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31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Graduierung der deutschen Fassung des Singing Voice Handicap Index (SVHI)

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Anne Lorenz - Universitätsmedizin Greifswald, Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Greifswald, Deutschland
  • author Ute Gonnermann - Universitätsmedizin Greifswald, Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Greifswald, Deutschland
  • author Tadeus Nawka - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocV28

doi: 10.3205/14dgpp52, urn:nbn:de:0183-14dgpp527

Published: September 2, 2014

© 2014 Lorenz et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Selbsteinschätzung durch den Patienten ist ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik von Stimmstörungen. Für die hochspezialisierte Gruppe von Sängern liegt der Singing Voice Handicap Index (SVHI) vor (Cohen et al. 2007). Es existiert eine validierte deutschsprachige Fassung (Lorenz et al. 2013). Die Frage, wie das Ergebnis des SVHI zu bewerten ist, wurde bislang nicht beantwortet. Es wird eine Graduierung der SVHI-Scores vorgestellt.

Material und Methoden: In die Studie wurden 227 Sänger (149 weiblich, 78 männlich), Patienten einer phoniatrischen Klinik, eingeschlossen. Die Patienten beantworteten den 36 Items umfassenden SVHI. Jedes Item wurde auf einer Skala von 0 (nie) bis 4 (immer) bewertet. Der Gesamtscore kann somit zwischen 0 und 144 liegen. Darüber hinaus nahmen die Probanden eine Einschätzung des Störungsgrades ihrer Singstimme auf einer vierstufigen Skala vor.

Ergebnisse: Es wurde eine Receiver Operating Characteristic (ROC)-Analyse durchgeführt, um optimale Trennpunkte zwischen den Gruppen zu finden. Als externes Kriterium wurde die Selbsteinschätzung der Singstimme herangezogen. Bis zu einer Punktzahl von 49 Punkten empfanden die Probanden ihre Stimme als nicht gestört, bis 84 Punkten als leichtgradig gestört, bis 104 als mittelgradig gestört und ab 105 Punkten als hochgradig gestört.

Diskussion: Anhand der vorliegenden Ergebnisse ist eine Zuordnung der SVHI-Scores zu bestimmten Schweregraden der subjektiven Beeinträchtigung möglich. Bemerkenswert erscheint der recht hohe Gesamtscore der Probanden, die ihre Singstimme als nicht gestört einschätzen. Eine Ursache hierfür könnte in der ausgeprägten Sensitivität bezüglich der Wahrnehmung von Veränderungen der Singstimme bei Sängern liegen.


Text

Hintergrund

Die Selbstbeurteilung des Patienten ist eine von fünf Dimensionen des multidimensionalen Basisprotokolls der European Laryngological Society (ELS) zur Diagnostik von Stimmstörungen [3]. In der Selbstbeurteilung zeigen sich physische, psychische und soziale Auswirkungen einer Stimmstörung. Der für die Sprechstimme entwickelte Voice Handicap Index (VHI) hat sich für die hochspezialisierte Gruppe von Sängern als nicht hinreichend geeignetes Selbstbeurteilungsinstrument erwiesen [2]. Daher haben Cohen et al. (2007) den Singing Voice Handicap Index (SVHI) für den angloamerikanischen Sprachraum entwickelt [2]. Dieser enthält 36 Items, die vom Patienten auf einer fünfstufigen Skala mit den Abstufungen 0 (nie), 1 (selten), 2 (manchmal), 3 (oft) und 4 (immer) bewertet werden. Die Gesamtpunktzahl kann zwischen 0 und 144 liegen. Der maximale Score von 144 bildet das höchste Maß an selbst wahrgenommener Einschränkung ab. Es existiert eine validierte deutsche Fassung [5]. Die Frage, wie das Ergebnis des SVHI zu bewerten ist, wurde bislang nicht beantwortet. Es wird eine Vorstudie zur Graduierung der SVHI-Scores vorgestellt.

Material und Methoden

In die Studie wurden 227 Sänger (149 weiblich, 78 männlich), Patienten einer phoniatrischen Klinik, eingeschlossen. Die Patienten beantworteten den 36 Items umfassenden SVHI. Zusätzlich wurden Geschlecht, Alter, Diagnose, Einkommen durch das Singen, Gesangsstil, Gesangsausbildung, Stimmgattung und Sängerstatus erfragt. Jedes Item wurde auf einer Skala von 0 (nie) bis 4 (immer) bewertet. Darüber hinaus nahmen die Sänger eine Einschätzung des Störungsgrades ihrer Singstimme auf einer vierstufigen Skala von 0 (keine Störung), über 1 (leicht gestört), 2 (mittelgradig gestört) bis 3 (hochgradig gestört) vor.

