gms | German Medical Science

31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Vergleichende dreidimensionale Vokaltraktbildgebung mittels MRT beim Singen und Sprechen

Postervortrag

  • corresponding author presenting/speaker Louisa Traser - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland; Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg, Deutschland
  • author Tabea Flügge - Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg, Deutschland
  • author Michael Burdumy - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland; Klinik für Radiologie, Abteilung für medizinische Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Deutschland
  • author Robert Kammberger - Institut für Mikrosystemtechnik, Universität Freiburg, Deutschland
  • author Bernhard Richter - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland
  • author Matthias Echternach - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocP1

doi: 10.3205/14dgpp14, urn:nbn:de:0183-14dgpp141

Published: September 2, 2014

© 2014 Traser et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist zur Darstellung des Vokaltraktes beim Singen und Sprechen etabliert, wobei viele Studien auf schnelle zweidimensionale Aufnahmen konzentriert sind. Zusätzlich ist jedoch auch eine dreidimensionale Bildgebung möglich. Durch diese können detailgetreue Modelle geschaffen werden, aus denen ein direkter Rückschluss auf die Vokaltraktresonanzen möglich ist.

Material und Methoden: In der vorliegenden Studie wurden Vokaltraktmodelle mittels 3D MRT bei einem professionellen Tenor erstellt. Dafür phonierte der Sänger im MRT die Vokale /a/, /i/ und /u/ in seiner Sprechstimmlage (C3) in Sing- und Sprechstimmfunktion sowie in seiner hohen Singstimmfunktion oberhalb des Passaggios (A4). Aus dem gewonnenen Bildmaterial wurde jeweils der Vokaltrakt segmentiert, ein dreidimensionales Zahnmodell des Probanden anhand von anatomischen Landmarken eingefügt und mittels 3D Drucker ausgedruckt. Die gedruckten Modelle wurden nun durch Einfügen von Breitbandrauschen im Glottisbereich und Ableiten von Transferfunktionen vor der Mundöffnung akustisch analysiert und die Formantfrequenzen bestimmt.

Ergebnisse: Vorläufige Ergebnisse zeigen deutliche Vokaltraktmodifikationen zwischen Sing- und Sprechstimme auf gleicher Tonhöhe, sowie für die hohe Singstimme in allen Vokalkonditionen. Insgesamt war der Vokaltrakt in der Singstimmfunktion länger als beim Sprechen und es zeigte sich der supralaryngeale Raum beim Singen vokalunabhängig erweitert. In der akustischen Analyse konnte eine Erhöhung der Formantfrequenzen mit Clusterbildung der Formanten 3–5 in der Singstimmfunktion ermittelt werden.

Diskussion: Die Verlängerung des Vokaltraktes und Erweiterung des supralaryngealen Bereichs sind möglicherweise Mechanismen, welche für die Klangformung in der Singstimmfunktion von Bedeutung sind.


Text

Einleitung

Die akustischen Eigenschaften des Vokaltraktes differieren zwischen der professionell trainierten Sing- und der Sprechstimme. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind Gegenstand aktueller Untersuchungen. Verschiedene Techniken zur Bestimmung der Vokaltraktresonanzen am Probanden wurden angewendet und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile diskutiert [1].

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist zur Darstellung des Vokaltraktes beim Singen und Sprechen etabliert, wobei viele Studien auf schnelle zweidimensionale Aufnahmen konzentriert sind. Zusätzlich ist jedoch auch eine dreidimensionale Bildgebung möglich. Des Weiteren können durch Methoden der Zahnimplementierung detailgetreue Modelle geschaffen werden. Mit diesen ist es möglich, gleichzeitig die Resonanzen des Vokaltraktes zu bestimmen und Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden Modifikationen zu ziehen.

Methoden

In der vorliegenden Studie wurden Vokaltraktmodelle mittels 3D MRT [2] bei einem professionellen Tenor erstellt. Dafür phonierte der Sänger im MRT die Vokale /a/, /i/ und /u/ in seiner Sprechstimmlage (Tonhöhe: C3) in Sing- und Sprechstimmfunktion. Aus dem gewonnenen Bildmaterial wurde jeweils der Vokaltrakt mithilfe des Programms ITK-Snap (2.4.0, open source application) segmentiert und ein Oberflächenmodell erstellt. In einem weiteren Schritt wurde ein digitaler Zahnabdruck des Probanden mit Hilfe eines itero Scans (Align Technolgy, San Jose, CA) erstellt und dieser in das Modell anhand von anatomischen Landmarken eingefügt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Das Komplettmodell (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]) wurde mit Hilfe der VoXim (Fa. IVS Solutions AG, Chemnitz) Software mit einem Offset versehen und daraufhin mittels 3D Drucker (ZPrint 450, Fa. 3D Systems, South Carolina, USA) ausgedruckt. Hiernach erfolgte eine akustische Analyse der gedruckten Modelle: Mit Hilfe eines Kopfhörers wurde Breitbandrauschen im Glottisbereich eingefügt und im Bereich der Mundöffnung mittels Mikrophon das abgestrahlte Signal aufgenommen. Der Frequenzganges dieses Signals zeigt Vokaltraktresonanzen als Peaks im Schallspektrum auf.

