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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Zusammenhang zwischen Sprechstimmumfangsprofil und soziodemographischen Faktoren und Rauchen

Vortrag

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  • author presenting/speaker Martin Berg - Universität Leipzig - Medizinische Fakultät, Leipzig, Deutschland
  • author Christoph Engel - Universität Leipzig - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE), Leipzig, Deutschland
  • author Thomas Berger - Universitätsklinikum Leipzig - HNO - Sektion für Phoniatrie und Audiologie, Leipzig, Deutschland
  • corresponding author Michael Fuchs - Universitätsklinikum Leipzig - HNO - Sektion für Phoniatrie und Audiologie, Leipzig, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc62

doi: 10.3205/15dgpp37, urn:nbn:de:0183-15dgpp372

Published: September 7, 2015

© 2015 Berg et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Der Zusammenhang zwischen soziodemographischen und Lebensstil-Faktoren und der Sprechstimme ist bislang kaum in größeren populationsbasierten Studien untersucht worden. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Auswirkungen von Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status (SES) sowie Rauchen auf das Sprechstimmumfangsprofil zu untersuchen.

Material und Methoden: Im Rahmen der bevölkerungsbezogenen Studie für Erwachsene des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) mit insgesamt 10.000 zufällig ausgewählten Probanden wurde bei 2.446 Probanden ein Sprechstimmumfangsprofil gemessen (DIVAS Stimmanalyse von XION medical, Berlin). Für die Sprechstimme wurden vier Messintensitäten definiert: Leiseste Sprechstimme (I), Gesprächsstimme (II), Vortragsstimme (III) und Rufstimme (IV). Unter Verwendung eines Fragebogens wurde der sozioökonomische Status und Rauchstatus ermittelt. Die Assoziation der genannten Einflussgrößen mit der Sprechstimme wurde mithilfe multivariater Regressionsmodelle untersucht.

Ergebnisse: Insgesamt flossen Daten von 1.301 weiblichen und 1.145 männlichen Probanden zwischen 40–79 Jahren in die Auswertung ein. GESCHLECHT: Die weibliche Sprechstimme liegt etwa sechs Halbtöne über der männlichen Sprechstimme. ALTER: Mit zunehmendem Alter zeigt sich bei den männlichen Probanden eine signifikante Frequenzerhöhung, für die weiblichen Probanden zeigt sich kein Zusammenhang zwischen Alter und Frequenz. Die Intensität steigt für beide Geschlechter für (I) bis (III). Für männliche Probanden sinkt die Intensität bei (IV). SES: Die Sprechstimmdynamik erhöht sich mit steigendem SES. RAUCHSTATUS: Es zeigen sich kaum Unterschiede zwischen Nichtrauchern und ehemaligen Rauchern. Aktuelle Raucher haben eine tiefere Stimme.

Diskussion: Die mittlere Frequenzlage der weiblichen Sprechstimme ist tiefer als bisher in der Literatur beschrieben. Die Zunahme der Frequenz bei Männern mit dem Alter ist möglicherweise auf altersbedingte Umbauprozesse im Kehlkopf zurückzuführen. Eventuell haben Probanden mit einem hohen SES weniger Hemmungen in einer Messsituation ihre Stimmdynamik auszureizen. Die Effekte des Rauchens auf Frequenz und Intensität erscheinen reversibel.


Text

Hintergrund

Der Zusammenhang zwischen soziodemographischen und Lebensstil-Faktoren und der Sprechstimme ist bislang kaum in größeren populationsbasierten Studien untersucht worden. In der bisherigen Literatur wird davon ausgegangen, dass die weibliche Stimme ca. eine Oktave über der männlichen Stimme liegt [1]. Ebenso scheint das Alter einen Einfluss auf die mittlere Sprechstimmlage zu haben. So wurde gezeigt, dass die Frequenz der mittleren Sprechstimme bei Frauen im Verlauf des Lebens abnimmt, während sie bei Männern zunimmt bzw. sich nicht verändert [2], [3], [4], [5]. Inwiefern Alter einen Effekt auf die Intensität der mittleren Sprechstimme hat, ist bislang wenig untersucht und die Studienlage hierzu ist widersprüchlich [3], [5]. Darüber hinaus konnte in Studien gezeigt werden, dass Raucher eine tiefere Stimme haben als Nichtraucher [6], [7].

Ziel der vorliegenden Studie war es, die Auswirkungen von Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status (SES) sowie Rauchen auf das Sprechstimmprofil zu untersuchen.

Material und Methoden

Im Rahmen der bevölkerungsbezogenen Studie für Erwachsene des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) mit insgesamt 10.000 zufällig ausgewählten Probanden wurde bei 2.510 Probanden zwischen 40 und 79 Jahren ein Sprechstimmumfangsprofil gemessen (DIVAS Stimmanalyse von XION medical, Berlin). Aufgrund fehlender Daten bzw. unvollständiger Messungen mussten 64 Probanden exkludiert werden, wodurch 2.446 Probanden in die Auswertung einflossen. Für die Sprechstimme wurden vier Messintensitäten definiert: Leiseste Sprechstimme (I), Gesprächsstimme (II), Vortragsstimme (III) und Rufstimme (IV). Die Messungen erfolgten nach den Vorgaben der Union Europäischer Phoniater [8]. Unter Verwendung eines Fragebogens wurde der sozioökonomische Status und Rauchstatus ermittelt. Die Daten des Fragebogens für den Rauchstatus lagen für 2.267 Probanden vor. Die Assoziation der genannten Einflussgrößen mit der Sprechstimme wurde mithilfe multivariater Regressionsmodelle untersucht.

