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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Auswirkungen der Körperposition auf die Vokaltraktkonfiguration beim Singen im Sitzen und Liegen bei gesangstechnisch Untrainierten

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Louisa Traser - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Freiburg, Deutschland; Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Michael Burdumy - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Freiburg, Deutschland; Klinik für Radiologie, Abteilung für medizinische Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Bernhard Richter - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Matthias Echternach - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Freiburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV37

doi: 10.3205/13dgpp77, urn:nbn:de:0183-13dgpp774

Published: September 5, 2013

© 2013 Traser et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Professionelle Sänger lernen in ihrer Ausbildung in hohem Maße eine Kontrolle nicht nur über ihre Atmung und die Stimmquelle, sondern v.a. auch über die Konfiguration des Vokaltraktes zu erlangen. In Vorstudien konnte die Bedeutung der Vokaltraktkonfiguration für verschiedene gesangstechnische Funktionen – wie z.B. bei Registerübergängen – gezeigt werden. Bisherige Studien unserer Arbeitsgruppe geben Hinweise darauf, dass der Effekt der Schwerkraft auf die Vokaltraktkonfiguration bei professionellen Sängern als klein zu erachten ist. Unklar bleibt jedoch, ob es sich dabei um einen Kompensationseffekt durch das stimmliche Training handelt und inwieweit bei gesangstechnisch Untrainierten andere Ergebnisse nachzuweisen sind.

Material und Methoden: 20 Gesangslaien wurden mit Hilfe eines schwenkbaren Magnetresonanztomographen (MRT) in sitzender sowie liegender Position hinsichtlich Veränderungen des Vokaltraktes untersucht. Sie wurden aufgefordert, eine aufsteigende Tonleiter (jeweils ausgehaltene Töne) beginnend im Modal- und weiter führend im Falsett-Register zu singen. Die Ergebnisse wurden mit den Daten von 9 professionellen Sängern verglichen.

Ergebnisse: Bei den Probanden zeigten sich nur kleine Unterschiede zwischen der Vokaltraktkonfiguration im Sitzen und Liegen. Insbesondere wurden die Lippen- und Kieferöffnung, Zungen- und Uvulaposition durch die Positionsänderung nicht wesentlich beeinflusst. In guter Vergleichbarkeit zu den Stimmtrainierten war der Larynx bei den Gesangslaien in der liegenden Position nach kranial verlagert und der Kiefer weiter vorverlagert. Im Unterschied zu den Gesangsprofis tendierten die Laien jedoch dazu, bereits für tiefere Grundfrequenzen den Larynx maximal zu elevieren.

Diskussion: Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen darauf hin, dass die große Übereinstimmung zwischen der Vokaltraktkonfiguration im Sitzen und Liegen nicht durch einen Trainingseffekt sondern durch die intuitive propriozeptive Kontrolle der Artikulatoren beim Singen hervorgerufen wird. Die Ergebnisse der Studie stehen damit im Kontrast zu Studien, welche in der Sprechfunktion deutlich Unterschiede in der Vokaltraktkonfiguration in verschiedenen Körperpositionen zeigten.


Text

Einleitung

Professionelle Sänger lernen in ihrer Ausbildung eine hohe Kontrolle nicht nur über ihre Atmung und die Stimmquelle, sondern v.a. auch über den Vokaltrakt zu erlangen. In Vorstudien konnte eine große Relevanz der Vokaltraktkonfiguration in verschiedenen gesangstechnischen Bereichen z.B. bei Registerübergängen gezeigt werden [1], [2]. Diese Studien wurden allerdings in liegender Position durchgeführt. Eine aktuelle Studie unserer Arbeitsgruppe untersuchte den Effekt verschiedener Positionen auf artikulatorische Daten bei professionellen Sängern [3]. Hier zeigte sich, dass der Effekt der Schwerkraft auf die Vokaltraktkonfiguration bei professionellen Sängern als eher klein zu erachten war. Unklar bleibt jedoch, ob das Fehlen von großen artikulatorischen Unterschieden durch einen Kompensationseffekt durch das stimmliche Training bedingt wird, oder ob es sich um eine intuitive Kompensation handelt. Daher scheinen Untersuchungen sinnvoll, die artikulatorische Vokaltrakteinstellungen bei stimmlich untrainierten Probanden in verschiedenen Körperpositionen untersuchen.

Diesbezüglich konnten Studien bei gesangstechnisch Untrainierten in der Sprechstimmfunktion eine deutliche Konfigurationsänderung des Vokaltraktes in verschiedenen Körperpositionen bei der Phonation verschiedener Vokale nachweisen [4]. Eine Studie hinsichtlich der Singstimmfunktion von gesangstechnisch untrainierten Probanden wurde bislang nach Kenntnis der Autoren nicht durchgeführt.

