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60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie

08. bis 10. Oktober 2020, Münster

Der Mythos der Spontanheilung bei iatrogenen frakturassoziierten Nervenverletzungen bei Kindern. Frakturassoziierte Nervenverletzungen bei Kindern – Teil 2

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Ulrike Schnick - Unfallkrankenhaus Berlin, Berlin, Germany
  • Richarda Boettcher - Unfallkrankenhaus Berlin, Berlin, Germany
  • Frank Dähne - Klinik für Neurologie ukb, Berlin, Germany
  • Sebastian Böttcher - Klinik für Neurologie ukb, Berlin, Germany

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie. 60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie. Münster, 08.-10.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dgh30

doi: 10.3205/20dgh30, urn:nbn:de:0183-20dgh300

Published: October 9, 2020

© 2020 Schnick et al.
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Text

Fragestellung: Iatrogene Nervenläsionen stellen bei Frakturen der oberen Extremität ein relativ häufiges und schwerwiegendes Problem dar. In der Literatur werden bei Kindern dislozierte suprakondyläre Humerusfrakturen in bis zu 11% der Fälle mit iatrogenen Nervenläsionen assoziiert. In 2,5–6 % ist der N. ulnaris betroffen. Da vor allem resultierende Lähmungen oft nicht als solche erkannt werden und zudem häufig der Eindruck einer regelhaft spontanen Ausheilung vorherrscht, resultieren Fälle mit dauerhaften Beeinträchtigungen. Daten aus 4 Jahren sollen die speziellen Probleme bei Kindern zeigen.

Methodik: In einer retrospektiven Studie wurden 20 durchgängig dokumentierte Fälle von Frakturen der oberen Extremität aufgearbeitet, die zwischen 1/2016 und 12/2019 aufgrund assoziierter iatrogener Nervenläsionen behandelt wurden. In allen Fällen trat die Symptomatik der Nervenläsion erst postoperativ auf.

Ergebnisse: 14 der 20 Kinder hatten dislozierte suprakondyläre Frakturen, 5 diverse Unterarmfrakturen sowie 1 Kind eine Ellenbogenluxation. Die primäre Therapie der Fraktur war verschieden. 13 Mal war der N. ulnaris betroffen, je 4 Mal N. radialis bzw. N. medianus. Die entscheidende Diagnostik erfolgte in 11 Fällen mittels Neurosonographie, neunmal elektrophysiologisch, zweimal blieb es bei einer eindeutigen neurologisch-klinischen Untersuchung. 7 Mal wurde der Verdacht auf eine iatrogene Nervenläsion erst 1 bis 6 Monate postoperativ geäußert, obwohl es anamnestisch zuvor schon eindeutige Hinweise gab. Diagnostik und ggf. chirurgische Therapie erfolgten dann mehrheitlich mit zeitlicher Dringlichkeit. Bei 11 Kindern wurde aufgrund der Diagnostik die Op-Indikation gestellt. Bei den Revisionen wurden schwere axonale Läsionen durch Einklemmung in den Frakturspalt oder erhebliche narbige Verwachsungen festgestellt. In 6 Fällen war eine Neurolyse ausreichend; 5 Mal war eine Nerventransplantation nötig - einmal aufgrund der langen Latenz in Kombination mit einer motorischen Ersatzplastik. Bei 9 Kindern konnte die Therapie konservativ verbleiben. Bei allen 20 Kindern zeigte sich im Verlauf eine funktionell wirksame Reinnervation.

Schlussfolgerung: In mehr als der Hälfte der Fälle war eine Operation notwendig, bei einem Viertel sogar in Form einer Nervenrekonstruktion sowie einmal zusätzlich mit motorischer Ersatzplastik. Dies unterstreicht, wie wichtig eine gründliche postoperative Untersuchung auf mögliche Nervenschäden ist, um frühzeitig eine differenzierte Diagnostik und die entsprechende Therapie durchführen zu können.