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Ergebnisse der simultan bilateralen CI-Versorgung im Säuglings- und Kleinkindalter
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Published: | August 31, 2010 |
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Zusammenfassung
Hintergrund: Durch das Neugeborenenhörscreening mit zeitnah initiierter pädaudiologischer Konfirmationsdiagnostik bestehen verbesserte Möglichkeiten einer frühzeitigen bilateralen CI-Versorgung prälingual ertaubter Kinder mit dem Ziel der optimalen Hörsprachrehabilitation.
Material und Methoden: In einer prospektiven Untersuchung wurden die operativen Ergebnisse und die Sprachentwicklung von 10 in den Jahren 2006 und 2007 am Universitätsklinikum Dresden simultan bilateral CI-versorgten Kindern untersucht. Das mittlere Patientenalter zum Op-Zeitpunkt lag bei 1 Jahr und 7 Monaten (Minimum 8 Monate, Maximum 30 Monate). Die Evaluation der Hörsprachentwicklung erfolgte anhand von Elternfragebögen (ELFRA I, ELFRA II), Sprachentwicklungstests (SETK 2, SETK 3–5) sowie sprachaudiometrischen Untersuchungen (Mainzer).
Ergebnisse: Die simultan bilaterale CI-Versorgung im Säuglings- und Kleinkindalter ist in der untersuchten Patientengruppe operativ als sicheres Verfahren einzuschätzen. Trotz individueller Unterschiede belegen die Untersuchungen der Hörsprachentwicklung eine effektive Hörsprachrehabilitation nach simultan bilateraler CI-Versorgung.
Diskussion: Bei adäquater pädaudiologischer Diagnostik mit Sicherung einer beidseitigen an Taubheit grenzenden Hörstörung ist ein simultan binaurales Vorgehen zu präferieren, da durch die einzeitige Intervention eine Unterbrechung des Rehabilitationsverlaufes durch eine erneute Operation vermieden wird und damit verbesserte Voraussetzungen für einen Rehabilitationserforlg geschaffen werden.
Text
Einleitung
Durch das Neugeborenenhörscreening (NHS) mit zeitnah initiierter pädaudiologischer Konfirmationsdiagnostik bestehen verbesserte Möglichkeiten, prälingual ertaubte Kinder zu erkennen und einer frühzeitigen bilateralen CI-Versorgung mit dem Ziel einer effektiven Hör-Sprachrehabilitation zuzuführen. Zeitpunkt der Erstimplantation und binauraler Versorgungsweg sind wesentliche Kriterien für eine optimale Entwicklung der kommunikativen Fähigkeiten und der binauralen Wahrnehmung, wobei letzteres für das Sprachverständnis im Störgeräusch und die Differenzierung des Richtungshörens von besonderer Bedeutung ist [1], [2], [3]. Im Säuglings- und Kleinkindalter wurde ein simultanes Vorgehen bei angestrebter binauraler Cochlea-Implantat Versorgung in der Vergangenheit häufig zugunsten eines zweizeitigen Vorgehens zurückgestellt.
Material und Methode
In einer prospektiven Untersuchung wurden die operativen Ergebnisse sowie die Sprachentwicklung von 10 in den Jahren 2006–2007 an der HNO-Universitätsklinik Dresden simultan bilateral CI-versorgten Kindern untersucht. Präoperativ hatten alle Kinder einen mehrmonatigen Trageversuch mit konventionellen Hörsystemen erhalten und eine Frühförderung erfahren. Von den 10 operativ versorgten Kindern waren 8 männlich und 2 weiblich, wobei die Implantattypen MED-EL Pulsar (n=5), Cochlear N 24RE(CA) (n=3) sowie MED-EL Sonata (n=2) eingesetzt wurden. An die Operation schloss sich bei jedem Kind eine bis zu dreijährige Nachbeobachtung im Rahmen des interdisziplinären Rehabilitationsprogrammes am Sächsischen Cochlear Implant Centrum Dresden an, in der in regelmäßigen Abständen eine Evaluation der Hör-Sprachentwicklung erfolgte.
Die Evaluation der Hör-Sprachentwicklung erfolgte anhand von Elternfragebögen (ELFRA I, ELFRA II), Sprachentwicklungstests (SETK 2, SETK 3–5) sowie sprachaudiometrischen Untersuchungen (Mainzer Sprachtest I und II bzw. Göttinger Sprachtest). Als Testzeitpunkte wurden die Erstanpassung nach Implantation sowie 6, 12, 18, 24 und 36 Monate nach Erstanpassung festgelegt. Alle Kinder wurden unabhängig vom Lebensalter zunächst mit dem ELFRA I getestet. Wurde im Entwicklungsverlauf der Normbereich erreicht, erfolgte eine Fortsetzung der Testung mit dem ELFRA II. Der SETK 2 wurde frühestens 18 Monate und der SETK 3–5 frühestens 24 Monate nach Erstanpassung angewendet. Sprachaudiometrische Untersuchungen erfolgten nach 6, 12, 24 und 36 Monaten.
