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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Oldenburger Satztest bei unterschiedlichen Störschallbedingungen zur Evaluation von Cochlea-Implantat-Sprachprozessoren

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Arne Knief - Universitätsklinik Münster, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Deutschland
  • author Muhittin Demir - Universitätsklinik Münster, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Deutschland
  • author Dirk Deuster - Universitätsklinik Münster, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Deutschland
  • author Claus-Michael Schmidt - Universitätsklinik Münster, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Deutschland
  • author Peter Matulat - Universitätsklinik Münster, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Deutschland
  • author Antoinette am Zehnhoff-Dinnesen - Universitätsklinik Münster, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV49

doi: 10.3205/13dgpp91, urn:nbn:de:0183-13dgpp912

Published: September 5, 2013

© 2013 Knief et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Möglichkeiten der Störschallunterdrückung in modernen Sprachprozessoren für Cochlea-Implantate (CI) haben in den letzten Jahren deutlich an Qualität gewonnen. CI-Träger sind in ihrem Alltag besonders in Störschallsituationen mit großen Problemen konfrontiert. Die Evaluation der Sprachprozessoreinstellungen im Störschall liefert so wichtige Informationen für eine Optimierung der Einstellung. Beim Freiburger Einsilbertest (FE) wird das beste Sprachverstehen mit Pegeln um 70 dB erreicht. Bei um 20 dB niedrigeren Pegeln ist das Sprachverstehen deutlich schlechter. Es soll überprüft werden, ob dieser Effekt auch beim Oldenburger Satztest (OLSA) beobachtet werden kann.

Material und Methoden: Bei 55 Patienten, die zur Routinekontrolle ihrer Sprachprozessoren die Klinik besuchten, wurden der OLSA in zwei Bedingungen sowie der Freiburger Einsilbertest durchgeführt. Der OLSA wurde bei 65 dB festem Sprachschall von vorn und variablem Störschall von der CI-Seite und bei 45 dB festem Störschall von der CI-Seite und variablem Sprachschallpegel von vorn durchgeführt. Der FE wurde bei 55 dB, 65 dB und 75 dB in Ruhe getestet.

Ergebnisse: Die Resultate der OLSAs zeigen eine gute Korrelation miteinander (Pearson, r=0,7). Etwa ein Drittel der Patienten hat im OLSA bei 45 dB Störschall eine bessere Verstehensschwelle als in der lauteren Bedingung. Die Gruppe der bei 45 dB Störschall besseren unterscheidet sich nicht in Bezug auf ihre Ergebnisse im FE von der Gruppe der in der lauteren OLSA-Bedingung besseren.

Diskussion: Im Gegensatz zum Freiburger Einsilbertest zeigt der OLSA eine individuelle Abhängigkeit von der Lautstärke, so dass zusätzliche Informationen für eine Optimierung der Einstellung gewonnen werden können. Die Unterschiede zwischen den OLSA-Testergebnissen können einerseits in der Wahrnehmungsschwelle der CI-Einstellung begründet sein oder andererseits durch die Akzeptanz der automatischen Empfindlichkeitsanpassung bei höheren Lautstärken.


Text

Hintergrund

Die Möglichkeiten der Störschallunterdrückung in modernen Sprachprozessoren für Cochlea-Implantate (CI) haben in den letzten Jahren deutlich an Qualität gewonnen. CI-Träger sind in ihrem Alltag besonders in Störschallsituationen mit großen Problemen konfrontiert. Die Evaluation der Sprachprozessoreinstellungen im Störschall liefert so wichtige Informationen für eine Optimierung der Einstellung. Beim Freiburger Einsilbertest (FE) wird das beste Sprachverstehen mit Pegeln um 70 dB erreicht. Bei um 20 dB niedrigeren Pegeln ist das Sprachverstehen deutlich schlechter. Es soll überprüft werden, ob dieser Effekt auch beim Oldenburger Satztest (OLSA) beobachtet werden kann.

Bei den in der Studie verwendeten Sprachprozessoren (Fa. Cochlear) war bei Pegeln oberhalb von 57 dB die Automatic Gain Control (AGC) aktiv, die den Eingangspegel abschwächt.

Neuere Techniken der Signalvorverarbeitung in Sprachprozessoren erfordern vergleichbare Tests, um unter unterschiedlichen Bedingungen (viel oder wenig Störschall) die Geräte überprüfen zu können.

Material und Methoden

Bei 55 Patienten, die zur Routinekontrolle ihrer Sprachprozessoren die Klinik besuchten, wurden der OLSA in zwei Bedingungen sowie der Freiburger Einsilbertest durchgeführt. Der OLSA wurde bei festem Sprachschallpegel von 65 dB von vorn und variablem Störschall von der CI-Seite und bei festem Störschall 45 dB von der CI-Seite und variablem Sprachschallpegel von vorn durchgeführt. Der Freiburger Einsilbertest wurde bei 55 dB, 65 dB und 75 dB in Ruhe getestet.

