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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Vor- und Nachteile bei der Anwendung der hochauflösungsmanometrie-basierten Phaseneinteilung des velopharyngealen Abschlusses bei Phonation

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Michael Jungheim - Medizinische Hochschule Hannover / Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Hannover, Deutschland
  • Simone Miller - Medizinische Hochschule Hannover / Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Hannover, Deutschland
  • Daniela Kühn - Medizinische Hochschule Hannover / Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Hannover, Deutschland
  • author Martin Ptok - Medizinische Hochschule Hannover / Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Hannover, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV13

doi: 10.3205/13dgpp31, urn:nbn:de:0183-13dgpp311

Published: September 5, 2013

© 2013 Jungheim et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Für die Bildung vieler Sprachlaute ist ein velopharyngealer Abschluss (VPA) notwendig, der aufgrund muskulärer Kontraktion durch Approximation der velopharyngealen Wandstrukturen erfolgt. Der dabei erzeugte Verschlussdruck muss dem aufgebauten Phonationsluftdruck standhalten. Für den Druckverlauf im Velopharynx bei Vokalrealisation wurde von uns bereits ein mehrphasiges Modell postuliert. Das Modell soll erläutert und Vor- und Nachteile auch anhand anderer Sprachlaute evaluiert werden.

Material und Methoden: Es wurden hochauflösungsmanometrische Messungen des VPA bei gehaltener Phonation des Vokals /i:/ durchgeführt. Die individuellen Druckverläufe wurden verglichen, die Reproduzierbarkeit der Messungen geprüft und Regelmäßigkeiten anhand eines Modells dargestellt. Zusätzlich wurden auch die Druckverläufe bei Plosiven, Frikativen und Nasalen untersucht.

Ergebnisse: Während beim Vokal /i:/ eine gute intraindividuelle Reproduzierbarkeit der gemessenen Druckwerte bestand, lag eine große interindividuelle Schwankungsbreite vor. Bei allen Probanden war aber mit einsetzender Phonation ein initialer Druckanstieg im VPA zu verzeichnen, der während der gehaltenen Phonation in eine stabile Phase überging und zum Ende der Phonation wieder den Ausgangswert einnahm. Ähnliche Verläufe waren auch bei Frikativen und bei Plosiven zu beobachten. Bei Nasalen ließ sich das Modell nicht nachweisen, weil kein Druckaufbau im VPA bestand.

Diskussion: Es ließ sich ein dreiphasiges Modell bestehend aus einer Initiierungsphase, einer stabilen Phase und einer Terminierungsphase für die Bildung des Vokals /i:/ definieren. Abhängig vom Phonationseinsatz und -absatz ist eine weitere Differenzierung des Modells denkbar, so dass eine genaue Charakterisierung des Druckverlaufs im VPA ermöglicht wird. Auch eine Anwendung für andere Lautklassen ist denkbar.


Text

Hintergrund

Für die Bildung vieler Sprachlaute ist ein velopharyngealer Abschluss (VPA) notwendig, der aufgrund muskulärer Kontraktion durch Approximation der velopharyngealen Wandstrukturen erfolgt. Der dabei erzeugte Verschlussdruck, der vom Gaumensegel und von den Pharynxseitenwänden gebildet wird, muss dem aufgebauten Phonationsluftdruck standhalten. Für den Druckverlauf im Velopharynx bei einer gehaltenen Vokalrealisation wurde von uns ein dreiphasiges Modell postuliert, das einen anfänglichen Druckaufbau, eine stabile Phase und einen finalen Druckabfall beinhaltet. Zur Prüfung dieser Hypothese wurden bei gesunden Probanden phonationsinduzierte Druckveränderungen im VPA bei Vokalrealisation gemessen. Das Modell soll erläutert und Vor- und Nachteile auch anhand anderer Sprachlaute evaluiert werden.

Material und Methoden

Es wurden hochauflösungsmanometrische Messungen des VPA bei gehaltener Phonation des Vokals /i:/ an 8 Probanden durchgeführt. Die individuellen Druckverläufe wurden verglichen, die Reproduzierbarkeit der Messungen geprüft und Regelmäßigkeiten anhand eines Modells dargestellt. Zusätzlich wurden auch die Druckverläufe bei Plosiven, Frikativen und Nasalen untersucht. Die Messungen erfolgten mit einem Hochauflösungsmanometriesystem, das üblicherweise für Schluckuntersuchungen eingesetzt wird. Dabei wurde eine Messsonde (Sondendurchmesser 2 mm, unidirektional messende Druckaufnehmer) transnasal vorgeschoben und bis in den oberen Ösophagus eingeschluckt, so dass auch die Velopharynxregion zur Darstellung kam. Die Realisation der Phonationsaufgaben erfolgte bei einer Sprechlautstärke von 70 dB(A). Als Messgröße diente der aufgebaute Druck bzw. der Druckverlauf im VPA.

