gms | German Medical Science

27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Funktionelle Anatomie des Larynx

Vortrag

Search Medline for

  • corresponding author presenting/speaker Andreas Prescher - Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie der RWTH Aachen, Prosektur, Aachen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppR04

doi: 10.3205/10dgpp81, urn:nbn:de:0183-10dgpp814

Published: August 31, 2010

© 2010 Prescher.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Der menschliche Kehlkopf ist durch seine physiologische Doppelfunktion als Pförtner der unteren Luftwege und als Phonationsorgan gekennzeichnet. Dabei ist die Pförtnerfunktion, die im Dienste der Respiration steht, die phylogenetisch alte, ursprüngliche Funktion und die Phonationsfunktion die phylogenetisch junge, neu erworbene. Nicht bei allen Lebewesen sind diese beiden Funktionen in einem Organ zusammengefasst: bei Vögeln sind beide Funktionen immer noch getrennt und werden von zwei unterschiedlichen Organen wahrgenommen: dem Larynx, der nur einen sphinkterähnlichen Verschlussmechanismus darstellt und der Syrinx, die das eigentliche Phonationsorgan im Bereich der Trachealbifurkation bildet.

Das Kehlkopfskelett

Das Grundgerüst des menschlichen Kehlkopfes wird aus 5 Kehlkopfknorpeln oder Knochen aufgebaut (Abbildung 1 [Abb. 1]): die Cartilago cricoidea und die Cartilago thyroidea bestehen komplett aus hyalinem Knorpel, während die Cartilago epiglottica vollständig aus elastischem Knorpel gebildet wird, daher gelblich erscheint und nie ossifiziert. Die paarige Cartilago arytaenoidea, der Gießbecken- oder Stellknorpel, nimmt hingegen eine Mittelstellung ein. Das Hauptstück wird aus hyalinem Knorpel gebildet, an das dann Fortsätze aus elastischem Knorpel angesetzt sind. Zum Kehlkopfskelett gehört auch noch das Os hyoideum (Abbildung 1 [Abb. 1]), das in der Embryonalzeit kontinuierlich mit dem Schildknorpel verbunden ist.

Cartilago thyroidea

Die Cartilago thyroidea weist zwei Laminae auf, die ventral in der kielförmigen Prominentia laryngis zusammenstoßen. Ein besonders prominenter, kranial gelegener Abschnitt, wird beim Manne als Pomum Adami, als Adamsapfel, bezeichnet. Oben befindet sich die tiefe Incisura thyroidea superior, die als anatomische Landmarke bedeutsam ist. In der anatomischen Nomenklatur wird ein ähnlicher Ausschnitt, die Incisura thyroidea inferior, auch für den Unterrand aufgeführt und abgebildet. Dieser Einschnitt ist jedoch, wenn es ihn überhaupt gibt, ausgesprochen selten und geht wohl auf einen Fehler Andreas Vesals zurück, der ihn erstmals in seiner „Fabrica“ 1543 abgebildet und bezeichnet hat. Da die Incisura thyroidea inferior bei Tieren jedoch vorkommt, haben wir hier einen weiteren Beweis, dass auch bei Vesal noch anthropotomische und zootomische Erkenntnisse vermischt werden.

Am hinteren Rand des Schildknorpels erstreckt sich ein längeres Cornu superius nach kranial und ein kürzeres Cornu inferius nach kaudal. Das untere Horn trägt an seiner Innenseite eine kleine Gelenkfacette, die Facies articularis cricoidea. Auf der Außenseite des Schildknorpels liegt die schräg verlaufende Linea obliqua, die kranial in einem Tuberculum thyroideum superius und kaudal in einem Tuberculum thyroideum inferius ausläuft. Die Cartilago thyroidea zeigt eine gesetzmäßige und geschlechtsdimorphe Ossifikation, so dass sie in der forensischen Medizin und der Anthropologie für die Geschlechts- und Altersbestimmung von Skelettfunden herangezogen werden kann. Grob skizziert kann man sagen, dass die Ossifikation beim Manne vom hinteren Rande kommend nach ventral fortschreitet und dabei einen nach kranial gerichteten Knochenzapfen ausbildet. Dieser Zapfen trennt zwei Bereiche voneinander, in denen dauerhaft Knorpel persistiert. Man spricht von einem vorderen und einem hinteren Fenster. Bei der Frau schreitet die Ossifikationsfront flächenhaft nach ventral fort, so dass es nicht zur Ausbildung dieser Fenster kommt. Auch verknöchert der weibliche Kehlkopf eigentlich nie komplett. Die beiden Laminae des Schildknorpels bilden bei der Frau einen stumpfen Winkel von ca. 120° und beim Manne einen spitzen Winkel von ca. 70–90° (Abbildung 2 [Abb. 2]). Häufig kommen Asymmetrien oder Eindellungen vor.

