gms | German Medical Science

24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

14.09. - 17.09.2022, Erfurt

Untersuchungen des binauralen Hörens an Personen mit ischämischen Läsionen

Meeting Abstract

Search Medline for

  • presenting/speaker Anna Dietze - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Medizinische Physik und Akustik, Oldenburg, DE
  • Mathias Dietz - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Medizinische Physik und Akustik, Oldenburg, DE

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Erfurt, 14.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc049

doi: 10.3205/22dga049, urn:nbn:de:0183-22dga0492

Published: September 12, 2022

© 2022 Dietze et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Fragestellung: Verschiedene Strukturen vom Hirnstamm bis hin zum Kortex ermöglichen räumliches Hören. Furst et al. [1] konnten den Einfluss von Läsionen im Hirnstamm auf die Lateralisation von Schallstimuli mit interauralen Unterschieden in Zeit und Pegel zeigen. Der auditorische Raum wird vorrangig in der kontralateralen kortikalen Hemisphäre repräsentiert. Da viele Schlaganfall-Läsionen auf eine Hemisphäre beschränkt sind, ist das binaurale Hören eine interessante funktionelle Untersuchung in diesen Individuen. Unklar ist jedoch der Zusammenhang zwischen dem Ort einer Schädigung und den daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen des impliziten und expliziten binauralen Hörens.

Methoden: Für die Untersuchung der impliziten Verarbeitung/Nutzung von binauralen Unterschieden haben wir die Pegeldifferenz der Maskierung für einen Ton mit und ohne interauraler phasendifferenz ermittelt. Eine Lateralisationsaufgabe mit interauralen Unterschieden in Zeit (interaural time difference, ITD) und Pegel (interaural level difference, ILD) gibt Einblicke in die explizite Verarbeitung. Insgesamt nahmen 58 Personen (Altersdurchschnitt = 63 Jahre, 21 weiblich, 37 männlich) in der Akutphase ihres Schlaganfalles teil. Die Auswahl der Teilnehmenden basierte nicht auf deren Schlaganfall-Lokalisation. Dadurch traten die Läsionen in verschiedenen Hirnregionen auf, unter anderem in Hirnstamm, Thalamus und in verschiedenen kortikalen Regionen in beiden Hemisphären.

Ergebnisse: Binaurale Maskierungsschwellenunterschiede von mindestens 8 dB konnten in 86% der Versuchspersonen , auch mit teilweise stark veränderter ITD-basierter Lateralisation, gemessen werden. Wie erwartet, zeigten die meisten Versuchspersonen eingeschränkte Lateralisation in der kontraläsionalen Hemisphäre für ILD- und ITD-basierte Aufgaben. Eine ipsiläsionale Verschiebung der Lateralisation wurde vorrangig in Personen mit Thalamus-Infarkten gefunden. Bei einigen Personen mit Schädigungen in Hirnstamm oder Kleinhirn konnte eine Verzerrung der ITD-basierten Lateralisation zu den Seiten des Kopfes beobachtet werden.

Schlussfolgerungen: Bei vielen Personen mit Schlaganfall ist das binaurale Hören verändert. Die Lokalisation der Läsion scheint einen systematischen Einfluss auf die Art der Beeinträchtigung zu haben. Einige der Beobachtungen reihen sich in die Erkenntnisse vorangegangener Studien ein, während andere, unseres Wissens nach, neu sind. Dazu zählen beispielsweise die beobachteten Effekte von Läsionen im Kleinhirn. Diese Daten helfen zu verstehen, welche Bereiche des Gehirns zum binauralen und räumlichen Hören beitragen. Darauf basierend könnten zukünftig entwickelte Algorithmen die Effekte neurologische Erkrankung kompensieren.


Literatur

1.
Herrmann S, Dietz M. Model-based selection of most informative diagnostic tests and test parameters. Acta Acustica. 2021;5:51.