Ergebnisse

Während beim Vokal /i:/ eine gute intraindividuelle Reproduzierbarkeit der gemessenen Druckwerte bei allen Sprechern bestand, lag eine große interindividuelle Schwankungsbreite vor. Bei allen Probanden war aber mit einsetzender Phonation ein initialer Druckanstieg im VPA zu verzeichnen, der während der gehaltenen Phonation in eine stabile Phase überging und zum Ende der Phonation wieder den Ausgangswert einnahm. Ähnliche Verläufe waren auch bei Frikativen und bei Plosiven zu beobachten. Bei Nasalen ließ sich kein relevanter Druckanstieg im VPA messen.

Diskussion

Bei hochauflösungsmanometrischen Schluckuntersuchungen hatte sich gezeigt, dass im Velopharynx auch phonationsbedingte Druckänderungen zu messen sind. Es wurden daraufhin systematische Untersuchungen zum velopharyngealen Druckverlauf bei der gehaltenen Phonation des Vokals /i:/ durchgeführt, weil für die Realisation dieses Vokals ein vollständiger VPA notwendig ist. Anhand der Druckverläufe ließ sich ein dreiphasiges Modell bestehend aus einer Initiierungsphase, einer stabilen Phase und einer Terminierungsphase definieren (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Das Modell konnte bei allen Probanden trotz interindividueller Variationsbreite des Druckverlaufs regelhaft identifiziert werden. Da sich aber z.B. bei intendierter forcierter Initiation des Vokals ein steiler initialer Druckanstieg gezeigt hat, wäre abhängig vom Phonationseinsatz und -absatz eine weitere Differenzierung des Modells denkbar, so dass eine noch genauere Charakterisierung des Druckverlaufs im VPA ermöglicht wird.

Erste Untersuchungen deuten außerdem darauf hin, dass die Hochauflösungsmanometrie des VPA auch auf andere Lautklassen wie z.B. Frikative oder Plosive anwendbar ist. Bei der Realisation von Nasalen sind dagegen erwartungsgemäß keine relevanten Druckanstiege in der Velopharynxregion zu verzeichnen, weil bei der Bildung dieser Laute eine Nutzung des nasalen Resonanzraums notwendig ist und kein vollständiger VPA erfolgen darf.

Die Untersuchungsmethode sowie das Modell bieten zusätzlich die Möglichkeit für weitergehende Untersuchungen des VPA z.B. bezüglich der Tonusregulierung in Abhängigkeit von der Phonationslautstärke oder der Diagnostik von velopharyngealen Insuffizienzen.

Fazit

Mit Hilfe der ursprünglich für Schluckuntersuchungen des oberen Ösophagussphinkters entwickelten Hochauflösungsmanometrie lassen sich auch im velopharyngealen Abschluss Druckveränderungen bei der Phonation darstellen. Für die gehaltene Phonation kann ein dreiphasiges Modell bestehend aus einer Initiierungsphase, einer stabilen Phase und einer Terminierungsphase beschrieben werden. Auch andere Lautklassen, bei denen ein VPA notwendig ist, können hochauflösungsmanometrisch untersucht werden. Die differenzierte Untersuchung des velopharyngealen Druckverlaufs kann zu einem besseren Verständnis der Funktion des VPA bei Phonation und zur Ursache von Rhinophonien beitragen.


Literatur

1.
Meyer S, Jungheim M, Ptok M. Ultra-Hochauflösungsmanometrie des oberen Ösophagussphinkters. HNO. 2012;60:318–26. DOI: 10.1007/s00106-011-2418-5 External link
2.
Jungheim M, Miller S, Ptok M. Methodologische Aspekte zur Hochauflösungsmanometrie des Pharynx und des oberen Ösophagussphinkters. Laryngo-Rhino-Otol. 2013;92:158–64. DOI: 10.1055/s-0032-1330032 External link
3.
Jungheim M, Miller S, Kühn D, Ptok M. Hochauflösungsmanometrie-basierte Phaseneinteilung des velopharyngealen Abschlusses bei Phonation. Laryngo-Rhino-Otol. DOI: 10.1055/s-0033-1349083 External link