Die OLSAs in beiden Störschallbedingungen wurden mit einem t-Test verglichen und darüber hinaus auf ihre Äquivalenz überprüft [1]. Die Freiburger Einsilbertests wurden mit den Störschalltests korreliert (Pearson). Die Berechnungen wurden mit dem Programm R durchgeführt [2].

Ergebnisse

Die Resultate der OLSAs zeigen eine hohe Korrelation miteinander (Pearsson, r=0,78, p<0,001). Sie liegt in der Größenordnung der Korrelationen der bei unterschiedlichen Lautstärken gemessenen Freiburger Einsilbertests miteinander (55dB mit 65 dB: r=0,85 p<0,001; 55 dB mit 75 dB: r=0,75, p<0,001; 65 dB mit 75 dB: r=0,82, p<0.001). Der Vergleich der Mittelwerte der beiden OLSAs liefert keinen signifikanten Unterschied (t=–1,3688; p=0,17). Die mittlere Differenz beider Test liegt bei ΔL50=0,70 dB ±0,51 dB. D.h. der Test mit festem Nutzschall bei 65 dB wurde von den Patienten besser bewältigt.

Zwischen den Freiburger Einsilbertests bei 75 dB und 55 dB mit einem vergleichbaren Lautstärkeunterschied besteht ein hoch signifikanter Unterschied (t-Test, t=19.0, p<0.00001).

Ein folgender Äquivalenztest liefert eine Äquivalenz der OLSA in beiden Testbedingungen im Rahmen der Wahrscheinlichkeit, dass der Test mit festem Störschall in 34% bis 66% der Fälle besser ist als der andere. Die Darstellung der Testergebnisse im Bland-Altmann-Diagramm zeigt für den Mittelwert aus beiden Testbedingungen bis 4,5 dB eine geringe Streuung mit für größere Werte der Testergebnisse stark ansteigender Streuung (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Kein Freiburger Einsilbertest liefert bei der Lautstärke 55 dB ein besseres Ergebnis als bei 75 dB oder 65 dB. Dagegen hat etwa ein Drittel der Patienten im OLSA bei 45 dB Störschall eine bessere Verstehensschwelle als in der lauteren Bedingung. Die Gruppe der bei 45 dB Störschall besseren Patienten unterscheidet sich nicht in Bezug auf ihre Ergebnisse im FE von der Gruppe der in der lauteren OLSA-Bedingung besseren.

Diskussion

Im Gegensatz zum Freiburger Einsilbertest zeigt der OLSA eine individuelle Abhängigkeit von der Lautstärke, so dass zusätzliche Informationen für eine Optimierung der Einstellung gewonnen werden können. Unterschiede zwischen den OLSA-Testergebnissen treten nur individuell auf und finden sich nicht im Gruppenmittel. Unterschiede könnten einerseits in der Wahrnehmungsschwelle der CI-Einstellung begründet sein oder andererseits durch die Akzeptanz der automatischen Empfindlichkeitsanpassung bei höheren Lautstärken. In der Regel und bei allen hier gemessenen Patienten lag der Kniepunkt der Automatic Gain Control bei 57 dB. Die Unterschiede zwischen dem OLSA bei 45 dB festem Störschall und dem bei 65 dB festem Nutzschall liegen mit ΔL50=0,70 dB ± 0,51 dB in der Größenordnung wie sie als Test-Retest-Abweichung bei Cochlea-Implantat-Trägern gefunden werden (ΔL50=0,76 dB ± 0,73 dB) [3].

Die hier beobachtete geringere Abweichung der beiden Oldenburger Satztests und damit eine geringere Streuung bei besseren Ergebnissen unterhalb eines Nutzschall-Störschall-Verhältnisses von 4,5 dB wurde in einer anderen Studie ebenfalls für besser performante Patienten beobachtet [4]. Die Validität des Oldenburger Satztests und damit seine Aussagekraft für eine Evaluation der Sprachprozessoreinstellung zeigen sich erst für Patienten, die ein besseres Nutzschall-Störschall-Verhältnis erreichen. Hier bieten die Ergebnisse bei unterschiedlichen Störschallbedingungen dann Hinweise zu einer Optimierung der Einstellung.


Literatur

1.
Sachs L, Hedderich J. Angewandte Statistik. 12. Auflage. Berlin: Springer; 2006.
2.
R Core Team. A Language and Environment for Statistical Computing. Wien: R Foundation for Statistical Computing; 2013. Verfügbar unter: http://www.R-project.org/ External link
3.
Müller-Deile J. Sprachverständlichkeitsuntersuchungen bei Kochleaimplantatpatienten. HNO. 2009;57:580-92. DOI: 10.1007/s00106-009-1930-3 External link
4.
Knief A, Schmidt CM, Deuster D, Rosslau K, Matulat P, am Zehnhoff-Dinnesen A. Freiburger Einsilbertest und Oldenburger Satztest bei Cochlea-Implantat-Trägern. Beitrag auf 14. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie; 9.–12. März 2011; Jena. 2011.