Methoden

20 gesangstechnisch untrainierte Probanden (Alter 25–45) wurden mit Hilfe eines schwenkbaren Magnetresonanztomographen in sitzender sowie liegender Position hinsichtlich Veränderungen des Vokaltraktes beim Singen untersucht (Esaote G-Scan, 0.25 T schwenkbarer Permanentmagnet, Rotation des Probanden zwischen 0° und 90° möglich, max. Gradientenstärke: 20 mT/m, slew rate: 25 mT/m/ms. Halsspule mit 2 Kanälen, midsagittale Bildaufnahme, Sequenzparameter: balanced steady state sequence (80° flip angle), TR ¼ 10 ms, TE ¼ 5 ms FOV 300 × 300 mm, matrix ¼ 212 × 212, Pixelgröße, 1.42 mm, and ST 8 mm. Aufnahmezeit pro Bild: 6 Sekunden).

Die Probanden wurden aufgefordert, zunächst den Ton C3 (131 Hz) und dann eine aufsteigende Tonleiter (jeweils ausgehaltene Töne) beginnend im Modal und weiter führend in das Falsett Register beginnend bei C4 (262 Hz) zu singen. Es erfolgte die Auswertung der Aufnahmen durch Bestimmung der in Abbildung 1 [Abb. 1] beschriebenen Distanzen als Maß für die Änderungen der Vokaltraktkonfiguration.

Ergebnisse

Die Evaluation der gewonnen MRT Bilder beim Singen verschiedener Tonhöhen zeigte die größten Unterschiede in der Artikulation beim Singen zwischen dem tiefen und hohen Modal-Register (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Beim Übergang vom Modal- ins Falsett-Register waren die Unterschiede gering ausgeprägt, lediglich in der Lippenöffnung war ein signifikanter Unterschied (p=0,026) festzustellen.

Wie bei den professionellen Sängern, konnten auch bei den Untrainierten nur kleine Unterschiede zwischen der Vokaltraktkonfiguration im Sitzen und Liegen festgestellt werden. Artikulatoren wie Lippen- und Kieferöffnung, Zungen- und Uvulaposition wurden durch die Positionsänderung nicht stark beeinflusst. Ebenfalls in guter Übereinstimmung mit den stimmtrainierten Probanden war der Larynx bei den Gesangslaien in der liegenden Position kranial verlagert und der Kiefer weiter vorverlagert. Im Unterschied zu den Gesangsprofis tendierten die Laien jedoch dazu, bereits für tiefere Grundfrequenzen den Larynx maximal zu elevieren.

Diskussion

Im Gegensatz zu professionellen Tenören, welche beim Übergang zwischen dem hohen Modal- und Falsettregister eine signifikante Erhöhung der Larynxposition zeigten [3], war die Kehlkopfhöhe bei den untrainierten Sängern konstant. Möglicherweise hatten die untrainierten Sänger bereits im hohen Modal-Bereich ihre physiologisch maximal zu erreichende Larynxhöhe eingenommen, sodass keine weitere Elevation bei den folgenden Tönen möglich war.

Bemerkenswerterweise zeigten auch die gesangstechnisch untrainierten Probanden, im Einklang mit den Ergebnissen bei professionellen Sängern, nur wenige Unterschiede in der Vokaltraktkonfiguration beim Vergleich zwischen der sitzenden und der liegenden Körperposition. Als einzige Ausnahmen zeigten sich – ebenfalls in Übereinstimmung mit den professionellen Sägern – die Kehlkopfposition und die Kieferprotrusion signifikant unterschiedlich. Diese Ergebnisse stehen dabei im Gegensatz zu vergleichbaren Studien welche die artikulatorischen Änderungen in der Sprechstimmfunktion untersuchten. So konnte z.B. Kitamura, et al. beim Vergleich der Artikulation von verschiedenen Vokalen in aufrechter und liegender Körperposition ein deutliches Zurückfallen der Zunge durch die gravitätischen Kräfte nachweisen [4].

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen möglicherweise daraufhin, dass die große Übereinstimmung zwischen der Vokaltraktkonfiguration im Sitzen und Liegen nicht durch einen Trainingseffekt, sondern durch die intuitive propriozeptive Kontrolle der Artikulatoren beim Singen hervorgerufen wird und diese in der Gesangsfunktion präziser ist, als bei der Phonation in der Sprechstimmfunktion.


Literatur

1.
Tokuda IT, Zemke M, Kob M, Herzel H. Biomechanical modeling of register transitions and the role of vocal tract resonators. J Acoust Soc Am. 2010 Mar;127(3):1528-36. DOI: 10.1121/1.3299201 External link
2.
Echternach M, Markl M, Richter B. Dynamic real-time magnetic resonance imaging for the analysis of voice physiology. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg. 2012 Dec;20(6):450-7. DOI: 10.1097/MOO.0b013e3283585f87 External link
3.
Traser L, Burdumy M, Richter B, Vicari M, Echternach M. The effect of supine and upright position on vocal tract configurations during singing--a comparative study in professional tenors. J Voice. 2013 Mar;27(2):141-8. DOI: 10.1016/j.jvoice.2012.11.002 External link
4.
Kitamura T, Takemoto H, Honda K, Shimada Y, Fujimoto I, Syakudo Y, Masaki S, Kuroda K, Oku-uchi N, Senda M. Difference in vocal tract shape between upright and supine postures: Observations by an open-type MRI scanner. Acoustical Science and Technology. 2005;26(5):465-8. DOI: 10.1250/ast.26.465 External link