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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Überträgerspulen von Cochlea-Implantaten: Sitzt die Spule gut?

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Arne Knief - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • author Antoinette am Zehnhoff-Dinnesen - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • author Dirk Deuster - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc51

doi: 10.3205/15dgpp32, urn:nbn:de:0183-15dgpp321

Published: September 7, 2015

© 2015 Knief et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Bei der Überprüfung von Cochlea-Implantaten (CI) steht meist der Hörgewinn im Vordergrund. Vernachlässigt wird häufig der Sitz der Überträgerspule am Kopf des Patienten. Z.T. wird der Magnet der Spule als Sicherung des Sprachprozessors gebraucht, um ein Abfallen des Prozessors vom Ohr zu verhindern. Die Folgen einer zu fest haltenden Spule können Rötungen und Schwellungen sein und in Einzelfällen zu offenen Wunden über dem Implantat führen. Eine fehlende Akzeptanz bei Kindern kann mit einer zu festen Spule begründet sein aber als zu hohe Lautstärke fehlinterpretiert werden. Die Prüfung der Haltekraft erfolgt routinemäßig meist nur subjektiv manuell.

Material und Methoden: In dieser Studie wurde bei 73 Ohrseiten (58 CI-Patienten) die Haltekraft der Spule mit einem Kraftmesser bestimmt. Subjektive Eindrücke der Patienten und des CI-Anpassers wurden mit einem Fragebogen abgefragt. Zusätzlich wurden Hautrötungen oder -schwellungen erfasst.

Ergebnisse: Die mittlere Haltekraft der Überträgerspulen lag bei 0,47±0,02 N. In 19 von 73 Fällen traten zumindest leichte Probleme auf (nicht immer komplett schmerzfrei oder leichte Rötungen): bei 7 Patienten mit einem Druckgefühl bestand bei 3 ein zu fester Spulensitz. Bei 3 der 19 Patienten war der Sitz zu locker. Die mittlere gemessene Kraft lag bei den 19 Problemfällen bei 0,49±0,05 N. Die mittlere Kraft bei den Ohrseiten ohne Problem lag bei 0,46±0,02 N. Die Haltekraft in beiden Gruppen zeigte keinen signifikanten Unterschied.

Diskussion: In der betrachteten Patientengruppe war ein leichtes Druckgefühl ein Indikator für eventuell auftretende Probleme. Bei einzelnen Patienten, bei denen (leichte) Probleme auftraten, konnte eine höhere Haltekraft der Spule gemessen werden. Allerdings gab es auch bei geringer Haltekraft Probleme und eine hohe Haltekraft kann auch problemlos toleriert werden.

Fazit: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Haltekraft nicht der alleinige Grund von Problemen mit der Spule ist und nach weiteren Ursachen gesucht werden muss.


Text

Einleitung

Bei der Überprüfung von Cochlea-Implantaten (CI) steht meist der Hörgewinn im Vordergrund. Im Gegensatz dazu wird der Halt der Spule wenig beachtet oder auch nur bei Beschwerden des Patienten untersucht. Der Halt der Spule wird erst als Problem angesehen, wenn die Spule Schmerzen verursacht oder der Sprachprozessor häufig abfällt. In einer Studie von Contrera et al. [1], die die Ursachen für das Nichttragen des Sprachprozessors bei implantierten Kindern untersuchte, war der dritthäufigste Grund das Ablösen der Überträgerspule (17%). Umgekehrt werden in einer anderen Studie aus derselben Arbeitsgruppe von Choi et al. [2] bei Patienten, die älter waren als 60 Jahre, als zweithäufigster Grund Schmerzen für das Nichttragen des Sprachprozessors angegeben (23%). Raine et al. [3] konnten beobachten, dass sich die Haut über dem Implantat beim erwachsenen CI-Träger mit der Zeit ausdünnt. Infolge dessen kann es dann durch einen zu großen Anpressdruck der Überträgerspule zu einer zunehmenden Druckatrophie der Haut kommen. Der Magnet der Spule wird gerade bei Kindern zum Teil als Sicherung des Sprachprozessors missbraucht, um ein Abfallen des Prozessors vom Ohr zu verhindern. Die Folgen einer zu fest haltenden Spule können Rötungen und Schwellungen sein, in Einzelfällen bilden sich offene Wunden über dem Implantat. Eine fehlende Akzeptanz bei Kindern kann mit einer zu festen Spule begründet sein, aber als zu hohe Lautstärke fehlinterpretiert werden. Wenn eine Überprüfung der Haltekraft erfolgt, dann meistens nur subjektiv manuell. In dieser Studie sollte untersucht werden, ob ein Zusammenhang zwischen den Berichten des Patienten, den Beobachtungen des Anpassers bzw. Arztes und der subjektiv, manuell erfühlten und objektiv gemessenen Haltekraft der Spule besteht.

