und KL-ASSR. Unter Verwendung des in der automatisierten ASSR etablierten Algorithmus konnten die Schwellen auf 6,7 dB nHL (LL) und 8.1 dB nHL (KL) bei 500 Hz und auf 1,4 dB nHL (LL) sowie 4,2 dB nHL (KL) bei 4kHz korrigiert werden. Die durchschnittliche Messzeit für LL und KL betrug 37,2 min bzw. 39,1 min.

Fazit: In der vorliegenden Studie konnte die Realisierbarkeit einer automatisierten KL-ASSR gezeigt werden. Die Ergebnisse ergaben einen nur geringfügig ausgeprägten Unterschied zwischen den beiden Stimulationsmethoden mit einer vergleichbaren Messzeit. Die KL-ASSR hat eine der LL-ASSR entsprechende Reliabilität.


Text

Einleitung

Für die frühzeitige Diagnostik und Behandlung von Hörstörungen sind objektive Messverfahren notwendig, besonders, wenn subjektive Messverfahren eingeschränkt durchführbar sind wie bei Kleinkindern [1], [2]. Für die Differenzierung einer Schallleitungs- von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit ist die Messung über Knochenleitung entscheidend, der klinische Einsatz ist jedoch bisher gering [3]. Akustische Stimuli für evozierte akustische Potentiale können über Luft- (LL) als auch über Knochenleitung (KL) dargeboten werden. Objektive Knochenleitungs-Messverfahren sind in der Literatur kaum beschrieben. Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung einer automatisierten KL-ASSR.

Patienten und Methoden

18 normalhörende Probanden zwischen 20 und 30 Jahren wurden in die Studie eingeschlossen, davon waren 45,5% männlich und 54,5% weiblich. Das mittlere Alter lag bei 25,3 Jahren. Alle erhielten eine Tonaudiometrie. Die ASSR wurde unter der Verwendung von spezifischen Chirp-Stimuli über LL (EAR 3A) und KL (B71) mit dem „Interacoustics Eclipse ASSR system“® dargeboten. Das kontralaterale Ohr würde 10 dB über dem Stimulationslevel vertäubt und die KL-ASSR Schwellen über einen automatisierten Algorithmus bestimmt („estimated“ ASSR Audiogramm). Der geringste Stimulationsunterschied betrug 5 dB. ASSR-Schwellen über Luft- und Knochenleitung wurden mit standardisierten Messverfahren, hier objektiver BERA und subjektiver, frequenzspezifischer Tonaudiometrie, verglichen. Bei der statistischen Auswertung wurden die Frequenzen untereinander sowie die unterschiedlichen Stimulationsmodi korreliert.

Ergebnisse

In den Tonaudiometrischen Untersuchungen lagen die Schwellen linkseitig über LL zwischen –5 dB HL (bei 500 Hz, 1 kHz und 4 kHz) und bei 10 dB HL (bei 500 Hz). Über KL lagen die Hörschwellen ebenfalls zwischen –5 dB HL (bei 2 kHz und 4 kHz) und 10 dB HL bei allen gemessenen Frequenzen.