Ergebnisse

In Abbildung 3 [Abb. 3] sind die Transferfunktionen der Sing-und Sprechstimme vergleichend für die Vokale /a/, /u/ und /i/ dargestellt. Es zeigt sich ein prominenter Resonanzhügel im Bereich von 2–2,5 kHz in der Singstimmfunktion, v.a. für die Vokalkonditionen /i/ und /u/. Die Resonanzmaxima zeigen eine größere Amplitude in der Singstimmfunktion im Vergleich zur Sprechstimme. Die Frequenzen der Resonanzmaxima sind tiefer in der Singstimmfunktion im Vergleich zur Sprechstimme bei den Vokalkonditionen /a/ und /i/.

Die morphologische Analyse der Vokaltraktmodelle zeigte, dass der Vokaltrakt in der Singstimmfunktion länger ist als beim Sprechen und dass sich der supralaryngeale sowie die Sinus piriformis beim Singen vokalunabhängig erweitert (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Diskussion

Die vorliegende Studie stellt vergleichende Daten der Vokaltraktakustik beim Singen und Sprechen bei einem professionellen Sänger vor. Dabei zeigt der Vergleich deutliche Unterschiede der ermittelten Transferfunktion wie u.a. einen prominenten Resonanzhügel bei 2–2,5 kHz in der Singstimmfunktion. Dieses Phänomen wird in der Literatur als Sängerformantencluster beschrieben [3]. Insgesamt hatten die Resonanzmaxima der Singstimme für /a/ und /i/ tiefere Frequenzen im Vergleich zur Sprechstimme, was konform zu vorhergehenden Studien ist [4], [5]. Als Mechanismus für die Entstehung des Sängerformanten wird u.a. ein Absinken des Larynx postuliert [3]. Unterstützend dazu war der Vokaltrakt des Sängers in der vorliegenden Studie deutlich für die Singstimmfunktion abgesenkt und es zeigten sich Erweiterungen im supralaryngealen Raum sowie der Sinus piriformis beidseits. Eine Verlängerung des Vokaltraktes führt zu einer Erniedrigung aller Vokaltraktresonanzen [6]. Dies konnte in der vorliegenden Untersuchung v.a. für den Vokal /a/ ebenfalls gezeigt werden.

Die dreidimensionale Vokaltrakt-Darstellung mittels MRT bietet die Möglichkeit naturgetreue Modelle zu erstellen, welche anhand von Aproximationsrechnungen oder direkt durch 3D Druck analysiert werden können. Dies bietet den Vorteil, dass akustische Änderungen und Vokaltraktmodifikationen im gleichen Modell nachgewiesen werden können.


Literatur

1.
Wolfe J, Garnier M, Smith J. Vocal tract resonances in speech, singing, and playing musical instruments. HFSP J. 2009;3(1):6-23. DOI: 10.2976/1.2998482 External link
2.
Echternach M, Sundberg J, Baumann T, Markl M, Richter B. Vocal tract area functions and formant frequencies in opera tenors' modal and falsetto registers. J Acoust Soc Am. 2011 Jun;129(6):3955-63. DOI: 10.1121/1.3589249 External link
3.
Sundberg J. What’s so special about singers? J Voice. 1990;4(2):107-19. DOI: 10.1016/S0892-1997(05)80135-3 External link
4.
Stone RE Jr, Cleveland TF, Sundberg PJ, Prokop J. Aerodynamic and acoustical measures of speech, operatic, and broadway vocal styles in a professional female singer. J Voice. 2003 Sep;17(3):283-97. DOI: 10.1067/S0892-1997(03)00074-2 External link
5.
Stone RE Jr, Cleveland TF, Sundberg J. Formant frequencies in country singers' speech and singing. J Voice. 1999 Jun;13(2):161-7.
6.
Titze IR. Principles of voice production. Prentice Hall; 1994.