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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Der internationale Status von Neugeborenen- und Säuglingshörscreening-Programmen und der Prävalenzen kindlicher Hörstörungen

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Katrin Neumann - Abt. für Phoniatrie und Pädaudiologie, HNO-Univ.-Klinikum, Bochum, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc14

doi: 10.3205/15dgpp58, urn:nbn:de:0183-15dgpp589

Published: September 7, 2015

© 2015 Neumann.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Entsprechend Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation von 2011 leiden 7,5 Millionen Kinder unter 5 Jahren an einer versorgungsbedürftigen Hörstörung. Bereits 1995 forderte die Weltgesundheitsversammlung in einer Resolution die WHO-Mitgliedsstaaten dazu auf, nationale Pläne zur Prävention und Ursachenbekämpfung vermeidbarer Hörstörungen und ihrer frühen Identifikation bei Säuglingen und Kindern zu entwickeln. Eine der Voraussetzungen zur Erreichung dieses Ziels ist die Feststellung des gegenwärtigen Standes der systematischen frühen Identifikation kindlicher Hörstörungen und der lokalen Voraussetzungen für ihre Diagnostik und Behandlung.

Material und Methoden: Um den derzeitigen globalen Status von Neugeborenen- und Säuglingshörscreening-Programmen zu ermitteln, wurden zwei Fragebögen entwickelt und an potenzielle Vertreter solcher Programme aus nahezu allen Ländern der Welt geschickt.

Ergebnisse: Bisher haben 143 von 198 Ländern Informationen geliefert. Mehr als die Hälfte von ihnen hat ein Neugeborenen- und Säuglingshörscreening-Programm auf regionaler oder nationaler Ebene eingeführt. Deren Effektivität ist höher, wenn das Screening in einem nationalen Programm organisiert und gesetzlich verankert ist. Solche Programme fehlen meist in Entwicklungsländern. Regionsabhängige Prävalenzen frühkindlicher permanenter Hörstörungen liegen zwischen >1 bis 15 per 1.000 Babys.

Diskussion: Hörstörungen sind noch immer unterschätzt im Global Burden of Disease Projekt der WHO, das die behindernde Wirkung spezifischer Krankheiten einschätzt, werden aber im Jahr 2016 wieder auf die Agenda der Weltgesundheitsversammlung kommen.

Fazit: Glücklicherweise haben bereits viele Länder ein Neugeborenen- und Säuglingshörscreening-Programm eingeführt, das auf objektiven Methoden basiert.


Text

Hintergrund

Entsprechend Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2011 hat sich die Zahl der Menschen, die an einer versorgungsbedürftigen Hörstörung leiden, von 42 Millionen im Jahr 1985 auf 360 Millionen im Jahr 2011 erhöht. Darunter befinden sich 7,5 Millionen Kinder unter 5 Jahren. Bereits 1995 hatte die WHO in einer Resolution ihre Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, nationale Pläne zur Prävention und Ursachenbekämpfung vermeidbarer Hörstörungen und ihrer frühen Identifikation bei Säuglingen und Kindern zu entwickeln. Eine der Voraussetzungen zur Erreichung dieses Ziels – auch in Vorbereitung einer neuen Resolution zur Ohr- und Hör-Gesundheitsfürsorge für die Agenda der WHO-Vollversammlung im Mai 2016 – ist die Feststellung des gegenwärtigen Standes der systematischen frühen Identifikation kindlicher Hörstörungen und der lokalen Voraussetzungen für ihre Diagnostik und Behandlung.

