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Neurophysiologische Meilensteine: Wie früh zeigt sich der Wortschatz im Gehirn von CI-Kindern? Eine N400-Studie
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Published: | March 18, 2025 |
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Fragestellung: Kinder mit Cochlea-Implantaten (CI) zeigen im Vergleich zu normalhörenden (NH) Kindern ein beschleunigtes Erlernen erster Wörter, was wir einer vorangehenden Studie anhand der N400-Komponente nachweisen konnten [1]. Unsere neue EEG-Studie untersucht erstmals systematisch den frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem sich der N400-Effekt als Marker des Wortschatzerwerbs bei Kindern mit CI nachweisen lässt.
Methoden: Untersucht wurden drei Gruppen von früh bilateral implantierten CI-Kindern (Implantation <4 Jahre) mit 7, 10 und 12 Monaten Hörerfahrung sowie drei NH-Kontrollgruppen im Alter von 10, 12 und 14 Monaten. Das Design ermöglichte direkte Vergleiche von Gruppen mit identischer Hörerfahrung (10 und 12 Monate). Zur Datenerhebung wurde ein etabliertes Bild-Wort-Paradigma [2] verwendet, bei dem ein Bild visuell präsentiert und anschließend ein kongruentes oder inkongruentes auditives Wort dargeboten wurde. Es wurden EEG-Daten von 9 Kopfelektroden erhoben, für die Statistik wurde die Pz mittels Permutationstests ausgewertet. Als Stimuli dienten 44 kindgerechte Bilder und 44 Wörter aus dem frühen kindlichen Wortschatz. Ein signifikant negativerer Amplitudenausschlag in der inkongruenten Bedingung (p<0.05) wurde als N400-Effekt und Indikator erfolgreichen Wortschatzerwerbs gewertet.
Ergebnisse:
CI-Kinder: In allen Gruppen mit 7, 10 und 12 Monaten Hörerfahrung konnte ein signifikanter N400-Effekt nachgewiesen werden. Eine Differenzierung nach kongenitaler und erworbener Taubheit zeigte jedoch, dass kongenital ertaubte Kinder den Effekt erst ab 10 Monaten Hörerfahrung zeigten.
NH-Kinder: Während ein schwacher N400-Effekt bei 12 Monaten beobachtet wurde, war ein robuster Effekt erst mit 14 Monaten nachweisbar.
Schlussfolgerungen: Diese Ergebnisse stellen einen Meilenstein in der Erforschung früher neuronaler Marker des Wortschatzerwerbs von CI-Kindern dar. Die Studie zeigt, dass kongenital ertaubte CI-Kinder etwa 10 Monate Hörerfahrung benötigen, um einen signifikanten Wortschatz aufzubauen – ein Zeitraum, der trotz der vorherigen sensorischen Deprivation erheblich kürzer ist als bei NH-Kindern (12–14 Monate). Die beschleunigte Entwicklung bei CI-Kindern lässt sich durch die kompensatorischen Effekte eines höheren Lebensalters und damit einhergehender kognitiver Reife erklären, z.B. in den Bereichen Gedächtnis und Aufmerksamkeit. Diese Faktoren unterstützen CI-Kinder darin, trotz eines verspäteten Beginns im Spracherwerb zu ihren normalhörenden Gleichaltrigen aufzuholen.
Literatur
- 1.
- Vavatzanidis NK, Mürbe D, Friederici AD, Hahne A. Establishing a mental lexicon with cochlear implants: an ERP study with young children. Sci Rep. 2018 Jan 17;8(1):910. DOI: 10.1038/s41598-017-18852-3
- 2.
- Friedrich M, Friederici AD. Lexical priming and semantic integration reflected in the event-related potential of 14-month-olds. Neuroreport. 2005 Apr 25;16(6):653-6. DOI: 10.1097/00001756-200504250-00028