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58. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

26.09. - 28.09.2024, Würzburg

Familienmedizin – ethnographische Eindrücke im Zugang zu Familie und Gemeinde in der Primärversorgung Brasiliens

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Markus Herrmann - Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Arbeitsbereich HAWIRA (Hausärztliche Aus- und Weiterbildung in der regionalen Allgemeinmedizin), Magdeburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 58. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Würzburg, 26.-28.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocOS-03-10

doi: 10.3205/24degam285, urn:nbn:de:0183-24degam2853

Published: September 23, 2024

© 2024 Herrmann.
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Hintergrund: 1994 wurde in Brasilien die gesetzliche Grundlage für ein steuerfinanziertes, universelles Gesundheitssystem für die gesamte Bevölkerung, so dass erstmalig auch arme Bevölkerungsgruppen einen umfassenden, kostenlosen Zugang zur medizinischen Versorgung erhielten. Es entstanden eigens dafür interprofessionelle Gesundheitsteams, die für jeweils rund 900 Familien (ca. 4.000 Personen) in einem Stadtteil verantwortlich sind. Familien- und Gemeindebezug sind zentral und prägen die Professionsentwicklung.

Fragestellung: Im Sinne einer systemischen Familienmedizin wird der Frage nachgegangen, wie fast 30 Jahre später, sich die alltäglichen Praxis mit Familien- und Gemeindebezug eines multiprofessionellen Teams in Brasilien darstellt und inwieweit sich bestimmte Strukturen und Funktionen übertragen lassen auf Deutschland.

Methoden: Das Vorgehen erfolgt in mehreren Schritten mit einem gemischten methodischen Design durch Literaturrecherche, Vorgespräche und teilnehmende Beobachtung der täglichen Praxis in Gesundheitszentren und aufsuchend bei Gemeindevisiten und Hausbesuchen. Zur Vertiefung und Reflexion wurden Einzelinterviews, Gruppendiskussionen mit Studierenden, Gesundheitsagenten, Pflegekräften und Ärzt:innen geführt; zum Teil auch angeregt durch Inputreferate. Es wurden Aufzeichnungen gemacht und teilweise fotographisch dokumentiert.

Ergebnisse: Während eines Monats Anfang 2023 wurden in zwei Regionen im Nordosten von Brasilien, einer großstädtischen und einer eher ländlichen, im Rahmen einer Forschungsreise Einblicke gewonnen in die tägliche Praxis verschiedener Gesundheitsteams. Deutlich wurde eine Professionsentwicklung in der Primärversorgung, die geprägt ist durch eine starke Partizipation der Bevölkerung in einem multidisziplinären gemeindeorientierten Ansatz. Spezielle familienmedizinische Werkzeuge und Zugänge wurden identifiziert und in ihrer Anwendung beobachtet.

Diskussion: Im Unterschied zu Brasilien ist in Deutschland der systemische Blick auf Familie seit einigen Jahren in der Sekundärversorgung als Psychotherapieverfahren etabliert. Was bedeutet dies für eine sich wandelnden hausärztlichen Versorgung? Die Praxis einer systemisch familienmedizinischen und gemeindeorientierten Praxis in Brasilien soll als Anregung diskutiert werden.

Take Home Message für die Praxis: Eine beziehungsorientierte und systemische Allgemeinmedizin und Familienmedizin in Deutschland von morgen kann durch die Familien- und Gemeindemedizin Brasiliens wichtige Impulse erhalten in Hinblick auf Interprofessionalität, Familien- und Gemeindeorientierung vor dem Hintergrund eines digitalen Transformationsprozesses.