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Neurobiologische Korrelate für die Entwicklung der Verarbeitung Spezies-spezifischer Vokalisierungen in den ersten Lebensjahren
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Published: | March 18, 2025 |
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Fragestellung: Sowohl Menschen also auch andere Spezies sind in der Lage Klänge und Geräusche der eigenen Artgenossen aus dem großen Spektrum der Umweltgeräusche zu identifizieren. Diese Fähigkeit geht einher mit neuronaler Aktivierung im rechten anterioren Teil des superioren Temporallappens (STS), auch voice selective area genannt [1]. Für die Frage, wann sich diese Spezialisierung im rechten Temporallappen entwickelt, existiert bisher wenig empirische Evidenz (vgl. Grossmann et al. [2]).
Methoden: In der aktuellen Studie hörten Kinder im Alter von 3–5 (N = 38), 7–9 (N = 34) und 14–16 (N = 26) Monaten einerseits menschlich erzeugte Stimuli (voice condition) und andererseits natürliche Umweltgeräusche, wie Regen oder Vogelgezwitscher (non-voice condition). Dabei wurde die Gehirnaktivität mit Hilfe der funktionellen Nahinfrarot-Spektroskopie erfasst.
Ergebnisse: Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die 3–5 Monate alten Kinder, im Unterschied zu den beiden älteren Gruppen, keine signifikant stärkere Aktivierung in der voice condition im Vergleich zu der non-voice condition im rechten anterioren STS aufweisen. Darüber hinaus zeigte sich in 7–9 Monate alten Kindern eine signifikant stärkere neuronale Aktivierung im anterioren STS in beiden Hemisphären für die voice condition im Vergleich zu der non-voice condition. Dagegen konnte die neuronale Aktivierung im anterioren STS in der ältesten Gruppe nur in der rechten Hemisphäre beobachtet werden.
Schlussfolgerungen: Es gibt Hinweise, dass bereits im Mutterleib die Wahrnehmung der Stimme der eigenen Mutter das Wachstum der kortikalen Dicke des auditorischen Cortex (AC) signifikant beeinflusst [3]. Höchstwahrscheinlich ist diese kortikale Plastizität des AC essenziell für die Entwicklung von weiteren sprachlichen Vorläuferfähigkeiten, wie der Differenzierung von Silbenstrukturen bereits wenige Tage nach der Geburt (Gómez et al. 2018). Unsere Daten zeigen, dass sich die neuronale Spezialisierung für die Verarbeitung von Vokalisationen der gesamten eigenen Spezies erst in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres entwickelt. Ein ähnliches Ergebnis wurde von Grossmann und Kollegen [2], die eine kleinere Gruppe von 4 und 7 Monate alten Kindern (je N = 16) untersuchten, berichtet.
Darüberhinausgehend zeigen die vorliegenden Ergebnisse, dass sich die Dominanz der rechten Hemisphäre in der Verarbeitung von Vokalisierungen der eigenen Spezies im Vergleich zu anderen Umweltgeräuschen noch später, und zwar erst in der ersten Hälfte des 2. Lebensjahres, entwickelt. Bisher wurde die rechtshemisphärische Dominanz des anterioren STS nur in Erwachsenen und in älteren Kindern beschrieben [1], [4]. Demzufolge ist das ‘perceptual zooming’ (Kreiman & Sidtis, 2011) auf bestimmte Klänge und Geräusche der eigenen Artgenossen eine Kompetenz, die sich im Laufe der ersten zwei Lebensjahre entwickelt.
Literatur
- 1.
- Belin P, Zatorre RJ, Lafaille P, Ahad P, Pike B. Voice-selective areas in human auditory cortex. Nature. 2000 Jan 20;403(6767):309-12. DOI: 10.1038/35002078
- 2.
- Grossmann T, Oberecker R, Koch SP, Friederici AD. The developmental origins of voice processing in the human brain. Neuron. 2010 Mar 25;65(6):852-8. DOI: 10.1016/j.neuron.2010.03.001
- 3.
- Webb AR, Heller HT, Benson CB, Lahav A. Mother's voice and heartbeat sounds elicit auditory plasticity in the human brain before full gestation. Proc Natl Acad Sci U S A. 2015 Mar 10;112(10):3152-7. DOI: 10.1073/pnas.1414924112
- 4.
- Bonte M, Ley A, Scharke W, Formisano E. Developmental refinement of cortical systems for speech and voice processing. Neuroimage. 2016 Mar;128:373-84. DOI: 10.1016/j.neuroimage.2016.01.015