Material und Methoden

In diese Studie gingen die Daten von 58 CI-Patienten ein, von denen 15 Patienten beidseits implantiert waren. Alle Patienten hatten ein Cochlea-Implantat der Firma Cochlear. In einem Fragebogen (Abbildung 1 [Abb. 1]) wurde abgefragt, ob die Spule für den Patienten einen guten Halt hatte, oft abfällt, am Kopf drückt oder der Patient im Bereich des Implantates Schmerzen hat. Zusätzlich wurde die Einschätzung des Anpassers aufgenommen, der den subjektiven Halt der Spule bewerten sollte. Die Haltekraft der Spule wurde mit einer Federwaage bestimmt. Zusätzlich wurden durch den behandelnden Arzt Hautrötungen oder -schwellungen erfasst.

Ergebnisse

Die mittlere Haltekraft der Überträgerspulen lag bei 0,47±0,02 N. Der gemessene Bereich lag zwischen 0,1 N und 1,0 N. In 19 von 73 Fällen traten zumindest leichte Probleme auf, in denen die Patienten von zumindest leichten Schmerzen berichteten oder leichte Rötungen beobachtet wurden. Von diesen 19 Fällen bestand bei 7 ein Druckgefühl und bei 7 wurde der Spulensitz vom Anpasser als zu fest eingeschätzt. Bei 3 der 19 Problemfälle war der Sitz jedoch zu locker. In nur 3 Fällen wurde sowohl vom Anpasser der Sitz als zu fest beurteilt als auch vom Patienten ein Druckgefühl berichtet. Die mittlere gemessene Kraft lag bei den 19 Problemfällen bei 0,49±0,05 N. Die mittlere Kraft bei den Ohrseiten ohne Probleme lag bei 0,46±0,02 N. Die Haltekraft in beiden Gruppen zeigte keinen signifikanten Unterschied (Kolmogorow-Smirnow-Test K=0,16 p=0,84). Werden die Kriterien für ein Problem strenger gefasst, d.h. die Patienten haben Schmerzen oder eine mittlere bis starke Rötung, so bleiben 10 Fälle mit Problemen. In diesen 10 Fällen drückt die Spule bei 4 Patienten, bei einem Patienten ist sie zu locker und bei 6 zu fest. Die 3 Fälle mit einer Übereinstimmung der Beurteilung von Anpasser und Patient als zu fest bzw. drückend finden sich in dieser Gruppe wieder. Die mittlere gemessene Kraft lag bei den 10 Problemfällen bei 0,48±0,09 N. Die mittlere Kraft bei den Ohrseiten ohne Problem lag bei 0,47±0,02 N. Die Haltekraft in beiden Gruppen zeigte eine signifikant unterschiedliche Verteilung (Kolmogorow-Smirnow-Test K=0,46 p=0,037).

Diskussion

Die meisten der Patienten in dem beobachteten Kollektiv hatten keine (oder nur leichte) Probleme mit dem Sitz der Spule. In der betrachteten Patientengruppe war ein leichtes Druckgefühl ein Indikator für eventuell auftretende Probleme. Bei einzelnen Patienten, bei denen (leichte) Probleme auftraten, konnte eine höhere Haltekraft der Spule gemessen werden. Allerdings gab es auch bei geringer gemessener Haltekraft Probleme und umgekehrt konnte eine hohe Haltekraft problemlos toleriert werden. Schmerzen im Implantatbereich sind vom Spulenhalt unabhängig. Auch bei gefühlt lockerem Sitz der Spule und geringer gemessener Haltekraft kann es zu Problemen kommen. Der Sitz der Spule und der Bereich des Implantats sollten immer kontrolliert werden, um langfristige Probleme zu verhindern. Dabei geben ein gefühlter Spulensitz und die gemessene Kraft eine ähnliche Auskunft, korrelieren aber nicht miteinander. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Haltekraft nicht der alleinige Grund von Problemen mit der Spule ist. Andere Ursachen von Problemen können Reaktionen auf das Spulenmaterial oder Reizungen durch Feuchtigkeit sein.

Acknowledgement

Wir möchten Th. Steffens für die Anregung zur Durchführung dieser Studie danken. Ebenso danken wir Ch. Trelle und G. Haveresch für die fruchtbaren Diskussionen zur Erstellung des Fragebogens und die Durchführung der Messungen.


Literatur

1.
Contrera KJ, Choi JS, Blake CR, Betz JF, Niparko JK, Lin FR. Rates of long-term cochlear implant use in children. Otol Neurotol. 2014 Mar;35(3):426-30. DOI: 10.1097/MAO.0000000000000243 External link
2.
Choi JS, Contrera KJ, Betz JF, Blake CR, Niparko JK, Lin FR. Long-term use of cochlear implants in older adults: results from a large consecutive case series. Otol Neurotol. 2014 Jun;35(5):815-20. DOI: 10.1097/MAO.0000000000000327 External link
3.
Raine CH, Lee CA, Strachan DR, Totten CT, Khan S. Skin flap thickness in cochlear implant patients - a prospective study. Cochlear Implants Int. 2007 Sep;8(3):148-57. DOI: 10.1179/cim.2007.8.3.148 External link