Die BERA Schwellen wurden bei jedem Probenden über Luft- und Knochenleitung bestimmt. Sie lagen jeweils zwischen 10 dB HL und 30 dB HL. Im Vergleich zwischen Tonaudiometrie- und BERA-Schwellen war die größte Differenz bei den über LL ermittelten Werten bei 17,8 dB (1kHz), die kleine Differenz war 16,1 dB bei 2 kHz. Bei den über KL ermittelten Werten fand sich die größte Differenz mit 15,6 dB bei 1 kHz und die kleinste bei 12,8 dB bei 4 kHz (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Mit steigender Frequenz verringerten sich die Differenzen zwischen den ASSR und den Tonaudiometrie-Schwellen (Tabelle 2 [Tab. 2]). Die ASSR-Schwellen und Tonaudiometrieschwellen unterschieden sich wie zu erwarten bei allen Frequenzen sowohl bei LL als auch bei KL signifikant (p<0,01, Wilcoxon-Rangsummen-Test für verbundene Stichproben). Unter Anwendung des „estimated“ ASSR Audiogramms konnten bei 1 kHz, 2 kHz und 4 kHz keine signifikanten Unterschiede mehr nachgewiesen werden (Abbildung 1 [Abb. 1]; alle p>0,05 Wilcoxon-Rangsummen-Test für verbundene Stichproben). Die durchschnittliche Messzeit für die ASSR-Messungen betrug 37,2 Minuten für die Luftleitung und 39,1 Minuten für die Knochenleitung.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass die Unterschiede zwischen den Tonaudiometrischen Schwellen und den ASSR Schwellen beider Messmodi frequenzabhängig sind. Die größte Differenz konnte in der tiefsten Stimulationsfrequenz bei 500 Hz mit 21,7 dB HL (LL) und 22,2 dB HL (KL), die geringste bei 4 kHz mit 10,3 dB (LL) und 13,3 dB (KL) gemessen werden. Es bestehen geringe aber signifikante Unterschiede zwischen der LL- und KL-ASSR. Unter Verwendung des in der automatisierten ASSR etablierten Algorithmus („estimated“-ASSR-Audiogramm) konnten die Schwellen auf 6,7 dB HL (LL) und 8,1 dB HL (KL) bei 500 Hz und auf 1,4 dB HL (LL) sowie 4,2 dB nHL (KL) bei 4 kHz korrigiert werden.

Nur im Niederfrequenzbereich zeigten sich signifikante Differenzen der ASSR Schwellen über Knochenleitung gegenüber den Luftleitungsschwellen, sowie frequenzspezifische Differenzen bei der Luftleitung. Die Differenzen zwischen ASSR- und BERA-Schwellen über Luftleitung und Knochenleitung waren nicht signifikant. Die größte Differenz zwischen ASSR- und Tonaudiometrieschwellen lag mit 21,4 dB (LL) und einen 21,9 dB HL (KL) bei 500 Hz, die kleinste Differenz bei 4 kHz mit 10,3 dB HL (LL) und 13,3 dB HL (KL). Die ASSR-Schwellen lagen maximal bei 16,7 dB HL (LL) und 13,9 dB HL (KL) über den Tonaudiometrieschwellen. Für die ASSR-Messung war die Messzeit mit 32,3 Minuten über LL und 39,1 Minuten über KL von vergleichbarer Dauer. Die in dieser Studie ermittelten Differenzen lagen im mittleren Bereich im Vergleich zur Literatur. Im „estimated“-ASSR-Audiogramm zeigten sich nur geringe, nicht signifikante Unterschiede zwischen den ASSR-Schwellen und den Tonaudiometrieschwellen (Abbildung 1 [Abb. 1]). Mit +2 dB (HL) bei 2 kHz und +3 dB (HL) bei 4 kHz in der Luftleitung und –1dB (HL) bei 2kHz und –2 dB (HL) bei 4kHz in der Knochenleitung besteht eine gute Übereinstimmung beider Messverfahren.

Fazit

In der vorliegenden Studie konnte die Realisierbarkeit einer automatisierten KL-ASSR gezeigt werden. Die Ergebnisse ergaben einen nur geringfügig ausgeprägten Unterschied zwischen den beiden Stimulationsmethoden mit einer vergleichbaren Messzeit. Die KL-ASSR hat eine der LL-ASSR entsprechende Reliabilität.


Literatur

1.
American Academy of Pediatrics, Joint Committee on Infant Hearing. Year 2007 position statement: Principles and guidelines for early hearing detection and intervention programs. Pediatrics. 2007 Oct;120(4):898-921. DOI: 10.1542/peds.2007-2333 External link
2.
Shehata-Dieler WE, Dieler R, Wenzel G, Keim R, Singer D, von Deuster Ch. Das Würzburger Hörscreening-Programm bei Neugeborenen. Erfahrungen bei mehr als 4000 Säuglingen - Einfluss nichtpathologischer Faktoren auf die Messergebnisse [Universal newborn hearing screening program in Würzburg. Experience with more than 4000 newborns and the influence of non-pathological factors on the test results]. Laryngorhinootologie. 2002 Mar;81(3):204-10. DOI: 10.1055/s-2002-25040 External link
3.
Small SA, Stapells DR. Artifactual responses when recording auditory steady-state responses. Ear Hear. 2004 Dec;25(6):611-23. DOI: 10.1097/00003446-200412000-00009 External link