Cartilago cricoidea

An der Cartilago cricoidea wird die nach dorsal gerichtete Lamina und der nach ventral orientierte Arcus beschrieben. Die Lamina cartilaginis cricoideae trägt auf jeder Seite eine rundlich-ovale, oft etwas erhabene Facies articularis thyroidea und eine bananenförmige, von ventral nach dorsal ansteigende Facies articularis arytaenoidea. Die kaudalen Partien des Krikoids sind immer unvollständig ossifiziert. Ohne auf einzelne Maße einzugehen, kann man sagen, dass der männliche Ringknorpel größer ist als der weibliche.

Cartilago arytaenoidea

Die Cartilago arytaenoidea, die Gießkanne der alten Anatomen, stellt ein kompliziertes, pyramidenförmiges Gebilde dar. Zur Seite erstreckt sich der kurze, kräftige Processus muscularis und nach ventral der aus elastischem Knorpel bestehende Processus vocalis (Abbildung 3 [Abb. 3]). Die Unterseite des Processus muscularis trägt die gut ausgebildete Facies articularis cricoidea. Die Ventralseite der Cartilago arytaenoidea wird durch eine schräg verlaufende Leiste, die Crista arcuata, in eine obere Fovea triangularis und eine untere Fovea oblonga unterteilt. Die Fovea triangularis dient der Insertion des Lig. ventriculare, die Fovea oblonga der Insertion des M. vocalis. Der Cartilago arytaenoidea sitzt ein spitzes, nach dorsal umgebogenes, aus elastischem Knorpel bestehendes Element auf, das als Cartilago corniculata Santorini bezeichnet wird und für die Ausbildung des „Aryhöckers“ verantwortlich ist. Dieser Hörnchenknorpel ist meistens durch eine Syndesmose, manchmal unter Zwischenschaltung eines kleinen Diskus, mit dem eigentlichen Arytaenoid verbunden (Abbildung 3 [Abb. 3]). Nach ventral erstreckt sich der aus elastischem Knorpel bestehende Processus vocalis. Es muss daraufhingewiesen werden, dass dieser Fortsatz an keiner Stelle mit Muskulatur in Verbindung steht. Das bis jetzt besprochene Grundgerüst des Kehlkopfes wird durch verschiedene, sog. akzessorische Kehlkopfknorpel ergänzt. Diese akzessorischen Elemente sind teilweise obligatorische und teilweise fakultative Kehlkopfbestandteile.

Kehlkopfgelenke

Zwischen den besprochenen Bestandteilen des Kehlkopfskeletts kommen funktionell außerordentlich wichtige Gelenke vor, und zwar befindet sich auf jeder Seite eine Articulatio cricothyroidea und eine Articulatio cricoarytaenoidea. Die beiden Artt. cricothyroideae bilden eine funktionelle Art. bicondylaris.

Articulatio cricothyroidea

Bei diesem Gelenk, dem sog. Spanngelenk, handelt es sich um ein planes Gelenk, dass prinzipiell Rotations- und Verschiebebewegungen zulässt. Tatsächlich können aber nur Rotationsbewegungen um eine schräg-horizontale Achse durchgeführt werden, da die Verschiebebewegungen durch einen kräftigen, dorsalen Bandapparat verhindert werden (Abbildung 4 [Abb. 4]). Will man die Bewegungen in diesem Gelenk näher analysieren, so ist die Festlegung des Punctum fixum und des Punctum mobile von entscheidender Bedeutung. Praktisch heißt dies: wird der Schildknorpel gegen den Ringknorpel oder wird der Ringknorpel gegen den Schildknorpel gekippt (Abbildung 5 [Abb. 5])? Durch direkte elektrische Reizung des M. cricothyroideus konnte Karl Mündnich bereits 1956 den Nachweis erbringen, dass der Schildknorpel eindeutig das Punctum fixum darstellt, während der Ringknorpel bewegt wird. Leider wird der Sachverhalt heute immer noch falsch dargestellt, insbesondere im anatomischen Schrifttum.

