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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Cochlea-Implantat-Versorgung bei frühkindlich erworbener Taubheit nach Meningitis trotz negativer Hörnervtestung

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  • corresponding author presenting/speaker Alexander Mainka - Abt. Phoniatrie und Audiologie, SCIC, HNO-Uniklinik, Dresden, Deutschland
  • Anja Hahne - Abt. Phoniatrie und Audiologie, SCIC, HNO-Uniklinik, Dresden, Deutschland
  • Stefan Gräbel - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Dirk Mürbe - Abt. Phoniatrie und Audiologie, SCIC, HNO-Uniklinik, Dresden, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocP18

doi: 10.3205/13dgpp41, urn:nbn:de:0183-13dgpp411

Published: September 5, 2013

© 2013 Mainka et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Bei Indikationsstellung einer CI-Versorgung bei erworbener Taubheit wird aufgrund des fehlenden Resthörvermögens in der Regel einem positiven Hörnervenfunktionstest besondere Bedeutung beigemessen. Ein mögliches Verfahren zur Testung der Hörnervenfunktion ist die Messung von elektrischer Amplitude-modulation following response (eAMFR).

Material und Methoden: Ein 41-jähriger Patient mit linksseitiger Taubheit und an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit rechts nach frühkindlicher Meningitis im 1. Lebensjahr wurde linksseitig mit einem CI versorgt. In der präoperativen Testung hatten sich in der eAMFR bis zu einer Reizstromstärke von 1,2 mA keine reproduzierbaren Reizantworten gezeigt. Dennoch war aufgrund der gravierenden Kommunikationseinschränkungen und des expliziten Patientenwunsches eine CI-Versorgung erfolgt, da Geräuschwahrnehmung und Sprachverständnis mit dem rechten hörgeräteversorgten Ohr für den Patienten unzureichend waren.

Ergebnisse: Mit Beginn der Erstanpassung berichtete der Patient über gute Höreindrücke. In der Aufblähkurve mit CI im Freifeld zeigten sich 12 Monate nach Erstanpassung pantonal Schwellenwerte zwischen 50 und 65 dB, das Zahlenverständnis im Freiburger Test betrug 30% bei einem Sprachschallpegel von 80 dB. Auch im EEG zeigten sich akustisch evozierte Potentiale für sprachliche Stimuli. Bei regelmäßigem Trageverhalten des CI gelingt dem Patienten eine differenzierte Unterscheidung und Zuordnung von Geräuschen. Der Rehabilitationserfolg wird subjektiv sehr positiv reflektiert.

Diskussion: In der vorliegenden Fallbeschreibung konnte ein Patient mit Langzeitertaubung nach Meningitis trotz negativer eAMFR-Messung erfolgreich mit einem CI rehabilitiert werden. Eine mögliche Ursache einer negativen Potentialableitung trotz funktionierendem Hörnerv könnte die veränderte neuronale Erregungsweiterleitung bei hirnorganischen Veränderungen infolge der Meningitis darstellen. Dies sollte prinzipiell bei der Bewertung elektrisch oder akustisch evozierter Potentialmessungen Berücksichtigung finden.


Text

Hintergrund

Bei Indikationsstellung einer Cochlear-Implantat (CI)-Versorgung bei erworbener Taubheit wird aufgrund des fehlenden Resthörvermögens in der Regel einem positiven Hörnervenfunktionstest besondere Bedeutung beigemessen. Ein mögliches Verfahren zur Testung der Hörnervenfunktion ist die Messung von elektrischer Amplitude-modulation following response (eAMFR) [1]. Die postmeningitische CI-Versorgung stellt dabei eine besondere Herausforderung dar, da es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Gewebeveränderung in der Cochlea kommt, welche die Insertion erschweren können [2]. Zudem bestehen Anhaltspunkte für zentral-auditive Verarbeitungsdefizite bei postmeningitischer Ertaubung [3].

Material und Methoden

Ein 41-jähriger Patient mit linksseitiger Taubheit und an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit rechts wurde linksseitig mit einem CI versorgt.

