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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Supraglottische Konfiguration beim klassischen Gesang – eine MRT-basierte Fallstudie

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Alexander Mainka - Abt. Phoniatrie und Audiologie, HNO-Uniklinik, Dresden, Deutschland
  • Anton Poznyakovskiy - HNO-Uniklinik, Dresden, Deutschland
  • Ivan Platzek - Institut für Radiologie, Dresden, Deutschland
  • Hartmut Zabel - Studio für Stimmforschung, Musikhochschule „Carl Maria von Weber“, Dresden, Deutschland
  • Dirk Mürbe - Abt. Phoniatrie und Audiologie, HNO-Uniklinik, Dresden, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocP12

doi: 10.3205/13dgpp33, urn:nbn:de:0183-13dgpp330

Published: September 5, 2013

© 2013 Mainka et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Beim klassischen Gesang sind Einstellungsvorgänge des Vokaltraktes besonders für Timbre und Tragfähigkeit relevant. Für die Bildung des Sängerformanten sind aus akustischen und strömungstechnischen Gründen insbesondere die Einstellungsvorgänge im supraglottischen Bereich von Bedeutung. Morphologische Daten hierzu sind bislang rar.

Material und Methoden: Ein Sänger wurde gebeten in einem 3T MR-Tomograf einen Ton auf den Vokalen /a/, /e/, /i/, /o/ und /u/ auf A3 (220 Hz) für zehn Sekunden auszuhalten. Hierbei kamen jeweils eine gesangliche und eine an das Sprechen angelehnte Tongebung zum Einsatz.

Die Bilddaten wurden nach Aufbereitung und zentralpfadgestützer Transformation des Bildstapels entlang der Luftweichteilgrenze segmentiert.

Anhand der zweidimensionalen Vokaltraktsegmente konnten Flächen- und Volumenmaße auf Basis des zentralpfadbasierten Koordinatensystems ermittelt werden.

Mittels anschließend aufgenommener Audioaufnahmen wurde zudem durch Langzeitspektrumanalyse (LTAS) der Sängerformant überprüft.

Ergebnisse: Im Vergleich zwischen sängerischer und sprechhafter Tongebung zeigte sich in der LTAS-Analyse eine charakteristische Anhebung der Schallintensität im Frequenzbereich des Sängerformaten.

Im Vergleich zur an das Sprechen angelehnten Tongebung verminderte sich das supraglottische Resonanzvolumen während sängerischer Tongebung um 14 bis 64%.

Diskussion: Die mit angewandter MRT-Sequenz und Segmentierungstechnik erzielbare Auflösung erscheint hinreichend zur Analyse von supraglottischen Strukturen während gehaltener Phonation. Die Daten stützen die Bedeutung der supraglottischen Einstellungsvorgänge für die professionelle (männliche) Sängerstimme im klassischen Gesang.

Zur Analyse systematischer Änderungen der Vokaltrakteinstellung während der klassischen Gesangsausbildung sind weitere longitudinale Untersuchungen erforderlich.


Text

Hintergrund

Beim klassischen Gesang sind Einstellungsvorgänge des Vokaltraktes besonders für Timbre und Tragfähigkeit relevant und beispielsweise durch den Sängerformanten charkterisiert.

Für die Bildung des Sängerformanten sind aus akustischen und strömungstechnischen Gründen insbesondere die Einstellungsvorgänge im supraglottischen Bereich von Bedeutung [1]. So hatte Sundberg bereits 1974 argumentiert, dass Pharynxräume oberhalb der Glottis, welche unabhängig von Einstellungsvorgängen zur Vokalausprägung sind a.e. zur Ausbildung des Formantverstärkung im Bereich von 2,8 kHz bei der männlichen Sängerstimme genutzt werden [2]. Morphologische Daten hierzu sind bislang rar.

