gms | German Medical Science

31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Cochlea Implantate bei alten und/oder geriatrischen Patienten: Ergebnisse des Sprachverstehens und der Kommunikation im Alltag

Postervortrag

Search Medline for

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocP14

doi: 10.3205/14dgpp43, urn:nbn:de:0183-14dgpp438

Published: September 2, 2014

© 2014 Max et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Hintergrund: Unbehandelte Schwerhörigkeit schränkt die selbstständige Lebensführung stark ein, so dass diese Patienten auf Hilfe angewiesen sind. Deshalb hat man damit begonnen auch „ältere“, über 70 Jahre alte Menschen, mit Cochlea-Implantaten zu versorgen, wenn Hörgeräte kein ausreichendes Verstehen ermöglichen.

Material und Methoden: Es handelt sich um eine retrospektive Studie an n=60 unilateral versorgten Cochlea-Implantat-Patienten. Hierzu wurde untersucht, ob hinsichtlich der postoperativen Ergebnisse in der Tonaudiometrie, der Sprachaudiometrie (Einsilbertest und verkürzten Oldenburger Satztests), sowie APHAB altersabhängige Unterschiede bestehen. In dieser Gruppe sind 18 Patienten über 70 Jahre bzw. 25 über 65 Jahre alt zum Zeitpunkt der Operation gewesen. Die Altersabhängigkeit des Versorgungserfolges wurde mit linearer Regression untersucht. Die Güte der linearen Regression wird durch das Bestimmtheitsmaß ermittelt.

Ergebnisse: Es ergaben sich für den Zusammenhang zwischen Operationsalter und postoperativem Erfolg im Hörtest Bestimmtheitsmaße von 0,00 bis 0,06. (d.h., dass maximal 6% des Erfolges eines Hörtestes sich aufgrund des Operationsalters erklären lassen). Es besteht somit kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem postoperativen Ergebnis in der Ton- bzw. Sprachaudiometrie.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass der tonaudiometrische und sprachaudiometrische Erfolg einer Cochlea-Implantation nicht vom Alter abhängt, da das Bestimmtheitsmaß überall unter 0,1 liegt. Diese Ergebnisse gehen in die gleiche Richtung anderer Arbeiten (Lenarz et al. 2012). Das methodisch neue der vorliegenden Studie gegenüber anderen ist die Auswertung durch eine lineare Regression.

Fazit: Somit lässt sich insgesamt sagen, dass ältere Menschen genauso wie jüngere von der Versorgung mit einem Cochlea-Implantat profitieren und dass ein hohes Alter allein keine Kontraindikations für die Versorgung darstellt.


Text

Hintergrund

Unbehandelte Schwerhörigkeiten schränken nicht nur die Lebensqualität und die Erwerbstätigkeit, sondern bei alten Menschen auch die selbstständige Lebensführung ein, so dass diese Patienten auf Hilfe angewiesen sind. Deshalb hat man damit begonnen, auch „Ältere“, über 70 Jahre alte, Menschen mit Cochlea-Implantaten und Basistherapie zu versorgen, wenn Hörgeräte ein ausreichendes Sprachverstehen nicht mehr ermöglichen. Kritiker vermuteten jedoch, dass die Ergebnisse bei älteren Menschen nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu Risiken und Kosten stehen. Um dies zu klären, wurden bisher ausschließlich die Machbarkeit der Cochlea-Implantation und deren Nachsorge bei älteren Patienten untersucht. Es gibt zur Zeit keine Daten, die die audiologischen und speziell sprachaudiometrischen Ergebnisse mit denen jüngerer Patienten vergleichen. Deshalb untersuchten wir in dieser Arbeit, ob hinsichtlich postoperativer (sprach-)audiometrischer Ergebnisse eine Abhängigkeit vom Alter nachgewiesen werden kann.

Material und Methoden

Es handelt sich um eine retrospektive Studie an n=60 mit Cochlea-Implantaten und postoperativer Basistherapie versorgten Patienten. Es wurden auch bei am Ende bilateral versorgten Patienten nur die erzielten Ergebnisse nach Implantation der ersten Seite ausgewertet, da ältere und alte Menschen häufig nur unilateral implantiert werden, auch wenn eine audiologisch eine bilaterale Implantation in Frage gekommen wäre. Hierzu wurde untersucht, ob hinsichtlich der Ergebnisse in der Tonaudiometrie, der Sprachaudiometrie (Einsilbertests und des verkürzten Oldenburger Satztests), sowie der Antworten im APHAB Fragebogen altersabhängige Unterschiede bestehen. Diese Tests wurden im Rahmen der Versorgung von Patienten mit Cochlea-Implantaten routinemäßig vor und nach der Operation durchgeführt. Unter den 60 Patienten befanden sich 18 Patienten, die zum Zeitpunkt der Operation über 70 Jahre und 25 Patienten, die über 65 Jahre alt waren. Die anderen Patienten waren 70 Jahre und jünger.

