gms | German Medical Science

30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Rezeptive und expressive musikalische Teilleistungsstörungen nach cerebralem Insult im Mediastromgebiet

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Ken Rosslau - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • author Christine Schröder - Klinik für Neurologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Daniel Steinwede - Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin, Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Eckart Altenmüller - Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin, Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Hannover, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV15

doi: 10.3205/13dgpp35, urn:nbn:de:0183-13dgpp350

Published: September 5, 2013

© 2013 Rosslau et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Hintergrund: Spezifische Ausfallserscheinungen sensorischer und motorischer Fähigkeiten nach geringgradigen umschriebenen Hirnläsionen werden häufig nicht erkannt. Dabei empfinden die betroffenen Patienten beispielweise eine Minderung der musikalischen Hörwahrnehmung oder Ausdrucksfähigkeit (Amusie) nicht selten als deutliche Einschränkung ihrer Lebensqualität. Ziel der vorliegenden Studie war eine Differenzierung der unterschiedlichen Teilleistungsstörungen und die Etablierung eines klinischen Tests.

Material und Methoden: Insgesamt wurden 30 Schlaganfallpatienten (18 f/12 m) mit einer umschriebenen Läsion im Mediastromgebiet (16 re/14 li) untersucht und in ihren Leistungen mit 30 Normalprobanden verglichen. In einem rezeptiven Test wurden jeweils 18 Doppel-Sequenzen für die musikalischen Bereiche Tonhöhen-, Melodie-, Rhythmus- und Metrumempfindung präsentiert, welche vom Probanden als gleich oder ungleich eingeteilt werden mussten. In einem expressiven Test sollten die Probanden 18 vorgespielte rhythmische Sequenzen mit einem Klangholz aktiv reproduzieren und 18 kurze melodische Abfolgen mit Hilfe eines Xylophons (15 Probanden) nachspielen oder Nachsingen (15 Probanden). Dafür wurden die Tonabfolgen individuell vom Untersucher der mittleren Stimmlage der Probanden angepasst. Die Ergebnisse wurden im Rahmen einer univariaten Varianzanalyse (ANOVA) statistisch evaluiert.

Ergebnisse: Sowohl die rezeptiven als auch die expressiven Ergebnisse zeigten keine Abhängigkeit bezüglich der Läsionsseite. Die Schlaganfallpatienten zeigten in allen Untertests signifikant schlechtere Leistungen als die Normalprobanden (p<.001). Sowohl rezeptiv als auch expressiv zeigten melodische Tests schlechtere Ergebnisse als rhythmische Tests (p<.001). Die expressiven Leistungen beim Singen waren deutlich besser als beim instrumentalen Nachspiel (p=.023).

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen eindeutig die Notwendigkeit einer umfangreichen neuropsychologischen Testung nach Schlaganfällen. Die positive rehabilitative Einflussnahme insbesondere auf feinmotorische Leistungen konnte in aktuellen Studien belegt werden und sollte, unterstützt durch die Ergebnisse der vorliegenden Studie, im musiktherapeutischen Bereich ergänzt werden.


Text

Hintergrund

Spezifische Ausfallserscheinungen sensorischer und motorischer Fähigkeiten nach geringgradigen umschriebenen Hirnläsionen werden häufig nicht erkannt. Dabei empfinden die betroffenen Patienten beispielweise eine Minderung der musikalischen Hörwahrnehmung oder Ausdrucksfähigkeit (Amusie) nicht selten als deutliche Einschränkung ihrer Lebensqualität. Bisher fehlten jedoch entsprechende Testverfahren, um eine Untersuchung nach dem Insult durchzuführen. Ziel der vorliegenden Studie war eine Differenzierung der unterschiedlichen rezeptiven und expressiven Teilleistungsstörungen und die Etablierung eines klinischen Tests.

Material und Methoden

Insgesamt wurden 30 Schlaganfallpatienten (18 f/12 m) mit einer umschriebenen Läsion im Mediastromgebiet (16 re/14 li) untersucht und in ihren Leistungen mit 30 Normalprobanden verglichen. In einem rezeptiven Test wurden jeweils 18 Doppel-Sequenzen für die musikalischen Bereiche Tonhöhen-, Melodie-, Rhythmus- und Metrumempfindung präsentiert, welche vom Probanden als gleich oder ungleich eingeteilt werden mussten. Die Ergebnisse wurden im Rahmen einer univariaten Varianzanalyse (ANOVA) statistisch evaluiert. In einem expressiven Test sollten die Probanden 18 vorgespielte rhythmische Sequenzen mit einem Klangholz aktiv reproduzieren und 18 kurze melodische Abfolgen mit Hilfe eines Xylophons (15 Probanden) nachspielen oder Nachsingen (15 Probanden). Dafür wurden die Tonabfolgen individuell vom Untersucher der mittleren Stimmlage der Probanden angepasst. Die Ergebnisse der expressiven Testung wurden von 3 Gesangspädagogen bezüglich der Korrektheit in einem 3 Punkte-Score eingeordnet und ebenfalls mit einer ANOVA statistisch evaluiert.

Ergebnisse

Sowohl die rezeptiven als auch die expressiven Ergebnisse zeigten keine Abhängigkeit bezüglich der Läsionsseite. Die Schlaganfallpatienten zeigten in allen Untertests signifikant schlechtere Leistungen als die Normalprobanden (p<.001). Sowohl rezeptiv als auch expressiv zeigten melodische Tests schlechtere Ergebnisse als rhythmische Tests (p<.001). Die expressiven Leistungen beim Singen waren deutlich besser als beim instrumentalen Nachspiel (p=.023).

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen eindeutig die Notwendigkeit einer umfangreichen neuropsychologischen Testung nach Schlaganfällen. Insbesondere aufgrund ihres Einflusses auf die psycho-emotionale Stabilität müssen rezeptive und expressive musikalische Teilleistungsstörungen erkannt werden. Die positive rehabilitative Einflussnahme insbesondere auf feinmotorische Leistungen konnte in aktuellen Studien belegt werden und sollte, unterstützt durch die Ergebnisse der vorliegenden Studie, im Rahmen eines musiktherapeutischen Konzeptes etabliert werden. Als Weiterentwicklung sollten rezeptive und expressive Amusie-Tests kombiniert und für den klinischen Einsatz am Patientenbett optimiert werden.