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24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

14.09. - 17.09.2022, Erfurt

Mutationen in ATP1A3, TECTA und MYO7A in einer Familie mit Rapid-onset Dystonia-Parkinsonism-Syndrom, mediocochleärer Schallempfindungsschwerhörigkeit und auditorischer Neuropathie – die systematische Multigen-Panel-Untersuchung hilft bei der Analyse von komplexen Fällen von Schwerhörigkeit

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Virginia Dyett - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE
  • Christoph Braunwarth - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE
  • Hendrik Rosewich - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE
  • Silke Kaulfuß - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE
  • Alexandr Kuranov - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE
  • Loukas Argyriou - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE
  • Barbara Vona - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE
  • Bernd Wollnik - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE
  • Nicola Strenzke - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DE

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Erfurt, 14.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc203

doi: 10.3205/22dga203, urn:nbn:de:0183-22dga2036

Published: September 12, 2022

© 2022 Dyett et al.
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Text

Die Klinik für Neuropädiatrie stellte uns zwei Schwestern mit Rapid-onset Dystonia-Parkinsonism-Syndrom (RDP) zur audiologischen Mitbeurteilung vor. Bei RDP kommt es zu neurologischen Symptomen wie episodischen Dystonien, Bradykinesien und posturalen Instabilitäten aufgrund einer seltenen, autosomal dominant vererbten Genmutation c.2267G>A im ATP1A3-Gen. Die durch ATP1A3 kodierte Na+K+-ATPase alpha3 ist stark exprimiert im Hörnerv, sie ist entscheidend für die Repolarisation der Neurone nach Aktionspotentialen. Eine andere Mutation im gleichen Gen (c.2452G>A) verursacht das CAPOS-Syndrom, welches mit einer auditorischen Neuropathie einhergeht [1]. Hörstörungen bei RDP wurden bisher nicht beschrieben.

Die auditorischen Tests der jüngeren Schwester (17J) zeigten eine annähernde Normakusis, jedoch wiesen die objektiven Befunde (FAEP, OAE, ECochG) auf eine milde Form von auditorischer Neuropathie hin. Bei der älteren Schwester (25J) bestand eine mittelgradige mediocochleäre Schallempfindungsschwerhörigkeit. Über eine mögliche zusätzliche neuropathische Komponente konnte dabei keine klare Aussage gemacht werden. Die Mutter (51J) litt ebenfalls unter einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, die jedoch hochgradig war und ein Maximum im mittleren und oberen Frequenzbereich hatte. Anamnestisch waren zahlreiche ältere Familienangehörige der Mutter ebenfalls von einer manifesten Schwerhörigkeit betroffen, vereinbar mit einem autosomal dominanten Erbgang.

Es wurde eine NGS-Multigen-Panel-Untersuchung auf Mutationen in 151 bekannten Taubheitsgenen durchgeführt. Beide Schwestern zeigten RDP-verursachende Mutation c.2267G>A in ATP1A3, bei der Mutter lag diese als Mosaik vor. Wir vermuten, dass die Mutation die diskrete auditorische Neuropathie bei der jüngeren Schwester verursacht. Weiterhin wurde eine zweite pathogene Sequenzvariante c.5510G>A in TECTA bei der älteren Schwester und der Mutter gefunden, die mit der progredientem cochlärem Schwerhörigkeit DFNA12 assoziiert. Diese Mutation dürfte verantwortlich für die zahlreichen von manifester Schwerhörigkeit betroffenen Familienmitglieder sein.

Eine dritte sichere pathogene Mutation c.3503G>A, in MYO7A wurde bei beiden Schwestern gefunden. Diese von väterlicher Seite vererbte Mutation dürfte keinen Einfluss auf den Phänotyp haben, da sie wahrscheinlich nur bei homozygotem Vorliegen pathogen ist und dann zu einem Usher-Syndrom führt.


Literatur

1.
Tranebjærg L, Strenzke N, Lindholm S, Rendtorff ND, Poulsen H, Khandelia H, Kopec W, Lyngbye TJB, Hamel C, Delettre C, Bocquet B, Bille M, Owen HH, Bek T, Jensen H, Østergaard K, Möller C, Luxon L, Carr L, Wilson L, Rajput K, Sirimanna T, Harrop-Griffiths K, Rahman S, Vona B, Doll J, Haaf T, Bartsch O, Rosewich H, Moser T, Bitner-Glindzicz M. Correction to: The CAPOS mutation in ATP1A3 alters Na/K-ATPase function and results in auditory neuropathy which has implications for management. Hum Genet. 2018 03;137(3):279-280. DOI: 10.1007/s00439-018-1870-7 External link