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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Duraperforation durch Elektrodenmigration – 14 Jahre nach Cochlea Implantation

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Eva Fischer-Krall - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, CI-Zentrum Köln an der HNO-Klinik der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Simon F. Preuss - CI-Zentrum Köln an der HNO-Klinik der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Karl-Bernd Hüttenbrink - CI-Zentrum Köln an der HNO-Klinik der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Ruth Lang-Roth - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, CI-Zentrum Köln an der HNO-Klinik der Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocP17

doi: 10.3205/13dgpp40, urn:nbn:de:0183-13dgpp402

Published: September 5, 2013

© 2013 Fischer-Krall et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die CI-Operation ist sicher und späte Major-Komplikationen werden selten beschrieben.

Material und Methoden: Fallbericht einer Pat, die im Alter von 3 J. bei bds. an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit mit einem CI versorgt wurde. In der praeoperativen MRT hatte sich ein Fehlen des lateralen Bogengangs gezeigt. Im 8. LM hatte sie eine Meningitis erlitten. Die CI-OP war komplikationslos verlaufen. Die Scala tympani war basal verknöchert gewesen, der Elektrodenträger konnte jedoch problemlos inseriert werden. Die Hörhabilitation verlief komplikationslos. Die Pat. durchlief die Regelschullaufbahn.

Ergebnisse: 14 J. nach der CI-Operation bemerkte sie erstmals rezidivierende, nicht schmerzhafte Schwellungen am Implantatlager. Zusätzlich traten Kopfschmerzen auf. Im weiteren Verlauf traten keine Schwellungen mehr auf. Der Integritäts-Test ergab die ordnungsgemäße Funktion des CI.

Das Felsenbein-CT ließ die Ursache der Beschwerden vermuten: Der Elektrodenträger schien nach intrakraniell disloziert und in der mittleren Schädelgrube liegend. Im Rahmen der Revisions-OP bestätigte sich der Verdacht. Der Elektrodenträger fand sich 2 cm nach Abgang vom Implantat der Oberfläche des Temporallappens aufliegend; der Knochen der mittleren Schädelgrube war durchbohrt. Durch die ebenfalls perforierte Dura trat Liquor aus. Nach Duraplastik u. Kortikalisrekonstruktion konnte ein neues Implantat in ein versetztes Implantatlager eingesetzt werden. Der Implantatwechsel wurde notwendig, weil das alte Implantat beschädigt wurde. Die Implantatüberprüfung war regelrecht, der weitere Verlauf unauffällig. 8 Wo. nach Re-OP hat die Pat. nahezu das praeop. Sprachverstehen erreicht.

Diskussion: Die rezidivierenden Schwellungen am Implantatlager müssen als Liquorpolster bei Elektrodenmigration durch die Dura interpretiert werden. Die Schmerzen lassen sich durch eine meningeale Reizung erklären. Die Ursache dieser späten Komplikation bleibt unklar. Ggf. spielen chronische Knochenumbauvorgänge eine Rolle, die durch den kontinuierlichen Druck, eines unter Spannung am Knochen anliegenden Elektrodenträgers verursacht werden können. Auch nach einem langen, komplikationslosen Verlauf müssen unspezifische, persistierende Beschwerden bei CI-Patienten ernst genommen werden. In diesen Fällen kann eine CT wegweisend sein.


Text

Hintergrund

Die Cochlea Implantation (CI) wird mittlerweile routinemäßig und weltweit sehr erfolgreich zur (Re)Habilitation hochgradiger an Taubheit grenzender Patienten durchgeführt. Die Komplikationen werden je nach Autoren zwischen 9% und 39% angegeben. Man unterteilt die Komplikationen zeitlich in perioperative, frühe und späte postoperative Komplikationen. Nach dem Ausmaß lassen sich Minor-Komplikationen, die in der Regel spontan bzw. konservativ behandelt ausheilen, und Major-Komplikationen, die meist eine Revisionsoperation erforderlich machen, unterscheiden. Zu letzteren gehören u.a. Hautlappennekrosen, Implantatdefekte und die Elektrodenmigration. Die Häufigkeit einer symptomatischen Elektrodenmigration wird mit <1% bis <5% angegeben; in der Literatur finden sich Einzelfallberichte und kleinere Fallserien, die von Elektrodenmigrationen bis zu 5 Jahre nach Cochlea Implantation berichten. Die unspezifische Symptomatik kann von Schwindel und Verschlechterung des Hörens/Sprachverstehens bis zu Schmerzen oder Fazialisstimulation reichen. Als mögliche Risikofaktoren für eine Elektrodenmigration werden Ossifikation oder Malformationen der Cochlea diskutiert.

Material und Methoden

Fallbericht über eine CI-Reimplantation aufgrund einer Elektrodenmigration durch die Dura mit schmerzhafter Stimulation bei einer Cochlea Implantat-Trägerin, 14 Jahre nach Implantation.

Ergebnisse

Wir berichten über eine 18-jährige Patientin, die im Alter von 3 Jahren bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit beidseits mit einem Cochlea Implantat (Nucleus CI24M) versorgt wurde.