Mittels Magnetresonanztomografie (MRT) basierter Modellierung lassen sich Einstellungsvorgänge während gehaltener Phonation morphometrisch analysieren. Unser Ziel war es, die supraglottische Konfiguration des Vokaltrakts während der Phonation dreidimensional zu untersuchen (Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]).

Material und Methoden

Ein Sänger (22 Jahre alt, Bariton, Gesangsstudent im ersten Studienjahr) wurde gebeten in einem Magnetresonanz-Tomograf (Magnetom Trio A Tim system 3 Tesla/Siemens) einen Ton auf den Vokalen /a/, /e/, /i/, /o/ und /u/ auf A3 (220 Hertz) für zehn Sekunden auszuhalten.

Die MRT-Aufnahmen wurden mittels einer 12-Elemente Kopf-Hals-Spule mit folgenden Einstellungsparametern erstellt: Schichtdicke: 1,5 mm, Bildanzahl: 52, Bildorientierung: coronar, Matrix: 192 x 192, Sichtfeld: 250 x 250 mm.

Hierbei kamen zwei unterschiedliche Phonationsarten zum Einsatz: zum einen sollte in einer an den klassischen Gesang angelehnten Tongebung gesungen werden, zum anderen war eine an das Sprechen angelehnte Tongebung gefordert.

Die Bilddaten wurden nach Aufbereitung und zentralpfadgestützer Transformation des Bildstapels entlang der Luftweichteilgrenze mittels aktiver Kontouren segmentiert.

Anhand der zweidimensionalen Vokaltraktsegmente konnten Flächen- und Volumenmaße auf Basis des zentralpfadbasierten Koordinatensystems ermittelt werden.

Mittels anschließend aufgenommener Audioaufnahmen wurde zudem durch Langzeitspektrumanalyse (LTAS) die Ausbildung des Sängerformant überprüft.

Ergebnisse

Im Vergleich zwischen sängerischer und sprechhafter Tongebung zeigte sich in der LTAS-Analyse für alle Vokale eine charakteristische Anhebung der Schallintensität im Frequenzbereich des Sängerformanten bei 2,75 kHz.

Im Vergleich zur an das Sprechen angelehnten Tongebung verminderte sich die Querschnittsfläche am Kehlkopfausgang für alle Vokale während sängerischer Tongebung um 20–65%. Das supraglottische Vokaltraktvolumen nahm in gleicher Weise bei den Vokalen /a/, /i/, /u/ und /e/ um 10 bis 64% ab, bei /o/ jedoch um 8% zu.

Es kam bei unserem Probanden also zu einer mehr oder weniger ausgeprägten aber für alle fünf untersuchten Vokale bis auf /o/ einheitlichen Verengung des Kehlkopfausganges. Gleichzeitig wurde der Kehlkopf während sängerischer Tongebung um durchschnittlich 4 mm abgesenkt.

Diskussion

Die mit angewandter MRT-Sequenz und Segmentierungstechnik erzielbare Auflösung erscheint hinreichend zur Analyse von supraglottischen Strukturen des Vokaltraktes während gehaltener Phonation. Die Daten stützen die Bedeutung der supraglottischen Einstellungsvorgänge für die professionelle (männliche) Sängerstimme im klassischen Gesang.

Zur Analyse systematischer Änderungen der Vokaltrakteinstellung während der klassischen Gesangsausbildung sind weitere longitudinale Untersuchungen sowie der interindividuelle Vergleich mit mehreren Probanden erforderlich. Als Vergleich sollten auch Untersuchungen arrivierter Sänger herangezogen werden.


Literatur

1.
Titze IR, Worley AS. Modeling source-filter interaction in belting and high-pitched operatic male singing. J Acoust Soc Am. 2009 Sep;126(3):1530-40. DOI: 10.1121/1.3160296 External link
2.
Sundberg J. Articulatory interpretation of the "singing formant". J Acoust Soc Am. 1974 Apr;55(4):838-44. DOI: 10.1121/1.1914609 External link