Die Altersabhängigkeit des Versorgungserfolges wurde mit linearer Regression geprüft. Hierzu wurden als unabhängige Variable das Alter bei der Operation und als abhängige Variable die postoperativen audiologischen Ergebnisse gewählt. Die Güte der linearen Regression wird durch das Bestimmtheitsmaß r² ermittelt. Zusätzlich wurden mit einem unabhängigen T-Test Unterschiede im Erfolg zwischen Männern und Frauen untersucht.

Ergebnisse

Die statistische Analyse in der Tonaudiometrie erfolgte prüffrequenzabhängig (Abbildung 1 [Abb. 1]). Bei keiner der untersuchten Prüffrequenzen konnte eine Abhängigkeit der Schwellenwerte vom Alter nachgewiesen werden (Bestimmtheitsmaß von 0,00 bis 0,06, d.h. nur maximal 6% des „Erfolges“ in der Tonaudiometrie bzw. „Aufblähkurve“ ließ sich durch das Alter bei der Operation erklären).

Bei den Ergebnissen der Sprachaudiometrie ergab sich ein Bestimmtheitsmaß r² von 0,014, was bedeutet, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen Ergebnissen beim Sprachverstehen und dem Alter bei der Operation nachgewiesen werden konnte (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Beim OlKiSa ergab sich ein Bestimmtheitsmaß r² von 0,028, was bedeutet, dass ebenfalls kein signifikanter Zusammenhang zwischen mit dem Alter nachgewiesen werden konnte (Abbildung 3 [Abb. 3]).

Die subjektive Einschätzung des Hörvermögens vor und nach der Behandlung erfolgte mit dem APHAB. Das Bestimmtheitsmaß war 0,001, was erneut keinen signifikanten Zusammenhang mit dem Alter bedeutet.

Die einzigen signifikanten Unterschiede der Ergebnisse von Frauen und Männern konnten bei den sprachaudiometrischen Tests nachgewiesen werden, zugunsten der Frauen (p=0,054).

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass der tonaudiometrische und sprachaudiometrische Erfolg einer Cochlea-Implantation und deren Basistherapie nicht vom Alter bei der Operation abhängt, da das Bestimmtheitsmaß stets unter 0,1 lag. Ältere Menschen profitieren daher genauso wie Jüngere von der Versorgung mit Cochlea-Implantaten und Basistherapie. Ein hohes Alter sollte daher keine Kontraindikation für die Versorgung darstellen.

Diese Ergebnisse korrespondieren mit denen anderer Arbeiten. Haensel et al. [1] zeigten z.B. fehlende Unterschiede im Bezug auf Sprachverstehen zwischen einer jüngeren und älteren Patientengruppe. Lenarz et al. [2] zeigten für jüngere und ältere Patienten gleiche „Lernkurven“ mit einem gleichem Sprachverstehen in Ruhe, jedoch schlechteren Ergebnissen im Störschall. Eine andere Arbeit von Steffens [3] wies nach, dass das postoperative Sprachverstehen bei Behandlung mit CI deutlich weniger vom Alter abhängt, als das Sprachverstehen nach Anpassung konventioneller Hörgeräte.

In der vorliegenden Studie wurde erstmals eine Auswertung durch lineare Regression durchgeführt, die Ergebnisse der Patienten gleichmäßiger bewertet als im Vergleich zur Auswertung mit Alterklassen.

Fazit

Die audiologischen Ergebnisse nach CI-Versorgung sind bei „älteren“ und „alten“ Menschen nicht schlechter als bei Jüngeren. Die Entscheidung zur Versorgung mit CI darf daher nicht mit pessimistischen audiologischen Argumenten verhindert werden, sofern die Patienten ansonsten bei guter körperlicher und geistiger Gesundheit sind. Eine solche „implantatfreundliche“ Strategie kann deshalb mithelfen, die Selbständigkeit im Alter möglichst lange zu erhalten.


Literatur

1.
Haensel J, Ilgner J, Chen YS, Thuermer C, Westhofen M. Speech perception in elderly patients following cochlear implantation. Acta Otolaryngol. 2005 Dec;125(12):1272-6. DOI: 10.1080/00016480510044214 External link
2.
Lenarz M, Sönmez H, Joseph G, Büchner A, Lenarz T. Cochlear implant performance in geriatric patients. Laryngoscope. 2012 Jun;122(6):1361-5. DOI: 10.1002/lary.23232 External link
3.
Steffens T, Muller-Deile J, Kiessling J. Auch im Alter noch gut verstehen mit Cochlea-Implantaten. HNO-Nachrichten. 2013;43(4):17-22.