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24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

14.09. - 17.09.2022, Erfurt

Der Effekt früher CI-Versorgung auf semantisch-assoziative Musikverarbeitung

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Anja Hahne - Technische Universität Dresden, Universitätsklinikum, Dresden, DE

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Erfurt, 14.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc042

doi: 10.3205/22dga042, urn:nbn:de:0183-22dga0421

Published: September 12, 2022

© 2022 Hahne.
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Es ist bekannt, dass taub geborene Kinder hinsichtlich ihrer Sprachentwicklung von einer möglichst frühen Cochlea-Implantat (CI)-Versorgung profitieren. Wie aber verhält es sich mit der Wahrnehmung von Musik und insbesondere mit dem Zugang zu musikalischer Bedeutungsinformation? Ist dieser bei früher Versorgung gewährleistet? Wir wissen aus früheren Studien, dass dies für spät versorgte Jugendliche und junge Erwachsene nicht mehr möglich ist.

Methoden: In einer EEG-Studie haben die semantisch-assoziative Verarbeitung von Exzerpten klassischer Musik untersucht. Im Anschluss an ein Musikstück wurde ein zu der Musik entweder relatiertes oder unrelatiertes Wort visuell präsentiert. Die StudienteilnehmerInnen hatten die Aufgabe, die Passung zwischen Musik und Wort zu beurteilen. Es wurden Fehlerraten sowie und evozierte Potentiale auf die visuellen Wörter ausgewertet.

An der Studie nahmen 17 CI-TrägerInnen im Alter von 16 bis 27 Jahren teil (Median 20 Jahre; 9 männlich). Der Median des Alters der Implantation des ersten CIs lag bei 2 Jahren (Range 1-4 Jahre). 14 der 17 CI-Träger hatten zu einem späteren Zeitpunkt ein zweites CI erhalten (Median 11,5 Jahre; Range 5-22 Jahre), welches jedoch häufig nicht regelmäßig getragen wurde. In allen Fällen war das erstimplantierte CI dominant. Daher wurde die Untersuchung nur mit dem ersten CI durchgeführt. Der Median im Freiburger Test für das mittlere Zahlenverstehen für die CI-Gruppe lag bei 100%, für das Einsilberverstehen bei 60 % (65dB) und 68% (80dB). Fünf weitere CI-Patientinnen mussten aufgrund ihres eingeschränkten Wortschatzes von der Untersuchung ausgeschlossen werden (weniger als 70% der Testwörter der EEG-Studie bekannt). Des Weiteren wurde eine normalhörende parallelisierte Kontrollgruppe erhoben (Altersmedian 20 Jahre, Range 16-25 Jahre; 8 männlich).

Ergebnisse: Die Daten zeigten, dass die CI-TrägerInnen die Wörter überzufällig häufig korrekt der Bedeutungsinformation der Musik zugeordnet haben, wenngleich sie mehr Fehler machten als die Kontrollgruppe.

Im evozierten Potentiale zeigte sich für beide Gruppen ein vergleichbares Muster: unrelatierte Wörter lösten ein negativeres Potential aus als relatierte Wörter (N400-Effekt).

Fragebogendaten ergaben, dass CI-TrägerInnen seltener Musik hörten als die Kontrollgruppe und der Musikgenuss wurde in der CI-Gruppe etwas geringer eingeschätzt als in der normalhörenden Gruppe.

Schlussfolgerungen: Die Tatsache, dass junge Erwachsene, die in der Kindheit bereits früh mit einem CI versorgt wurden, in der Lage sind, komplexe Musikstücke hinsichtlich ihrer semantisch-assoziativen Bedeutung analog zu Normalhörenden verarbeiten, ist bemerkenswert. Es handelt sich hier um einen komplexen Wahrnehmungsprozess, der für spät implantierte CI-TrägerInnen nicht beobachtbar war. Die frühe CI-Versorgung ermöglicht den Aufbau eines semantischen Netzwerkes, welches über Musik zugreifbar ist.