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Cochlea-Implantate als elektrochemische in vivo Sensoren nach chronischer Implantation im Tiermodell
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Published: | March 1, 2023 |
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Cochlea-Implantate (CIs) sind die am weitesten verbreiteten neuronalen Schnittstellen mit mehr als 1 Million implantierten Hörprothesen weltweit. Sie ermöglichen die Kompensation von Hörverlusten bei Patienten durch direkte elektrische Stimulation des Hörnervs. In Akutversuchen konnten wir erstmalig zeigen, dass CI-Elektroden durch Anwendung geeigneter elektrochemischer Methoden in chemischen Sensoren umgewandelt werden können [1]. Die Verwendung der Stimulationselektroden des Implantats als Sensoren ermöglicht Einblicke sowohl in die biochemische Mikroumgebung, z.B. Sauerstoffversorgung oder Entzündungsprozesse, als auch in den Zustand der Elektrode selbst, z.B. Elektrodendegradation. Für eine langfristige und möglicherweise lebenslange Überwachung des Implantatstatus ist die Rekrutierung der CI-Elektroden als Sensoren unerlässlich, da externe Sensoren weder für eine langfristige biokompatible Platzierung an der betreffenden Stelle geeignet sind noch eine In-vivo-Stabilität von mehr als ein paar Wochen aufweisen. Hier demonstrieren wir die in vivo Sauerstoffmessung mit CI-Elektroden nach chronischer Implantation und Stimulation im Tiermodell. Zwei CI-Elektrodenträger wurden mit einem speziell angefertigten Kopfstecker verbunden. Früh ertaubte Ratten wurden mit diesen CIs bilateral versorgt und durchliefen bis zu sechs Monate lang ein binaurales Schalllateralisationstraining, wobei alle Tiere ausgezeichnete Hörleistungen zeigten [2]. Für die Messungen an anästhesierten Ratten wurden die CIs an einen potentiostatischen Messaufbau mit einer zusätzlich platzierten Ag/AgCl-Referenzelektrode angeschlossen. Wir verwendeten eine kombinierte amperometrische und potentiometrische Sensormethode, um den gelösten Sauerstoff in der Cochlea in Echtzeit zu messen. Die Ratten wurden dazu wiederholt über eine Nasenmaske mit reinem Sauerstoff als Atemgas versorgt. Nach 6-monatiger Langzeitimplantation konnte für alle der CI-Elektroden eine reproduzierbare Erholung der Elektrodenempfindlichkeit beobachtet werden und bestätigt ähnliche Beobachtungen im Hirngewebe [3]. Das anschließend angewandte elektrochemische Sensorprotokoll erlaubte die Messung eines Anstiegs des Sensorstroms an den CI-Elektroden bei steigenden Sauerstoffkonzentrationen. Wenn der Rattennase reiner Sauerstoff zugeführt wurde, stiegen die intracochleären Werte reproduzierbar vom Ausgangswert aus stark an und kehrten beim erneuten Atmen von normaler Luft schnell zum Ausgangswert zurück. Die chronisch implantierten CI-Elektroden zeigten damit eine stabile Sensorfunktion wie CI-Elektroden in akuten Experimenten. Wir haben erstmals erfolgreich nachgewiesen, dass chronisch implantierte, stimulierende CI-Elektroden in funktionsfähige elektrochemische Sauerstoffsensoren umgewandelt werden können. Somit bieten fortgeschrittene elektrochemische Messungen ein großes Potenzial für die langfristige Untersuchung der biochemischen Mikroumgebung sowie dem Zustand und der Stabilität von Implantatelektroden.
Literatur
- 1.
- Weltin A, Kieninger J, Urban GA, Buchholz S, Arndt S, Rosskothen-Kuhl N. Standard cochlear implants as electrochemical sensors: Intracochlear oxygen measurements in vivo. Biosens Bioelectron. 2022 Mar 1;199:113859. DOI: 10.1016/j.bios.2021.113859
- 2.
- Rosskothen-Kuhl N, Buck AN, Li K, Schnupp JW. Microsecond interaural time difference discrimination restored by cochlear implants after neonatal deafness. Elife. 2021 Jan 11;10:e59300. DOI: 10.7554/eLife.59300
- 3.
- Weltin A, Ganatra D, König K, Joseph K, Hofmann UG, Urban GA, Kieninger J. New life for old wires: electrochemical sensor method for neural implants. J Neural Eng. 2020;17(1). DOI: 10.1088/1741-2552/ab4c69