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121. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

27. bis 30.04.2004, Berlin

Die dorsale Sonometrie in der Diagnostik der vorderen Kniegelenkinstabilität: prospektive Studie zur Bewertung der Aussagekraft bei Rupturen des vorderen Kreuzbandes und nach Rekonstruktion mit autologer Patellarsehne

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  • presenting/speaker Frank Kolbus - Chirurgische Abteilung der Collm Klinik Oschatz
  • B. Brückner - Abteilung Chirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 121. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 27.-30.04.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgch0325

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/dgch2004/04dgch463.shtml

Published: October 7, 2004

© 2004 Kolbus et al.
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Text

Einleitung

Die Sonographie besitzt in der Diagnostik von Kreuzbandrupturen noch einen untergeordneten Stellenwert. Bisherige Studien sehen den diagnostischen Nutzen der dorsalen Sonometrie in der Erfassung von Läsionen des vorderen Kreuzbandes bei akuten Knieverletzungen, bei denen die klinische Untersuchung häufig schmerzbedingt nicht exakt durchgeführt werden kann. Bei chronischen Instabilitäten kommt es infolge einer lagerungsbedingten vorderen Schubladenstellung zu einer erhöhten Anzahl falsch negativer sonometrischer Messungen. Ziel unserer Studie ist es, die dorsale Sonometrie in der Diagnostik der vorderen Kreuzbandruptur durch methodische Veränderungen unabhängig von einer vorausgehenden Patientenselektion zu machen, um sie auch für postoperative Stabilitätsmessungen nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes einsetzen zu können.

Material und Methoden

An einem unselektionierten Patientengut von 157 Patienten mit Knieverletzungen werden die Ergebnisse der Arthroskopie sowie der klinischen Untersuchung mit denen der sonometrisch bestimmten vorderen Schublade verglichen. Bei 87 Patienten kann arthroskopisch eine Kreuzbandläsion diagnostiziert werden. 57 Patienten haben sich einer Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes mittels autologer Patellarsehne unterzogen. 16%(n=9) zeigen postoperativ klinische Zeichen einer Instabilität. In 5 Fällen fanden arthroskopisch Transplantatrupturen. Alle Patienten mit VKB Plastik sind sonometrisch prä- und postoperativ bis zu einem Jahr nach der Operation erfasst worden. Methodisch haben wir eine Standardisierung der Kraftmessung zur Provokation der tibialen Translation durch die Nutzung eines Druckbegrenzers (Orthobeep) eingeführt. Zusätzlich zur vorderen wird die hintere tibiale Schublade sonometrisch erfasst und die Gesamttranslation als Summe ventraler und dorsaler Verschieblichkeit bestimmt. Erstmals werden in einer arthroskopisch kontrollierten Studie Normwerte für die verschiedenen Verfahren prä- und postoperativ errechnet.

Ergebnisse

Es zeigt sich eine enge Abhängigkeit der ventralen Translationswerte vom Ausmaß der Kreuzbandverletzung. Patienten mit Teilrupturen weisen niedrigere Translationen als diejenigen mit Komplettrupturen auf. Ein seitendifferenter Translationsunterschied von 1 mm führt zu einer Sensitivität von 89% und einer Spezifität von 94%. Die Auswertung der absoluten Translation mit einem diagnostischen Grenzwert von 4 mm zeigt vergleichbare Ergebnisse (Sensitivität 90%, Spezifität 94%) und ermöglicht eine nicht seitendifferente Bewertung. Damit steht in Zukunft die Anwendung der Sonometrie in der Diagnostik und Nachsorge nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes auch für die Patienten zur Verfügung, die kein gesundes Referenzknie besitzen. Die Sonometrie II mit einem seitendifferenten Grenzwert von 0,8 mm erweist sich in der Diagnostik der Kreuzbandruptur gegenüber der Bestimmung der ventralen Verschieblichkeit als unterlegen. Eine Differenzierung von kompletten und inkompletten Rupturen ist nicht möglich. Bei der kombinierten Auswertung der Ergebnisse beider Verfahren als Gesamttranslation ist im Vergleich zu den Einzelmethoden ein diagnostischer Gewinn zu verzeichnen. Im direkten Vergleich ergibt die Gesamttranslation mit einem Grenzwert von 6,3 mm die höchste Treffsicherheit. Die höhere Treffgenauigkeit des kombinierten Verfahrens ist unter anderem auch durch eine geringere Abhängigkeit der Empfindlichkeit der Sonometrie II von der zeitlichen Dauer der Traumaanamnese bedingt. Während die diagnostische Aussagekraft der Sonometrie I mit zunehmender zeitlicher Differenz zwischen Knietrauma und Messung abnimmt, bleibt die der hinteren Schublade davon unbeeinflusst. Wir sehen hierin die Überlegenheit des kombinierten Auswerteverfahrens für ein unselektioniertes Patientengut begründet. Begleitverletzungen, die allerdings bei unseren Patienten überwiegend Knorpel und die Menisci betreffen, haben auf das Ausmaß der Translationsmessung keinen signifikanten Einfluss. Es wird gezeigt, dass die geringere tibiale Verschieblichkeit bei Patienten mit lambda-repair und Teilrupturen eine Abgrenzung zum kreuzbandgesunden Normalkollektiv erschwert. Alle Verfahren sind der manuellen klinischen Untersuchung in der Diagnostik der Kreuzbandruptur deutlich überlegen.In der sonographischen Diagnostik der Transplantatrupturen kommt der Sonometrie I mit einem Grenzwert von 5 mm für absolute Messwerte und 1,5 mm für die Seitendifferenz die größte Bedeutung zu. Damit macht die dynamische Sonometrie den klinischen Verdacht auf eine Transplantatinsuffizienz objektivierbar. Unmittelbar postperativ besteht ein signifikanter Unterschied im Ausmaß der dorsalen Schublade zwischen Patienten mit und ohne spätere Instabilität. Mit einer Empfindlichkeit von 89% bedeutet eine dorsale Translation von mehr als 2,8 mm unmittelbar postoperativ das Auftreten klinischer Instabilität im weiteren Verlauf. Kein Patient des Kontrollkollektivs zeigt eine dorsale Translationsdifferenz von mehr als 1,2 mm. Wir messen damit der dorsalen Schublade einen prognostischen Wert für die Stabilität nach vorderer Kreuzbandrekonstruktion bei.

[Abb. 1]

Schlussfolgerung

Insgesamt erreichen wir mit der Einführung einer standardisierten Kraftmessung bei der Provokation der tibialen Verschieblichkeit, der Hinzunahme der Ausmessung der hinteren Schublade und damit der Möglichkeit der kombinierten Auswertung der Messergebnisse sowie der Erarbeitung von hauseigenen Normwerten eine Meßgenauigkeit in der Diagnostik der Kreuzbandläsion, wie sie bisher in Studien zur Sonometrie nur bei stark selektionierten Patientenkollektiven erzielt worden ist. Ihre gute Praktikabilität prädestiniert diese Methode für den routinemäßigen Einsatz im Rahmen postoperativer Kontrolluntersuchungen. Funktionelle Instabilität nach Rekonstruktion ist mittels der Sonometrie quantifizier- und reproduzierbar. Sie kann damit einen wichtigen Beitrag in der einheitlichen Bewertung postoperativer Ergebnisse leisten. Diese arthroskopisch kontrollierte Studie macht auch deutlich, dass Normwerte, die in der Diagnostik von Kreuzbandrupturen ermittelt worden sind, nicht uneingeschränkt auf ein Patientenkollektiv nach Ersatzplastik angewandt werden können.