Material und Methoden

Um den derzeitigen globalen Status von Neugeborenen- und Säuglingshörscreening-Programmen zu ermitteln, wurden von der Autorin zwei Fragebögen entwickelt und an potenzielle Vertreter solcher Programme aus nahezu allen Ländern der Welt geschickt. Die Befragung wurde unterstützt von der Coalition for Global Hearing Health, dem Audiology Committee der International Association of Logopedics and Phoniatrics, der International Society of Audiology, der International Working Group on Childhood Hearing, von Hearing International und der WHO. Der erste der beiden Fragebögen erfragt neben demographischen Daten das Vorhandensein eines Hörscreenings für Neugeborene oder Säuglinge in einem Land, seine gesetzlichen Regelung, und seine Verbreitung (sporadisch, beschränkt auf einige Kliniken oder Pilotprojekte, regional, bundesländerweit oder national), die Art (universelles Neugeborenen-Hörscreening, Screening von Risikokindern u.a.) und Methoden (OAE, AABR, OAE-AABR-Zweistufenscreening, Fragebögen, andere) des Screenings, den Anteil an gescreenten Babys an den Lebendgeborenen eines Erfassungsjahres, den der Kinder, die eine audiologische Diagnostik bzw. Therapie benötigt bzw. bekommen haben, jeweils unterteilt in gescreente und nicht gescreente Kinder, den Anteil der mit permanenten Hörverlust gefundenen Kinder (Prävalenz), das Alter bei Diagnosestellung und bei Therapiebeginn, ebenfalls unterteilt in gescreente und nicht gescreente Kinder, und die diesbezüglichen Datenquellen. Der zweite Bogen, der nur an Länder mit entwickelten audiologischen Serviceangeboten gesendet wurde, fragt nach dem benutzten Klassifikationssystem für den Schweregrad kindlicher Hörstörungen und darauf basierend nach der Prävalenz kindlicher Hörstörungen in Abhängigkeit von Schweregrad, Art und Ein- oder Beidseitigkeit.

Ergebnisse

Bisher haben 143 von 198 Ländern Informationen geliefert. Mehr als die Hälfte von ihnen hat ein Neugeborenen- und Säuglingshörscreening-Programm auf regionaler oder nationaler Ebene eingeführt. Solche Programme fehlen meist in Entwicklungsländern.

Regionsabhängige Prävalenzen frühkindlicher permanenter Hörstörungen liegen zwischen >1 bis 15 pro Tausend. Das mittlere Alter gescreenter Kinder bei Diagnosestellung und Therapiebeginn liegt signifikant unter dem nicht gescreenter Kinder und weist eine geringere Streuung auf (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Diskussion

Kindliche Hörstörungen sind noch immer unterschätzt im Global Burden of Disease Projekt der WHO, das durch das im Institute for Health Metrics and Evaluation in Seattle die behindernde Wirkung spezifischer Krankheiten einschätzt [1], werden aber im Jahr 2016 wieder auf die Agenda der Weltgesundheitsversammlung kommen. Es erscheint notwendig, die Regierungen der Mitgliedsstaaten regelmäßig nach dem aktuellen Stand der Erstellung und Umsetzung nationaler Pläne zur Prävention, Identifikation und Behandlung behindernder Hörstörungen zu befragen [2], wozu Vorbereitungen in einer Ad-hoc-Expertenkonsultation bei der WHO im April 2015 getroffen wurden [3]. Vorhandene Programme scheinen ein besseres Outcome zu erzielen, wenn sie national organisiert und gesetzlich verankert sind.

Fazit

Es ist als positiv zu bewerten, dass bereits viele Länder ein Neugeborenen- und Säuglingshörscreening-Programm eingeführt haben, das auf objektiven Methoden basiert.


Literatur

1.
Stevens G, Flaxman S, Brunskill E, Mascarenhas M, Mathers CD, Finucane M, Global Burden of Disease Hearing Loss Expert Group: Acuin J, Alberti P, Beria J, Bevilacqua MC, Bu X, Davis A, Gigante LP, Hoffman H, Joseph A, Al-Khabori M, Ku YA, Mackenzie I, Morata T, Neumann K, Newton V, Olusanya B, Pascolini D, Parving A, Saunders J, Smith A, Tavartkiladze G (2013) Global and regional hearing impairment prevalence: an analysis of 42 studies in 29 countries. Eur J Public Health. 2013 Feb;23(1):146-52. DOI: 10.1093/eurpub/ckr176 External link
2.
Olusanya BO, Neumann KJ, Saunders JE. The global burden of disabling hearing impairment: a call to action. Bull World Health Organ. 2014 May 1;92(5):367-73. DOI: 10.2471/BLT.13.128728 External link
3.
World Health Organization. Report of WHO ad hoc consultation on promotion of ear and hearing care in member states, held in Geneva, Switzerland, 1-2 April 2015. In press