Welche Muskeln wirken jetzt auf das Kriko-Thyroidgelenk? Im Wesentlichen müssen zwei Muskel genannt werden: der M. cricothyroideus (sog. Anticus) und der M. sternothyroideus. Beim M. cricothyroideus handelt es sich um einen Muskel, der in eine oberflächliche und eine tiefe Schicht, als Pars externa und Pars interna bezeichnet, zerfällt. Die Pars externa wird seit Henle (1866) in eine vordere Pars recta und eine hintere Pars obliqua unterteilt, wobei die Grenze am Tuberculum thyroideum inf. liegt (Abbildung 6a [Abb. 6]). Die Zweiteilung muss nicht immer ausgebildet sein, hin und wieder können auch einheitliche oder dreigeteilte Muskeln, dann mit einer Pars intermedia (Abbildung 6a [Abb. 6]), festgestellt werden. Der kurze, aber sehr starke M. cricothyroideus entspringt dicht neben der Mittellinie vom Bogen des Ringknorpels und inseriert am kaudalen Rand und dem Cornu inferius des Schildknorpels. Die beiderseitigen Muskeln konvergieren mit ihren medialen Rändern kaudalwärts und begrenzen ein Feld, in dem das Lig. conoideum sichtbar wird (Abbildung 6b [Abb. 6]). Da beim Kinde die Breitenausdehunug des Larynx noch nicht abgeschlossen ist, ist dieser Raum besonders schmal, was die Coniotomie erschwert. Aus den anatomischen Gegebenheiten heraus lässt sich die Funktion des M. cricothyroideus problemlos ableiten: Der Muskel benutzt den Ringknorpelbogen als Hebel und kippt damit die Ringknorpelplatte mit den aufsitzenden Stellknorpeln nach dorsal. Dadurch vergrößert er den Abstand zwischen den Processus vocales und dem Schildknorpelwinkel, woraus eine Spannung des Labium vocale resultiert. Dies erklärt die Bezeichnung „äußerer Spannmuskel“. Die Rückkehr zur Ruhelage wird allein durch elastische Kräfte (z.B. durch die gedehnten elastischen Elemente der Trachea und durch den Conus elasticus) bewirkt. Der M. cricothyroideus wird vom R. externus des N. laryngeus sup. versorgt. Als nächster Muskel muss der M. sternothyroideus erwähnt werden: zwischen dem Tuberculum superius und dem Tuberculum inferius des Schildknorpels spannt sich ein konstanter Sehnenbogen aus. Der von der Rückseite des Manubrium sterni entspringende M. sternothyroideus inseriert mit seinen lateralen Anteilen am Tuberculum superius, mit seinen intermediären an diesem Sehnenbogen und mit seinen medialen am Tuberculum inferius. Der Muskel inseriert nicht, wie meistens in den Lehrbüchern beschrieben, an der Linea obliqua. Von der Linea obliqua entspringt jedoch der M. thyrohyoideus und Cruveilhier sagt sehr zutreffend, dass der Thyrohyoideus an seinem Ursprung vom Sternothyroideus „umarmt“ wird. Welche Funktion kann dem Muskel jetzt in Bezug auf den Larynx zugeordnet werden? Auf jeden Fall übt er einen Kaudalzug auf den Larynx aus. Wenn das Thyroid als Punctum fixum gesehen wird, wie es heutiger Kenntnisstand ist, dient die gesamte infrahyale Muskulatur, also auch der Sternothyroideus, der Fixation des Schildknorpels und der Sicherung des Punctum fixum. Der Ausfall des Sternothyroideus (z.B. nach Strumektomie) bewirkt einen Verlust des Punctum fixum und dadurch eine Störung in der Funktion des Krikothyroidgelenkes mit der Folge der Abnahme der Grobspannung der Stimmfalten und einer gestörten Feinabstimmung. In diesem Sinne besteht ein funktioneller Synergismus zwischen M. sternothyroideus und M. cricothyroideus.

