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Wie früh beginnt der Worterwerb bei Kindern mit Cochlea-Implantaten?
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Published: | March 5, 2024 |
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Fragestellung: Früh oder gar kongenital (er)taub(t)e Kinder mit Cochlea-Implantaten bewältigen den Spracherwerb primär über den digitalen Input des Implantats. Kinder mit CI haben hier bedeutende Nachteile aufzuholen. Zum einen verbringen insbesondere kongenital ertaubte Kinder in der Regel signifikante Zeiten ohne sprachlichen Input (beginnend ab fehlendem Input in utero). Zum anderen reicht die Sprachqualität über das CI trotz technischer Fortschritte nicht an die Qualität heran, die mit Normakusis zur Verfügung steht. Umso überraschender war der Fund in unserer Studie, dass CI-Kinder bereits nach 12 Monaten Hörerfahrung auf elektrophysiologischer Ebene ihren normalhörenden Höraltersgenossen im Wortschatzerwerb voraus waren [1]. Dies war für nahezu alle untersuchten CI-Kinder der Fall, die keine neurologische Beeinträchtigung hatten, und legte nahe, dass auf elektrophysiologischer Ebene der Effekt noch früher zu finden sein müsste. In einer neuen Studie zeigen wir nun Ergebnisse von bilateral implantierten Kindern 7 und 10 Monate nach Erstaktivierung der CIs.
Methoden: Es wurden elektrisch evozierte Potentiale (EKP) bei früh versorgten (<4 Jahre), bilateral implantierten Kindern mit einer Hörerfahrung von 7, 10 und 12 Monaten erhoben. Zusätzlich wurden Kontrolldaten von 10, 12 und 14 Monate alten normalhörenden Kindern erhoben. Die Kinder sahen Bilder, die von einem passenden (kongruenten) oder unpassenden (inkongruenten) auditiv präsentierten Wort begleitet wurden. Das gemittelte evozierte Potential der kongruenten Bedingung wurde statistisch mit dem Potential der inkongruenten Bedingung verglichen.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die implantierten Kinder bereits mit 10 Monaten einen signifikanten N400-Effekt aufweisen (=EKP für inkongruente Bedingung negativer). Der Effekt ist bei den normalhörenden Kindern erst mit 12 Monaten zu beobachten, ist jedoch durch eine höhere methodische Auswertungsstringenz ebenfalls früher als bisher in der Literatur berichtet [2].
Schlussfolgerungen: Es bestätigt sich, dass implantierte Kinder durch ihr höheres Lebensalter und dadurch gereifteren kognitiven Fähigkeiten bei Spracheintritt zumindest auf Wortschatzebene schneller sind als normalhörende Kinder mit vergleichbarer Hörerfahrungsdauer. Der Wortschatzerwerb ist somit stärker von den kognitiven Kapazitäten abhängig als von Zeitpunkt und Güte des Hörbeginns, was den CI-Kindern einen Aufholvorteil beim Worterwerb ermöglicht.
Literatur
- 1.
- Vavatzanidis NK, Mürbe D, Friederici AD, Hahne A. Establishing a mental lexicon with cochlear implants: an ERP study with young children. Scientific Reports. 2018;8:910. DOI: 10.1038/s41598-017-18852-3
- 2.
- Friedrich M, Friederici AD. Maturing brain mechanisms and developing behavioral language skills. Brain Lang. 2010 Aug;114(2):66-71. DOI: 10.1016/j.bandl.2009.07.004