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60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie

08. bis 10. Oktober 2020, Münster

Tiefe Handgelenksverletzung nach Unfall und Suizidversuch – und heilt die Zeit wirklich alle Wunden?

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Nico Matzkeit - Klinik für Plastische Chirurgie UKSH Lübeck, Lübeck, Germany
  • Annika Waldmann - Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Hamburg, Germany
  • Felix Stang - Klinik für Plastische Chirurgie UKSH Lübeck, Lübeck, Germany
  • Ulrich Schweiger - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Lübeck, Germany
  • Peter Mailänder - Klinik für Plastische Chirurgie UKSH Lübeck, Lübeck, Germany
  • Anna Westermair - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Lübeck, Germany
  • Tobias Kisch - Klinik für Plastische Chirurgie UKSH Lübeck, Lübeck, Germany

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie. 60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie. Münster, 08.-10.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dgh46

doi: 10.3205/20dgh46, urn:nbn:de:0183-20dgh462

Published: October 9, 2020

© 2020 Matzkeit et al.
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Text

Fragestellung: Weltweit sterben jährlich fast eine Million Menschen durch Suizid. Allein 5% der Suizide in Deutschland lassen sich auf scharfe Gegenstände zurückführen. Verletzungen im Bereich des distalen Unterarms und Handgelenks mit Beteiligung wichtiger Strukturen durch tiefe Schnittverletzungen stellen oft eine rekonstruktive Herausforderung dar, und auch die Nachbehandlung erfordert interdisziplinäre Kompetenzen.

Methodik: In der retrospektiven Studie konnten insgesamt 183 Patienten aus der Klinik für Plastische Chirurgie aus den Jahren 2008 bis 2016 eingeschlossen (22,4% weiblich, 77,6% männlich), und das Outcome von 51 Patienten (14 nach Suizidversuch und 37 nach Unfall) an Hand von Fragebögen und Nachuntersuchung analysiert werden.

Ergebnisse: Tiefe Handgelenksverletzungen als Unfallfolge entstehen besonders häufig an Wochenenden, wo hingegen sich die suizidalen Patienten eher wochentags um die Mittagszeit verletzten und im Gruppenvergleich deutlich später das Krankenhaus erreichen.

Bei Patienten nach Suizidversuch zeigte sich statistisch relevant häufiger die radiale Seite mit Häufung der Verletzung der A. radialis und des N. medianus betroffen. Im Gegensatz dazu zeigten sich Läsionen nach Unfällen häufiger ulnar.

Bei gruppenübergreifend durchschnittlich 4,3 verletzen Strukturen, wurde die A. ulnaris am häufigsten (35%) verletzt, gefolgt vom N.medianus und der Sehne des M. flexor carpi radialis (beide 33,9%).

Bei Patienten mit Nervenverletzung (jedoch nicht bei Patienten ohne) hatte die Dauer der Nachsorge signifikante Auswirkungen auf die Zweipunkt-Diskrimination, den Kraftgrad und das Ergebnis des Symptom Severity Scale.

Schlussfolgerung: Insgesamt lässt sich aus unseren Daten für den behandelnden Arzt in der Notaufnahme ableiten, dass Patienten nach Suizidversuch am distalen Unterarm und Handgelenk ein signifikant höheres Risiko für eine Verletzung des N. medianus haben. Die entsprechende operative Versorgung kann mit diesem Wissen gezielter eingeleitet werden.

Die Auswertung der Fragebögen zeigte ein signifikant schlechteres Outcome der Patienten nach Suizidversuch. Eine Verletzung des N. medianus scheint das Outcome zu determinieren, die Länge des Intervalls zwischen Verletzung und Nachuntersuchung scheint das funktionelle Ergebnis zu verbessern.

Das funktionelle Ergebnis von tiefen Handgelenksverletzungen mit Nervenbeteiligung kann sich auch nach Jahren noch verbessern. Diese Ergebnisse sollten bei der langfristigen Beurteilung von Nervenverletzungen insgesamt berücksichtigt werden.