Ergebnisse

Insgesamt flossen Daten von 1.301 weiblichen und 1.145 männlichen Probanden zwischen 40–79 Jahren in die Auswertung ein. GESCHLECHT: Die weibliche Sprechstimme liegt etwa sechs Halbtöne über der männlichen Sprechstimme (vgl. Tabelle 1 [Tab. 1]). Die männlichen Probanden erreichten signifikant höhere Schalldruckpegel als die weiblichen Probanden. ALTER: Mit zunehmendem Alter zeigt sich bei den männlichen Probanden eine signifikante Frequenzerhöhung, für die weiblichen Probanden zeigt sich kein Zusammenhang zwischen Alter und Frequenz. Die Intensität steigt für beide Geschlechter für (I) bis (III). Für männliche Probanden sinkt die Intensität bei (IV). SES: Die Sprechstimmdynamik erhöht sich mit steigendem SES. RAUCHSTATUS: Es zeigen sich kaum Unterschiede zwischen Nichtrauchern und ehemaligen Rauchern. Aktuelle Raucher haben eine tiefere Stimme. Es zeigt sich eine Tendenz, dass aktuelle Raucher höhere Schalldruckpegel erreichen.

Diskussion

Die mittlere Frequenzlage der weiblichen Sprechstimme ist tiefer als bisher in der Literatur beschrieben [1]. Allerdings waren die jüngsten Probanden 40 Jahre alt. Es ist denkbar, dass die Frauenstimme bereits vor dem 40. Lebensjahr tiefer wird [3], [4], [9]. Die Zunahme der Frequenz bei Männern mit dem Alter ist möglicherweise auf Umbauprozesse im Kehlkopf bedingt durch altersabhängige hormonelle Veränderungen zurückzuführen. Möglicherweise ist der Anstieg der Schalldruckpegel in (I) bis (III) mit dem Alter ebenfalls auf eben angesprochene Umbauprozesse zurückzuführen. Vorstellbar ist auch, dass aufgrund altersbedingter Hörverschlechterungen die Stimmintensität durch die Probanden willkürlich angehoben wird. Bei der Rufstimme, bei der ein weiteres willkürliches Anheben der Intensität schwer durchführbar ist, zeigte sich keine Intensitätszunahme mit dem Alter. Eventuell haben Probanden mit einem hohen SES weniger Hemmungen in einer Messsituation ihre Stimmdynamik auszureizen [10]. Die Effekte des Rauchens auf Frequenz und Intensität erscheinen reversibel, wie bereits auch in anderen Studien berichtet wurde [6]. Die tieferen Frequenzen bei den Rauchern lassen sich durch organische Veränderungen des Kehlkopfes bedingt durch den chronischen Reizzustand erklären. Insbesondere Frauen entwickeln bei Nikotinabusus häufig ein Reinke-Ödem. Aufgrund der hohen Probandenanzahl konnten aus zeitlichen Gründen keine Videolaryngostroboskopien durchgeführt werden. Stimmpathologien wurden daher durch einen Fragebogen ausgeschlossen.


Literatur

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4.
Nishio M, Niimi S. Changes in speaking fundamental frequency characteristics with aging. Folia Phoniatr Logop. 2008;60(3):120-7. DOI: 10.1159/000118510 External link
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Morris RJ, Brown WS, Hicks DM, Howell E. Phonational profiles of male trained singers and nonsingers. J Voice. 1995;9(2):142-8. DOI: 10.1016/S0892-1997(05)80247-4 External link
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Verdonck-de Leeuw IM, Mahieu HF. Vocal aging and the impact on daily life: a longitudinal study. J Voice. 2004;18(2):193-202. DOI: 10.1016/j.jvoice.2003.10.002 External link
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Gonzalez J, Carpi A. Early effects of smoking on the voice: a multidimensional study. Med Sci Monit. 2004;10(12):CR649-56.
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Schutte HK, Seidner W. Recommendation by the Union of European Phoniatricians (UEP): standardizing voice area measurement/phonetography. Folia Phoniatr (Basel). 1983;35(6):286-8. DOI: 10.1159/000265703 External link
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D’haeseleer E, Depypere H, Claeys S, Wuyts FL, Baudonck N, Van Lierde KM. Vocal characteristics of middle-aged premenopausal women. J Voice. 2011;25(3):360-6. DOI: 10.1016/j.jvoice.2009.10.016 External link
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Brockner J, Heuer L, Siegel PA, et al. The moderating effect of self-esteem in reaction to voice: converging evidence from five studies. J Pers Soc Psychol. 1998;75(2):394-407. DOI: 10.1037/0022-3514.75.2.394 External link