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Richtungshören mit synchronisierten Cochlea-Implantaten
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Published: | September 12, 2022 |
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Eine zentrale Fragestellung ist, wie das Richtungshören ertaubter Patienten mit bilateralen Cochlea-Implantat (biCI) verbessert werden kann. Dabei ist es wichtig zu verstehen, warum früh ertaubte Patienten eine sehr schlechte interaurale Laufzeitdifferenz (ITD) Wahrnehmung besitzen, selbst wenn sie bereits im frühen Kindesalter mit biCIs versorgt wurden. Während angenommen wird, dass dieses Problem auf einen Mangel sensorischen Inputs während der frühen Entwicklung (kritischen Periode) zurückzuführen ist [1], vermuten wir die Ursache in der fehlenden Synchronisation klinischer Sprachprozessoren. Tatsächlich sind heutige Prozessoren nicht in der Lage, das Timing ihrer Stimulationspulse binaural zu synchronisieren, was zu einer uninformativen Übermittlung von ITDs an das auditorische System führt. Dies könnte verhindern, dass biCI-Träger lernen ITDs zu nutzen, selbst wenn der Entwicklung einer guten ITD Wahrnehmung im Prinzip keine starke kritische Periode im Wege steht.
Zur Untersuchung dieser Hypothese wurden früh ertaubte Ratten jung adult mit biCIs versorgt und in einem neuen Verhaltensaufbau getestet. Trotz ihrer frühen auditorischen Deprivation, konnten sie für Pulsraten bis 900 pps ITDs lateralisieren und erzielten Schwellen von bis zu ~50 µs [2], was denen normal hörender Ratten entspricht [3]. Selbst für klinische Raten von 900 pps konnte für Stimuli mit rechteckigen Hüllkurven oder auch sprachähnlicheren Wellenformen eine gute ITD Sensitivität beobachtet werden. In Lateralisationsexperimenten mit ITDs in der Einhüllenden und im Puls-Timing nutzten biCI-Ratten eindeutig letztere. ITDs der Einhüllenden nahmen keinen Einfluss auf ihr Lateralisationsverhalten. In elektrophysiologischen Experimenten konnten wir zeigen, dass Neurone des hörunerfahrenen Systems bereits bei Implantation hochgradig ITD-empfindlich sind. Wir folgern, dass es zumindest bei Ratten keine starke kritische Periode für die Entwicklung der ITD-Sensitivität gibt. Aktuell untersuchen wir, inwieweit die uninformative Präsentation von ITDs die Entwicklung der ITD-Sensitivität hörunerfahrener CI-Ratten beeinträchtigt und ob dies durch eine optimierte, ITD-informative CI-Stimulation reversibel ist.
Die Ergebnisse deuten an, dass ITD-Sensitivität trotz Fehlen früher Hörerfahrung in der Kindheit entwickelt werden kann. Unter synchronisierter CI-Stimulation mit nützlichen ITDs erzielten Ratten auch für klinische Pulsraten bis 900 pps gute Sensitivitäten, vorausgesetzt die ITDs bezogen sich auf das Puls-Timing, und nicht nur die Einhüllende. ITDs erfordern demzufolge bei geeigneter binauraler Stimulation nicht unbedingt langsamere Raten. Wir hoffen, dass diese Erkenntnisse die Entwicklung neuer biCI-Sprachverarbeitungsalgorithmen anregen, welche eine bessere zeitlich-räumliche Wahrnehmung ermöglichen.
Literatur
- 1.
- Ehlers E, Goupell MJ, Zheng Y, Godar SP, Litovsky RY. Binaural sensitivity in children who use bilateral cochlear implants. The Journal of the Acoustical Society of America 2017;141:4264–4277.
- 2.
- Rosskothen-Kuhl N, Buck AN, Li K, Schnupp JW. Microsecond interaural time difference discrimination restored by cochlear implants after neonatal deafness. Elife. 2021 Jan 11;10:e59300. DOI: 10.7554/eLife.59300
- 3.
- Li K, Chan CHK, Rajendran VG, Meng Q, Rosskothen-Kuhl N, Schnupp JWH. Microsecond sensitivity to envelope interaural time differences in rats. J Acoust Soc Am. 2019 May;145(5):EL341. DOI: 10.1121/1.5099164