In der Vorgeschichte des Patienten war eine frühkindliche Meningitis im ersten Lebensjahr aufgetreten. Im dritten Lebensjahr waren eine linksseitige Taubheit sowie eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts diagnostiziert worden und der Patient war seit dem dritten Lebensjahr mit einem Hörgerät versorgt worden.

Weitere Folgen der Meningitis waren ein hirnorganisches Psychosyndrom mit leichter geistiger Behinderung.

In präoperativ durchgeführten Bildgebung zeigte sich in Computertomografie eine mastoidale Pneumatisationshemmung links (Abbildung 1 [Abb. 1]). In der Magnetresonanztomografie des Felsenbeines waren seitlicher und oberer Bogengang links nur partiell abgrenzbar im Sinne einer umschriebene Sklerosierung. Ansonsten bestand eine regelrechte Darstellung der Cochlea, des Nervus facialis und Nervus vestibulocochlearis. Auffällig war zudem eine supratentorielle Ventrikelerweiterung, welche radiologischerseits als mögliche Meningitisfolge eingestuft wurde.

In der präoperativen Hörnerventestung hatten sich in der eAMFR bis zu einer Reizstromstärke von 1,2 mA keine reproduzierbaren Reizantworten gezeigt. Dennoch war aufgrund der gravierenden Kommunikationseinschränkungen und des expliziten Patientenwunsches eine CI-Versorgung erfolgt, da Geräuschwahrnehmung und Sprachverständnis mit dem rechten hörgeräteversorgten Ohr für den Patienten unzureichend waren.

Intraoperativ gelang trotz bindegewebig ausgefüllter Basalwindung nach Rekanalisierung über eine erweiterte Cochleostomie der Einsatz eines Concerto FlexSoft Implantates. Dabei konnten über die Rundfensternische alle Elektroden vollständig inseriert werden.

Ergebnisse

Mit Beginn der Erstanpassung berichtete der Patient über gute Höreindrücke. In der Aufblähkurve mit CI im Freifeld zeigten sich 12 Monate nach Erstanpassung pantonale Schwellenwerte zwischen 50 und 65 dB, das Zahlenverständnis im Freiburger Test betrug 30% bei einem Sprachschallpegel von 80 dB. Auch im EEG zeigten sich akustisch evozierte Potentiale für sprachliche Stimuli. Bei regelmäßigem Trageverhalten des CI gelingt dem Patienten eine differenzierte Unterscheidung und Zuordnung von Geräuschen. Der Rehabilitationserfolg wird subjektiv sehr positiv reflektiert.

Diskussion

In der vorliegenden Fallbeschreibung konnte ein Patient mit Langzeitertaubung nach Meningitis trotz negativer eAMFR-Messung erfolgreich mit einem CI rehabilitiert werden. Eine mögliche Ursache einer negativen Potenialableitung trotz funktionierendem Hörnerv könnte die veränderte neuronale Erregungsweiterleitung bei hirnorganischen Veränderungen infolge der Meningitis darstellen. Dies sollte prinzipiell bei der Bewertung elektrisch oder akustisch evozierter Potentialmessungen Berücksichtigung finden.


Literatur

1.
Hirschfelder A, Gräbel S, Olze H. Electrically evoked amplitude modulation following response in cochlear implant candidates: comparison with auditory nerve response telemetry, subjective electrical stimulation, and speech perception. Otol Neurotol. 2012 Aug;33(6):968-75. DOI: 10.1097/MAO.0b013e31825e7c5d External link
2.
Philippon D, Bergeron F, Ferron P, Bussières R. Cochlear implantation in postmeningitic deafness. Otol Neurotol. 2010 Jan;31(1):83-7. DOI: 10.1097/MAO.0b013e3181c2a02d External link
3.
García JM, Aparicio ML, Peñaranda A, Barón C, Cutha P. Auditory performance and central auditory processing after cochlear implantation in patients deafened by meningitis. Cochlear Implants Int. 2009;10 Suppl 1:48-52. DOI: 10.1002/cii.386 External link