In der praeoperativen MRT-Bildgebung hatte sich eine Fehlbildung des Vestibulums mit Fehlen des lateralen Bogengangs bei regelrecht angelegten und flüssigkeitsgefüllten Cochleae gezeigt. Im Alter von 8 Monaten hatte sie eine Pneumokokken-Meningitis erlitten. Die Cochlea Implantation war komplikationslos verlaufen. Dem Operationsbericht war zu entnehmen, dass bei der Cochleostomie die Scala vestibuli eröffnet wurde und die Cochlea auffallend tief lag. Die Scala tympani war basal verknöchert gewesen, der Elektrodenträger konnte jedoch problemlos inseriert werden. Der postoperative Verlauf war unauffällig. Die bimodale Hörhabilitation verlief erfolgreich und komplikationslos über 14 Jahre. Die Patientin erreichte ein offenes Sprachverstehen, normale Lautsprachkompetenz und durchlief die Regelschullaufbahn. Nach 13 Jahren wurde sie von einem Esprit 3G-Sprachprozessor (SP) auf den CP 810 umversorgt.

Ein halbes Jahr später bemerkte sie erstmals rezidivierende, nicht schmerzhafte Schwellungen in Projektion auf das Implantatlager. Zusätzlich traten Kopfschmerzen auf, die von der Patientin zunächst als „oberflächlich“ in der Umgebung des Implantlagers und im späteren Verlauf als „tiefer liegend“ und „pochend-stechend“ beschrieben wurden. Die offenbar vom Implantat ausgehenden „elektrisierenden“ und „ausstrahlenden“ Schmerzen waren zunächst bei Stimulation durch den SP zunehmend, später traten die Beschwerden auch ohne Tragen des SP auf. Zu diesem Zeitpunkt, etwa ein Jahr nach Beginn der Beschwerden, bestand keine Schwellung mehr. Die Labordiagnostik zeigte zu keiner Zeit erhöhte Entzündungsparameter. Die technische Überprüfung des CI-Systems war unauffällig und nicht wegweisend. Auch das Hören und Sprachverstehen waren unverändert gut, jedoch wurde der SP wegen der Schmerzen bei Stimulation nicht mehr getragen.

Der Integritäts-Test ergab die ordnungsgemäße Funktion des CI und aller Elektroden. Eine antibiotische Therapie hatte keinen positiven Einfluss auf den klinischen Verlauf. Das hochauflösende Felsenbein-CT ließ die Ursache der Beschwerden vermuten: Der Elektrodenträger schien nach intrakraniell disloziert und in der mittleren Schädelgrube liegend. Im Rahmen der Revisionsoperation bestätigte sich der radiologische Verdacht. Der Elektrodenträger fand sich ca. 2 cm nach Abgang vom Empfänger unmittelbar der Oberfläche des Temporallappen aufliegend. Er hatte den Knochen der mittleren Schädelgrube durchwandert. Durch die vom Elektrodenträger ebenfalls perforierte Dura trat Liquor aus. Nach Duraplastik und Kortikalisrekonstruktion der mittleren Schädelgrube mit PDS-Folie konnte ein neues Implantat in ein versetztes Implantatlager eingesetzt werden. Der Implantatwechsel wurde notwendig, weil die Neutralelektrode bis sehr weit nach vorne reichte und teilweise vollständig in Knochen eingeschlossen war, sodass die Elektrode vom Empfänger abgetrennt werden musste. Die intraoperative Implantatüberprüfung war regelrecht und der postoperative Verlauf unauffällig. Drei Monate nach Re-Implantation ist die Patientin beschwerdefrei und hat nahezu das praeoperative Sprachverstehen mit intensiver Rehabilitation erreicht.

Diskussion und Fazit

Retrospektiv müssen die rezidivierenden Schwellungen am Implantatlager als Liquorpolster bei Elektrodenmigration durch die Dura mater interpretiert werden. Die Schmerzen lassen sich durch eine meningeale Reizung erklären. Die Ursache dieser späten Komplikation bleibt unklar. Möglicherweise spielen chronische Knochenumbauvorgänge eine Rolle, die durch den kontinuierlichen Druck eines unter Spannung am Knochen anliegenden Elektrodenträgers verursacht werden können. Auch nach einem jahrelangen, komplikationslosen Verlauf müssen unspezifische, persistierende Beschwerden CI-versorgter Patienten ernst genommen werden. Dazu gehören Schwindel, schlechtere Performance, Schmerzen und Schwellungen oder schmerzhafte und Fazialisstimulation. Wenn die technischen Implantatkontrollen keine Aufschlüsse geben wird bei anhaltender Symptomatik eine hochauflösende Felsenbein-CT erforderlich, die in diesen Fällen wegweisend sein kann.


Literatur

1.
Hansen S, Anthonsen K, Stangerup SE, Jensen, JH, Thomsen J, Cayé-Thomasen P. Unexspected findings and surgical complications in 505 consecutive cochlear Implantations: a proposal for reporting consensus. Acta Oto-Laryngologica. 2010;130:540-549. DOI: 10.3109/00016480903358261 External link
2.
van der Marel KS, Verbist BM, Briaire JJ, Joemai RMS, Frijns JHM. Electrode Migration in Cochlear Implant Patients: Not an Exception. Audiol Neurootol. 2012;17(5):275-81. DOI: 10.1159/000338475 External link
3.
Connell SS, Balkany TJ, Hodges AV, Telischi FF, Angeli SI, Eshraghi AA. Electrode Migration After Cochlear Implantation. Otol Neurotol. 2008 Feb;29(2):156-9. DOI: 10.1097/mao.0b013e318157f80b External link