gms | German Medical Science

30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Auditive Aufmerksamkeit versus Auditive Wahrnehmung bei Kindern mit SEV/SES/Artikulationsstörungen

Vortrag

Search Medline for

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV8

doi: 10.3205/13dgpp16, urn:nbn:de:0183-13dgpp167

Published: September 5, 2013

© 2013 Stuhrmann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Hintergrund: Nachdem Normierungswerte zu dem Untertest „Auditive Aufmerksamkeit“ aus dem „Heidelberger Vorschultest zur auditiven Wahrnehmung und Sprachverarbeitung“ jetzt vorliegen, wurde die Validierung an einer klinischen Stichprobe mit Vorschulkindern aus der Phoniatrie vorgenommen

Material und Methoden: Es wurden 51 Patienten aus der Ambulanz der Phoniatrie/Pädaudiologie im Alter von 5 bis 7 Jahren im Hinblick auf Zusammenhänge von Aufmerksamkeit und auditiver Wahrnehmung geprüft. Für den Test zur auditiven Aufmerksamkeit aus dem HVS müssen die Kinder aus einem Zahlenstrang jeweils die „eins“ heraushören und markieren. Es handelt sich um eine Vigilanz-Aufgabe (auditive Daueraufmerksamkeit). Die Werte wurden mit den Untertests zur auditiven Wahrnehmung und Sprachverarbeitung aus dem HVS verglichen sowie mit den subjektiven Einschätzungen der Untersucherinnen. Weitere Korrelationen wurden zum Hören im Störschall sowie zum Sprachverständnistest TROG-D berechnet.

Ergebnisse: 51% der Vorschulkinder zeigten einen auffälligen Wert im Test zur auditiven Aufmerksamkeit. Wir fanden keinen Zusammenhang zur „Auditiven Merkspanne“, „Reime Erkennen“, „Silben Segmentieren“ „Phonematische Differenzierung“, auch keinen signf. Zusammenhang zum dichotischen Hören. Jedoch zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zum Hören im Störschall, zur subjektiven Einschätzung der Aufmerksamkeit durch die Untersucher, zu dem Untertest „Wortfamilien Erkennen“ aus dem HVS und zur sprachfreien Intelligenz.

Diskussion: Die auditive Aufmerksamkeit, wie sie im HVS geprüft wird, zeigt sich auch in der klinischen Population unabhängig vom auditiven Gedächtnis, der phonematischen Differenzierung und dem dichotischen Hören, Der kurze Untertest eignet sich somit gut, um Störungen der auditiven Aufmerksamkeit zusätzlich zu Störungen der auditiven Wahrnehmung zu diagnostizieren.


Text

Einleitung

Bei der Prüfung der auditiven Wahrnehmung und Sprachverarbeitung wird vorausgesetzt, dass die Kinder über eine längere Zeit hinweg ihre Aufmerksamkeit auf den auditiven Stimulus hin ausrichten. Können Kinder diese auditive Aufmerksamkeit nicht aufrecht halten, so müssen auffällige Werte in den Testverfahren anders interpretiert werden, z.B. wären schlechte Werte in der Lautdiskrimination nicht primär ein Ausdruck der auffälligen auditiven Diskrimination, sondern konfundiert mit einer Schwäche der auditiven Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund wird auch im Konsensus Papier der deutschen Gesellschaft für Phoniatrie gefordert, die auditive Aufmerksamkeit differentialdiagnostisch abzuklären. Dies war bis dato jedoch kaum möglich, da Tests zur Daueraufmerksamkeit kaum als auditive Tests vorliegen.

Mit dem Untertest „Einser Heraushören“ aus dem „Heidelberger Vorschulscreening zur auditiven Wahrnehmung und Sprachverarbeitung“ liegt ein Kurztest zur auditiven Aufmerksamkeit vor, welcher jetzt für das Vorschulalter normiert ist. Auch liegen erste Validierungswerte an der Normstichprobe vor.

Das Ziel dieser Untersuchung war, retrospektiv zu erfahren, wie viele Kinder im Vorschulalter, die zur Abklärung einer AVWS in die Ambulanz der Phoniatrie kamen, Auffälligkeiten in der auditiven Aufmerksamkeit zeigten. Weiterhin sollte geprüft werden, ob diese Werte bei einer Kontrolluntersuchung ein Jahr später sich verändert haben oder stabil geblieben sind und welche Zusammenhänge zu den einzelnen Untertests aus dem Heidelberger Vorschulscreening bestehen, bzw. zu anderen Tests der AVWS Diagnostik.

