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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Intraorale Druckmessung und Larynxhebung im RealTime-MRT

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Matthias Weidenmüller - Phoniatrie und Pädaudiologie der Klinik für HNO-Heilkunde, Universitätsmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Arun Joseph - Biomedizinische NMR Forschungs GmbH am MPI für biophysikalische Chemie, Göttingen, Deutschland
  • Arno Olthoff - Phoniatrie und Pädaudiologie der Klinik für HNO-Heilkunde, Universitätsmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Jens Frahm - Biomedizinische NMR Forschungs GmbH am MPI für biophysikalische Chemie, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc25

doi: 10.3205/15dgpp41, urn:nbn:de:0183-15dgpp411

Published: September 7, 2015

© 2015 Weidenmüller et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Bei gesunden Probanden konnten beim Schluckvorgang regelmäßig negative intraorale Drücke gemessen werden (Santander 2013). Die physiologische und klinische Bedeutung dieser oralen Unterdrücke ist unklar. In unserer Studie soll zunächst der physiologische Hintergrund mit Hilfe des RealTime-MRTs (RT-MRT) untersucht werden.

Material und Methoden: Es wurden 6 gesunde Probanden untersucht. Das RT-MRT erfolgte mit einem 3-Tesla-Gerät im Liegen (Tim Trio, Siemens Healthcare, Erlangen). Die Bildfrequenz betrug 25 Bilder pro Sekunde. Als Kontrastbolus dienten 10 ml Ananassaft. Die Druckmessung fand in einem Messbereich von –149 bis 260 mmHg statt (GMSD 350 MR, Fa. Greisinger, Regenstauf).

Ergebnisse: Die negativen Drücke lagen individuell zwischen –5 und –90 mmHg. Sie wurden zwischen der Zunge und dem Hartgaumen gemessen. Die negativen Druckereignisse korrelierten mit der Hebung des Larynx. Schluckvorgänge ohne orale Druckänderungen konnten bei einzelnen Probanden jedoch auch beobachtet werden.

Diskussion: Der Unterdruck scheint die Zunge am Hartgaumen zu fixieren. Aufgrund der Korrelation mit der Larynxhebung darf deren Unterstützung durch diese Fixierung angenommen werden. Ein System der Zungen- und Zungenbeinmuskulatur ermöglichte bildlich gesprochen einen „Klimmzug“ des Larynx beim Schlucken. Neben dieser physiologischen ist die klinische Bedeutung Gegenstand weiterer Studien.


Text

Hintergrund

Bei gesunden Probanden konnten beim Schluckvorgang regelmäßig negative intraorale Drücke gemessen werden [1]. Die physiologische und klinische Bedeutung dieser oralen Unterdrücke war unklar. Engelke et al. [2] beschrieben 2010 ein biofunktionelles Modell von verschiedenen intraoralen Räumen (Zahnzwischenraum und unterhalb des Hartgaumens) in denen während des Schluckens unterschiedliche Drücke gemessen wurden. Man ging davon aus, dass der orale Bolustransport durch Druckgradienten begünstigt würde. Die Eignung des RealTime-MRTs (RT-MRT) zur Abbildung des Schluckvorganges wurde bereits in vorherigen Studien von Olthoff und Frahm et al. 2012 gezeigt [3]. Eine Arbeitsgruppe um Engelke kombinierte 2014 die intraorale Druckmessung mit dem MRT und beschrieben die Zungen-, Mundboden-, Weichgaumen- und Kehlkopfbewegung beim Saugen und Schlucken [4]. Durch die begrenzte zeitliche Auflösung des konventionellen MRTs von ca. 2 Bildern/ sec. waren jedoch nur bedingt Aussagen über den Zusammenhang von Druckverlauf und Bewegung möglich.

In unserer Studie soll der physiologische Hintergrund der oralen Unterdrücke mit Hilfe der deutlich verbesserten zeitlichen Auflösung des RT-MRT untersucht werden.

Material und Methoden

Es wurden 6 gesunde Probanden untersucht. Das RT-MRT erfolgte mit einem 3-Tesla-Gerät im Liegen (Tim Trio, Siemens Healthcare, Erlangen). Die Bildfrequenz betrug 25 Bilder pro Sekunde. Als Kontrastbolus dienten 10 ml Ananassaft, der dem Probanden über einen Schlauch in den Mund appliziert wurde. Die Druckmessung fand in einem Messbereich von –149 bis 260 mmHg statt (GMSD 350 MR, Fa. Greisinger, Regenstauf). Ein hierfür erforderlicher Schlauch wurde zwischen der Zunge und dem vorderen Drittel des Hartgaumens platziert. Um dem Magnetfeld des MRTs auszuweichen war zwischen Messsonde und dem Probanden ein 7 m langer rigider Schlauch mit 1 mm Innendurchmesser angebracht. Zur Auswertung der Bildgebung diente die mittsaggitale Schnittfläche. Wir maßen die Kehlkopfhebung und nutzten den Petiolous als Referenzpunkt. Der orale Bolus in mm2 diente als Wert für den oralen Bolustransport. Jede Messung erfolgte Bild für Bild mit der zeitlichen Auflösung von 0,04 Sekunden.

Ergebnisse

Die negativen Drücke lagen individuell zwischen –5 und –90 mmHg. Wir sahen, dass die negativen Druckereignisse mit der Hebung des Larynx korrelierten. Es zeigte sich keine zeitliche Übereinstimmung der Druckverläufe mit dem Bolustransport. Schluckvorgänge ohne orale Druckänderungen konnten bei einzelnen Probanden jedoch auch beobachtet werden (Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]).

Diskussion

Der Unterdruck scheint die Zunge am Hartgaumen zu fixieren. Aufgrund der Korrelation mit der Larynxhebung darf deren Unterstützung durch diese Fixierung angenommen werden. Ein System der Zungen- sowie Zungenbeinmuskulatur (M. hyoglossus, M. genioglossus) ermöglicht bildlich gesprochen einen „Klimmzug“ des Larynx beim Schlucken. Über die suprahyoidale Muskulatur (M. digastrcus, M. mylohyoideus) ist auch ein Schlucken bewusst ohne Anheften der Zunge am Hartgaumen möglich. Neben dieser physiologischen ist die klinische Bedeutung Gegenstand weiterer Studien.


Literatur

1.
Santander P, Engelke W, Olthoff A, Völter C. Intraoral pressure patterns during swallowing. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2013 Mar;270(3):1019-25. DOI: 10.1007/s00405-012-2299-6 External link
2.
Engelke W, Jung K, Knösel M. Intra-oral compartment pressures: a biofunctional model and experimental measurements under different conditions of posture. Clin Oral Investig. 2011 Apr;15(2):165-76. DOI: 10.1007/s00784-009-0367-0 External link
3.
Zhang S, Olthoff A, Frahm J. Real-time magnetic resonance imaging of normal swallowing. J Magn Reson Imaging. 2012 Jun;35(6):1372-9. DOI: 10.1002/jmri.23591 External link
4.
Engelke W, Glombek J, Psychogios M, Schneider S, Ellenberger D, Santander P. Displacement of oropharyngeal structures during suction-swallowing cycles. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2014 Jul;271(7):1987-97. DOI: 10.1007/s00405-014-2919-4 External link