Ergebnisse
Für alle in den Jahren 2006 und 2007 an der HNO-Universitätsklinik Dresden für eine simultan bilaterale CI-Versorgung vorgesehenen Kinder konnte der intendierte simultane Versorgungsweg realisiert werden, wobei sich auch keine Einschränkungen für die im ersten Lebensjahr operierten Kinder darstellten. Das mittlere Patientenalter zum OP-Zeitpunkt lag bei 19 Lebensmonaten (Minimum 8 Monate, Maximum 30 Monate) (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die mittlere Operationsdauer der Untersuchungsgruppe lag unter 4 h. Ein postoperativer ITS-Aufenthalt war bei keinem Patienten notwendig, es traten keine relevanten intraoperativen Komplikationen auf.
Die Evaluation der Hör-Sprachentwicklung zeigte bei Auswertung der initialen ELFRA-I-Ergebnisse, dass keines der simultan bilateral CI-versorgten Kinder bei Ersttestung (Zeitpunkt der Erstanpassung) den kritischen Bereich überschritt, nach 6 Monaten Hörerfahrung mit CI bereits 5 Kinder und nach 12 Monaten Hörerfahrung mit CI alle Kinder außerhalb des kritischen Bereiches lagen. Im ELFRA II erreichten 8 Kinder im Untersuchungszeitraum den Normbereich. Anhand der sprachaudiometrischen Untersuchungen konnten bei 5 Kindern nach 24 Monaten Hörerfahrung mit CI ein 80–100%iges Einsilberverständnis bei 65 dB bzw. 80 dB aufgezeigt werden.
Diskussion
Die simultane bilaterale Cochlea Implantat Operation im Säuglings- und Kleinkindalter ist in der untersuchten Patientengruppe als sicheres und effektives Vorgehen einzuschätzen. Durch Etablierung des NHS mit frühzeitigem Hörgerätetrageversuch steht die Entscheidung einer Cochlea Implantation heute oft am Ende des ersten Lebensjahres an. Bei simultan bilateraler Cochlea Implantation werden optimale Voraussetzungen für die Hör-Sprachentwicklung der hörgeschädigten Kinder geschaffen, die auch die Versorgung des „besseren Ohres“ mit einbezieht. Weitere Vorteile dieses Vorgehens sind in der kürzeren Gesamtoperationszeit und der geringeren subjektiven Belastung bei einzeitigem Krankenhausaufenthalt zu sehen, wobei letzteres auch bessere psychische Voraussetzungen für die Initiierung der CI-Rehabilitation des Kindes schafft. Die frühzeitige operative Versorgung im ersten Lebensjahr ist aus chirurgischer Sicht realistisch, bedarf aber einer intensiven Elterninformation und -betreuung während der vorausgehenden Phase der pädaudiologischen Diagnostik und des Hörgerätetrageversuches.
Hinsichtlich der sprachlichen Entwicklungsverläufe bei Kindern nach CI-Versorgung ist eine große individuelle Variabilität charakteristisch. Anhand der Ergebnisse der Elternfragebögen, Sprachentwicklungstests sowie sprachaudiometrischen Untersuchungen stellt sich für unsere Untersuchungsgruppe eine effektive Hör-Sprachrehabilitation nach simultaner bilateraler CI-Versorgung dar. Das zur Dokumentation der frühen Hör-Sprachentwicklung nach CI-Versorgung genutzte Untersuchungsinventar ist unter modifizierten Anwendungskriterien als geeignetes Evaluationsinstrument zu bestätigen. Ein simultan binaurales Vorgehen ist auch aus rehabilitativer Sicht zu präferieren, da durch die einzeitige Intervention eine Unterbrechung des Rehabilitationsverlaufes durch eine erneute Operation vermieden wird und damit verbesserte Voraussetzungen für einen Rehabilitationserfolg geschaffen werden.
Literatur
- 1.
- Cosetti M, Roland JT. Cochlear implantation in the very young child: issues unique to the under-1 population. Trends Amplif. 2010;14:46-57. DOI: 10.1177/1084713810370039
- 2.
- Ramsden JD, Papsin BC, Leung R, James A, Gordon KA. Bilateral simultaneous cochlear implantation in children: our first 50 cases. Laryngoscope. 2009;119:2444-8. DOI: 10.1002/lary.20630
- 3.
- Eapen RJ, Buchman CA. Bilateral cochlear implantation: current concepts. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg. 2009;17:351-5. DOI: 10.1097/MOO.0b013e3283301702