Ergebnisse

Das mittlere Alter der Patientengruppe betrug 37±14 Jahre. Bezüglich der gesangsspezifischen Merkmale Einkommen durch das Singen, Gesangsstil, Gesangsausbildung, Stimmgattung und Sängerstatus war die Patientengruppe heterogen. 41% der Patienten erzielten mit dem Singen ihr Haupteinkommen. Beim Gesangsstil war klassisch mit 66% am häufigsten vertreten. Bezüglich der Ausbildung hatten 47% ein Gesangsstudium absolviert. Über die Hälfte der Befragten waren solistisch tätig, gefolgt von Amateuren, Gesangslehrern und Opern- und Rundfunkchorsängern. Die Diagnosen der Patienten wurden sechs Gruppen zugeordnet. Funktionelle Dysphonien wurden am häufigsten diagnostiziert, gefolgt von den für stimmintensive Berufe typischen Erkrankungen der Lamina propria und hiernach entzündlichen Erkrankungen des Kehlkopfes. Patienten mit dysplastischen Dysphonien, Ansatzrohrveränderungen und Stimmlippenlähmungen waren am geringsten vertreten.

Es wurde eine Receiver Operating Characteristic (ROC)-Analyse durchgeführt, um optimale Trennpunkte zwischen den Gruppen zu finden [1]. Als externes Kriterium wurde die Selbsteinschätzung der Singstimme herangezogen. Bis zu einer Punktzahl von 49 Punkten empfanden die Probanden ihre Stimme als nicht gestört, bis 84 Punkten als leichtgradig gestört, bis 104 als mittelgradig gestört und ab 105 Punkten als hochgradig gestört.

Diskussion

Die Graduierung eines psychologischen Testinstrumentes kann entweder über die interindividuelle Variabilität oder über ein klinisch relevantes Außenkriterium ermittelt werden [4]. Als Außenkriterium wurde in der Untersuchung die globale Selbsteinschätzung der Singstimme herangezogen, die jeder Patient selbst vornahm. Wünschenswert wäre als Außenkriterium ein etablierter Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Singstimme gewesen. In Ermangelung eines solchen wurde die Globaleinschätzung, die am Ende des Fragebogens erfasst wurde, gewählt.

Bemerkenswert erscheint der recht hohe Gesamtscore der Probanden, die ihre Singstimme als nicht gestört einschätzen. Er beträgt bis zu 49 Punkten, also nahezu ein Drittel des maximal möglichen Punktwertes. Eine Ursache hierfür könnte in der ausgeprägten Sensitivität von Sängern, bezüglich der Wahrnehmung von selbst feinsten Veränderungen ihrer Singstimme, liegen.

Schlussfolgerung

Mit dem SVHI existiert ein valides Selbstbeurteilungsinstrument für Sänger mit Stimmstörungen. Anhand der vorliegenden Ergebnisse ist eine Zuordnung des jeweiligen SVHI-Gesamtscores zu einem bestimmten Schweregrad der subjektiven Beeinträchtigung möglich.


Literatur

1.
Biebler KE, Jäger B, Wodny M. Biometrie mit SAS©-Lösungen. Greifswald; 2005. (Biometrie und Medizinische Informatik Greifswalder Seminarberichte; 11.)
2.
Cohen SM, Jacobson BH, Garrett CG, Noordzij JP, Stewart MG, Attia A, Ossoff RH, Cleveland TF. Creation and validation of the Singing Voice Handicap Index. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2007 Jun;116(6):402-6.
3.
Dejonckere PH, Bradley P, Clemente P, Cornut G, Crevier-Buchman L, Friedrich G, Van De Heyning P, Remacle M, Woisard V. A basic protocol for functional assessment of voice pathology, especially for investigating the efficacy of (phonosurgical) treatments and evaluating new assessment techniques. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2001 Feb;258(2):77-82. DOI: 10.1007/s004050000299 External link
4.
Lienert G, Ratz U, Hrsg. Testaufbau und Testanalyse. Weinheim: Psychologie Verlags Union; 1998.
5.
Lorenz A, Kleber B, Büttner M, Fuchs M, Mürbe D, Richter M, Sandel M, Nawka T. Validierung des Singing Voice Handicap Index in der deutschen Fassung. HNO. 2013 Aug;61(8):699-706. DOI: 10.1007/s00106-013-2721-4 External link