Art. cricoarytaenoidea

Das Krikoarytaenoidgelenk kann von den geometrischen Verhältnissen als Zylindergelenk mit drei Freiheitsgraden angesehen werden. Insbesondere ist eine Bewegung des Stellknorpels nach vorne und hinten und eine Seitwärtsbewegung auf der bananenförmigen, von ventral nach dorsal ansteigenden Gelenkfläche möglich. Diese Bewegungen laufen mit vollständigem Gelenkflächenschluss ab. Bei Aufhebung des Gelenkflächenschlusses ist noch eine Rotation um eine vertikale Achse möglich. Die große Mobilität im Krikoarytaenoidgelenk ist für die Einstellung der Processus vocales und damit der Stimmlippen entscheidend. Die beachtliche Bewegungsfreiheit wird durch die weite, schlaffe Gelenkkapsel ermöglicht. Ein Verstärkungsband dieser Kapsel, das gut darstellbare Lig. cricoarytaenoideum posterius (Abbildung 7 [Abb. 7]), muss noch etwas genauer besprochen werden: der Bandzug geht fächerförmig von der Ringknorpelplatte aus und strahlt in das Perichondrium der Dorsomedialfläche des Arytaenoids ein. Durch diesen Bandzug wird der Stellknorpel wie an einem Zügel geführt und fast alle Bewegungen werden gebremst. Nur die Medialverschiebung des Stellknorpels erfährt keine Einschränkung. Auf das Krikoarytaenoidgelenk wirken die Muskeln der Tabelle 1 [Tab. 1]: der M. cricoarytaenoideus posterior (sog. Posticus) schwenkt den Proc. vocalis nach außen und ist somit der einzige Öffner der Stimmritze. Die Mm. arytaenoideus transversus und obliquus führen die Stellknorpel zusammen und verschließen dadurch die Pars intercartilaginea der Stimmritze. Der M. cricoarytaenoideus lateralis zieht den Proc. muscularis nach innen und schließt dadurch die Pars intermembranacea, wobei das Flüsterdreieck geöffnet bleibt. Die Mm. thyroarytaenoidei externi umgreifen sphinkterartig den oberen Teil des Conus elasticus und verengen bei der Phonation die Stimmritze. Die mediale Partie des M. thyroarytaenoideus bildet den M. vocalis (s. M. thyroarytaenoideus internus).

Die Kehlkopfgelenke können, wie alle Gelenke luxieren, was zu erheblichen, u.U. nicht behebbaren funktionellen Störungen führen kann. Zwei Luxationsmöglichkeiten werden unterschieden: der Modus Quick (nach dorsal) und der Modus Schultz-Coulon (nach ventral).

Labium vocale

Im Binnenraum des Larynx fallen zwei wulstartige Strukturen auf (Abbildung 8a [Abb. 8]), die als Plica vestibularis (s. ventricularis, Taschenfalte) und als Labium vocale (Stimmlippe) bezeichnet werden, wobei an dieser Stelle noch ein nomenklatorisches Problem geklärt werden muss: verschiedene Autoren verstehen unter Stimmband nur den oberen Rand des Conus elasticus, wohingegen andere der Meinung sind, dass dieser Begriff den gesamten, im Frontalschnitt dreieckigen, Körper bezeichnet. Diese nomenklatorische Differenz hat zu vielen Missverständnissen und Polemiken Anlass gegeben. Heute sollten die von Curt Elze gegebenen Definitionen verwendet werden. Als Stimmband (Lig. vocale) wird der obere Rand des Conus elasticus bezeichnet. Den gegen das Lumen vorspringenden Wulst nennt Elze Stimmlippe (Labium vocale) und den zugeschärften Rand Stimmfalte (Plica vocalis).

Die Plica vestibularis (s. ventricularis) (Abbildung 8a [Abb. 8]) ist muskelfrei und enthält ausgedehnte Pakete mukoseröser Drüsen. Das bindegewebige Skelett der Plica vestibularis (s. ventricularis) wird vom unteren Rand der Lamina quadrangularis, dem Lig. ventriculare, gebildet. Darunter liegt der Eingang in den Ventriculus laryngis Morgagni (Abbildung 8a [Abb. 8]), der der Freistellung des Labium vocale dient, und darunter das Labium vocale (Abbildung 8a [Abb. 8]). Selten, in ca. 1%, findet sich eine Rinnenbildung im Labium vocale, die als Sulcus vocalis s. glottidis bezeichnet wird.

