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Möglichkeiten und Ergebnisse der Behandlung von Paravasaten im Bereich der oberen Extremität
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Published: | September 16, 2010 |
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Fragestellung: Die akzidentelle paravenöse Infusion von Lösungen und/oder Medikamenten im subkutanen Gewebe stellt ein oft unterschätztes Problem dar, vor allem beim sedierten Patienten. In Abhängigkeit von Volumen und Art der Substanz können alle Bilder von Spontanregeneration ad integrum bis zum allschichtigem Gewebedefekt der Haut und eventuell darunterliegender Strukturen resultieren.
Methodik: In einer retrospektiven klinischen Studie wurden 60 Patienten, die durch unseren plastisch-chirurgischen Konsiliardienst gesehen wurden, nachuntersucht. Es handelte sich um 32 Frauen und 28 Männer, im Alter von 6w–92 Jahren. Untersuchungskriterien waren: 1) Art des Paravasats, 2) Zeitpunkt zwischen Paravasat und erster Behandlung, 3) Art der Behandlung, 4) Wundheilung und 5) Art und Anzahl von Komplikationen.
Ergebnisse: Bei 46 Patienten kam es zu einem Paravasat mit physiologischer Kochsalzlösung; In 14 Patienten bestand ein Paravasat mit Epirubicin oder Adriamycin. Die durchschnittliche Dauer zwischen Paravasat und erster plastisch-chirurgischer Behandlung betrug 7 (1–86) Tage. Nach Paravasat mit Kochsalz konnten bei 28 Patienten eine Spontanheilung ohne Funktionsverlust abgewartet werden. Bei 14 Patienten trat nach Spontanheilung eine partielle Hautnekrose auf, die entfernt und mithilfe einer Spalthauttransplantation geschlossen wurde. Bei den 14 Patienten mit Chemotherapieparavasat. In 4 Fällen erfolgte eine Druckentlastung durch Liposuktion bei Patienten, die früh gesehen wurden und entweder eine protrahierte Hautischämie oder Anzeichen eines Kompartmentsyndroms zeigten. Bei den Patienten mit Paravasat nach Chemotherapie erfolgte in jedem Fall ein Debridement. Der resultierende Defekt wurde mithilfe einer lokalen Lappenplastik (n=9) oder einem Spalthauttransplantat (n=5) gedeckt. Eine primäre Wundheilung konnte bei 52 Patienten erreicht werden. Bei 8 Patienten trat eine verzögerte Wundheilung auf, meist durch sekundäre Nekrose im Wundrandbereich, weshalb eine sekundäre Spalthauttransplantation durchgeführt werden musste.
Schlussfolgerung: Die Prävention von Paravasaten vor allem mit Chemotherapeutika ist von grösster Bedeutung. Durch die grosszügigere Indikationsstellung für Portsysteme konnte die Anzahl an schweren Gewebedefekten nach Extravasation von Chemotherapeutika deutlich gesenkt werden. Für die Therapie der Paravasate hat sich eine interdisziplinäre Therapie bewährt. Primär muss die Infusion gestoppt werden, der Zugang sollte – wenn nicht infiziert – in situ belassen, und die betroffene Extremität hochgelagert werden. Die Gabe eines Antidots hat keine bewiesenen Vorteile und verschlechtert die Gewebeperfusion zusätzlich. Abhängig von Art und Menge der paravenös gelaufenen Substanz und dem Zeitpunkt der Ersttherapie stehen mehrere Behandlungsmöglichkeiten zu Verfügung. Die meisten Paravasate – vor allem wenn es sich nicht um Chemotherapeutika handelt – heilen unter konservativer Therapie ohne Residuen ab. Bei Anzeichen von schwerer Gewebeischämie hat sich die Dekompression mithilfe der Liposuktion bewährt. Bei starken Schmerzen ist ein notfallmässiger chirurgischer Eingriff mit adäquatem Debridement indiziert. Je aggressiver die Substanz, desto grosszügiger das Debridement. Bei Zweifel an der Gewebevitalität im Randbereich, hat sich ein second-look nach 24h bewährt. Zur antiödematösen Therapie nach Komparmentspaltung und zur temporären Defektdeckung hat sich die Vakuumtherapie bewährt. Für die definitive Defektdeckung stehen generell Hauttransplantation und Lappenplastiken zur Verfügung.