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58. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

26.09. - 28.09.2024, Würzburg

Langzeittherapie und Risikomedikation mit Antidepressiva: wiederholte Querschnittsstudie 2012–2019

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Vita Brisnik - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Jochen Vukas - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Karoline Lukaschek - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Caroline Jung-Sievers - Ludwig-Maximilians-Universität München, Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, IBE, München, Deutschland; Ludwig-Maximilians-Universität München, Pettenkofer School of Public Health, München, Deutschland
  • Jochen Gensichen - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Tobias Dreischulte - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 58. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Würzburg, 26.-28.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocSYM-05-02

doi: 10.3205/24degam312, urn:nbn:de:0183-24degam3129

Published: September 23, 2024

© 2024 Brisnik et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Der Einsatz von Antidepressiva hat weltweit deutlich zugenommen, v.a. bei älteren Patienten mit erhöhtem Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen. In Vorarbeiten entwickelten wir im Rahmen eines Experten-Konsensverfahrens Kriterien für Potenzielle Deprescribing Indikationen (PDI).

Fragestellung: Wie ist der zeitliche Trend des Antidepressiva-Gebrauchs (zwischen 2012 und 2019) und wie hoch ist die Prävalenz von PDI wegen Langzeittherapie und/oder Risikomedikation mit Antidepressiva in 2012 vs. 2019?

Methoden: Das Studiendesign ist eine wiederholte bevölkerungsbezogene Querschnittsstudie, die alle erwachsenen Einwohner (ca. 600.000) von zwei schottischen Regionen einschloss. Wir ermittelten die Prävalenz von Personen, denen mindestens ein Antidepressivum jeweils im zweiten Quartal der Jahre 2012 bis 2019 verordnet wurde. Unter allen Personen mit Antidepressiva-Verordnung wurde die Prävalenz von PDI ermittelt. Zur Untersuchung von Risikofaktoren (assoziiert mit dem Vorhandensein von PDI) wurde eine logistische Regression durchgeführt.

Ergebnisse: Der Antidepressiva-Gebrauch stieg zwischen 2012 und 2019 um 27% an. Im 2. Quartal 2019 wurden 15% aller registrierten Personen ein oder mehr Antidepressiva verordnet. Während die Prävalenz des Antidepressivagebrauchs bei Personen im Alter ≥40 Jahren höher als bei Jüngeren war, stieg der Antidepressivagebrauch bei Personen im Alter 18–39 Jahren stärker an als bei Älteren. In 2019 hatten 62% der Personen eine Langzeittherapie (>2 Jahre) und 35% Risikomedikation mit Antidepressiva. Jede vierte Person (26%) mit Antidepressiva hatte sowohl Langzeittherapie als auch Risikomedikation. Das gleichzeige Auftreten von Langzeittherapie und Risikomedikation war neben höherem Alter und steigender Anzahl verordneter Arzneimittel auch mit der Einnahme trizyklischer Antidepressiva (≥50mg) assoziiert.

Diskussion: Ungeachtet der wichtigen Rolle von Antidepressiva u.a. in der Therapie von Depressionen und Angststörungen, legen unsere Ergebnisse nahe, dass bei mindestens einem Viertel der mit Antidepressiva behandelten Personen eine sorgfältige Risiko-Nutzen Abwägung der Antidepressiva-Therapie angezeigt ist.

Take Home Message für die Praxis: Langzeit- und Risikomedikation mit Antidepressiva ist verbreitet und ansteigend. Zukünftige Deprescribing Interventionen können die hier angewandten Kriterien nutzen, um Personen mit Interventionsbedarf zu identifizieren und die Wirksamkeit von Interventionen zu evaluieren.