Die vier Schichten des Labium vocale werden an einem Frontalschnitt deutlich (Abbildung 8 [Abb. 8]): 1. mehrschichtiges nicht verhornendes Plattenepithel, 2. Reinkescher Raum, 3. Lig. vocale und 4. M. vocalis. Das funktionell durch die mechanische Belastung begründete Plattenepithel geht an der Oberseite an der Linea arcuata superior, der Unterseite an der Linea arcuata inferior in Flimmerepithel über. An der kranialen Stimmlippenfläche liegen 2–3 Zellschichten, an der Unterseite jedoch 10–20. Die Zellen sämtlicher Schichten sind durch kontraktile Interzellularbrücken miteinander verbunden. Dadurch bildet das Epithel eine elastische Platte, die bei Spannungsänderungen der Stimmlippe immer glatt bleibt und keine Falten wirft. An das Epithel schließt sich der sog. Reinkesche Raum an. Die Bezeichnung geht auf zwei Arbeiten Friedrich Reinkes in den Jahren 1895 und 1897 in Rostock zurück. Es handelt sich um ein lockeres Bindegewebe, das sehr viele elastische Faserelemente, enthält. Im histologischen Schnitt hebt sich der Reinkesche Raum durch die immer wieder auftretenden artifiziellen Spalträume deutlich gegen das darunter gelegene Lig. vocale ab. Es ist wichtig, dass der Reinkesche Raum gar kein eigentlicher Raum ist, sondern eine spezielle Gewebeformation. Diese Formation reicht kranial bis an die Linea arcuata superior und kaudal bis an die Linea arcuata inferior. Reinke verglich dieses Gewebe mit einer Art Sehnenscheide für das Lig. vocale und interpretierte die artefiziellen Spalträume als Lymphräume fehl. Aus diesem Grunde hat sich der Begriff „Reinkescher Raum“ in der allgemeinen Sprachweise eingebürgert, obwohl man besser von einer Reinkeschen Schicht sprechen würde. Die Reinkesche Schicht ist funktionell außerordentlich bedeutsam, da sie die Verschiebbarkeit des Epithels und damit die Randkantenverschiebung, gewährleistet und der Bernoulli-Effekt zum Verschluss der Stimmritze nur bei intakter Reinke-Schicht richtig wirksam werden kann. An die Reinkesche Schicht schließt sich das Lig. vocale an, das in seinem vorderen Abschnitt den Nodulus elasticus (Gerhardtscher Knorpel) enthält, der als Macula flava durch die Schleimhaut scheint. Auf das Lig. vocale folgt der M. vocalis. Zur Architektur dieses Muskels gibt es im Wesentlichen zwei Ansichten: die von Kurt Goerttler 1951 inaugurierte und heute von der Mehrzahl der Autoren abgelehnte Ansicht und das klassische parallelfaserige Konzept. Nach der Goerttlerschen Ansicht besteht der M. vocalis aus zwei eigenständigen Muskeln, dem dorsalen M. aryvocalis Ludwigi und dem ventralen M. thyreovocalis. Diese Muskeln überkreuzen sich und inserieren im Lig. vocale. Die Anordnung der Muskeln ergibt nach Goerttler folgende Funktion: 1. Erweiterung der Stimmritze, Hebung und Senkung des Labium vocale. Dieser Ansicht steht das klassische parallelfaserige Konzept gegenüber, wonach der M. vocalis aus einer Portio thyreovocalis und einer Portio thyreomuscularis besteht. Bei der Abduktion liegt die Portio thyreovocalis über der Portio thyreomuscularis. Bei der Adduktion schwingt der Processus vocalis nach innen und die beiden Stimmbandmuskeln überkreuzen sich. Es kommt quasi zu einer Torquierung. Nach dieser Ansicht erfolgt keine Insertion der Muskelfasern am Lig. vocale. Wenn heute das Goerttlersche Konzept als Fehlinterpretation von Schräganschnitten verworfen wird, so bleibt es doch Goerttlers Verdienst, auf einige histologische Besonderheiten im M. vocalis aufmerksam gemacht zu haben, deren funktionelle und entwicklungsgeschichtliche Bedeutung augenblicklich noch völlig im Dunkeln liegt. Im M. vocalis kommen verzweigte Muskelzellen vor, die sonst fast nur noch im Herzmuskel zu finden sind. Es kommen fingerförmig gefiederte Muskelzellen vor, die in Sehnengewebe übergehen. Es werden eigentümliche, schlecht färbbare, dünne und sehr kernreiche Muskelfasern gefunden und im Bereich der Aryknorpel und auch der Mm. interarytaenoidei kommen Venen vor, die quergestreifte Muskelfasern in ihrer Adventitia und Muskularis enthalten. Diese histologischen Besonderheiten veranlassten Goerttler die Vokalismuskulatur in die Nähe der Herzmuskulatur zu stellen.