Methode

Es wurden die Daten von 51 Patienten zur Abklärung einer SEV/SES oder Artikulationsstörung aus der Ambulanz der Phoniatrie/Pädaudiologie im Alter von 5 bis 7 Jahren retrospektiv ausgewertet. Für den Test zur auditiven Aufmerksamkeit aus dem HVS müssen die Kinder aus einem Zahlenstrang jeweils die „eins“ heraushören und markieren. Es handelt sich um eine Vigilanz-Aufgabe (auditive Daueraufmerksamkeit). Die Werte wurden mit den Untertests zur auditiven Wahrnehmung und Sprachverarbeitung aus dem HVS verglichen sowie mit den Untersuchungsergebnissen zum dichotischen Hören und dem Hören im Störgeräusch, Auch wurden sie mit den subjektiven Einschätzungen der Untersucherinnen korreliert. Zusätzlich prüften wir die Retest- Reliabilität ein Jahr später.

Ergebnisse

51% der Vorschulkinder zeigten einen auffälligen Wert im Test zur auditiven Aufmerksamkeit. Wir fanden keinen Zusammenhang zur „Auditiven Merkspanne“, „Phonematische Differenzierung“ aus dem Heidelberger Vorschulscreening, auch keinen signifikanten Zusammenhang zum dichotischen Hören. Jedoch zeigte sich eine deutliche Korrelation zum Hören im Störschall (r=0,307, p=0,05), zur subjektiven Einschätzung der Aufmerksamkeit durch die Untersucher (r=0,374, p=0,008) und zu dem Untertest „Wortfamilien Erkennen“ aus dem HVS (r=0,0453, p=0,001).

Die Re-Test-Reliabilität weist mit r=0,994 eine sehr hohe Signifikanz auf, d.h. die Werte der auditiven Aufmerksamkeit veränderten sich nach einem Jahr kaum.

Schlussfolgerung

Die auditive Aufmerksamkeit, wie sie im HVS mit dem Untertest „Einser Heraushören“ geprüft wird, erwies sich in unserer Untersuchung (SEV/SES, Artikulationsstörungen) im Durchschnitt unabhängig sowohl von dem auditiven Gedächtnis, von der phonematischen Differenzierung als auch von dem dichotischen Hören. Hieraus folgt, dass die Auditive Aufmerksamkeit eine isolierte Variable darstellt. Erstaunlicherweise zeigten 51% der untersuchten Kinder darin auffällige Werte. Der kurze Untertest „Einser Heraushören“ aus dem HVS eignet sich somit gut, um isoliert Störungen der auditiven Aufmerksamkeit zu erfassen. Es wäre in einer weiteren Studie zu prüfen, ob Kinder mit Störungen in beiden Bereichen (Auditiven Aufmerksamkeit versus Auditiven Wahrnehmung) von einer Mikroport Anlage möglicherweise profitieren könnten.

Eine Erweiterung des Tests mit Normierung für das Schulalter ist vorgesehen


Literatur

1.
Brunner M, Pfeiffer B, Heinrich C, Proschel U. Entwicklung und Erprobung des Heidelberger Vorschulscreenings zur auditiven Wahrnehmung und Sprachverarbeitung (HVS) [Development and testing of the Heidelberg preschool screening for auditory perception and speech processing (HVS)]. Folia Phoniatr Logop. 2005 Jan-Feb;57(1):48-58. DOI: 10.1159/000081961 External link
2.
Brunner M, Pfeiffer B, Schlüter K, Steller F, Möhring L, Heinrich I, Pröschel U. Heidelberger Vorschulscreening zur auditiv-kinästhetischen Wahrnehmung und Sprachverarbeitung, (HVS). CD-Rom und Testhandbuch zur Testanweisung und Auswertung. Wertingen: Westra Elektroakustik GmbH; 2001.
3.
Starzacher E. Untersuchung modalitätsspezifischer Aufmerksamkeit bei gesunden Kindern und bei Kindern mit auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung mittels des Continuous Attention Performance Tests [Inaugural-Dissertation]. Berlin: Charite – Universitätsmedizin Berlin; 2006.
4.
Schönweiler R, Nickisch A, am Zehnhoff-Dinnesen A, . Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen--Vorschlag für Behandlung und Management bei AVWS: Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. HNO. 2012 Apr;60(4):359-68. DOI: 10.1007/s00106-011-2412-y External link