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57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

28. - 30.09.2023, Berlin

Was halten Patient:innen in einer Patientenverfügung fest? Ergebnisse einer Dokumentenanalyse (Advance-Care-Planning-Deutschland)

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Alexandra Schmidt - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Klaus Weckbecker - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin I und Interprofessionelle Versorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Jürgen in der Schmitten - Universität Duisburg-Essen, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin, Essen, Deutschland
  • Kornelia Götze - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Düsseldorf, Deutschland
  • Achim Mortsiefer - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Berlin, 28.-30.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP-06-09

doi: 10.3205/23degam217, urn:nbn:de:0183-23degam2175

Published: September 27, 2023

© 2023 Schmidt et al.
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Text

Hintergrund: Advance Care Planning (ACP) ist ein international anerkanntes Konzept zur Stärkung der Patienten-Autonomie und soll ermöglichen, informierte Entscheidungen für zukünftige Behandlungen mit Einwilligungsunfähigkeit zu treffen. In Deutschland werden Gespräche mit qualifizierten ACP-Gesprächsbegleitenden nur in Einrichtungen der stationären Pflege und Eingliederungshilfe von den Krankenkassen übernommen und finden nur in wenigen Hausarztpraxen statt. Das Projekt evaACP untersucht die qualifizierte ACP-Gesprächsbegleitung in deutschen Hausarztpraxen. Dieser Beitrag berichtet über die Ergebnisse eines evaACP-Teilprojekts zur Analyse der dokumentierten Präferenzen in bereits erstellten Patientenverfügungen.

Fragestellung: Welche Präferenzen finden sich in Patientenverfügungen erwachsener hausärztlicher Patient:innen nach zertifizierten ACP-Gesprächsbegleitungen?

Methoden: Retrospektive qualitative und quantitative Dokumentenanalyse von Patientenverfügungen, die in Hausarztpraxen mit ACP-Gesprächsbegleitung erstellt wurden (n=62). Regelhaft beantwortete offene Fragen zur Therapiezielfindung, wie: „Wie gerne leben Sie?“ oder: „Wenn Sie ans Sterben denken – was kommt Ihnen in den Sinn?“ werden mit der Rapid-Methode qualitativ ausgewertet. Quantitative Daten der Verfügungen werden deskriptiv ausgewertet und auf Zusammenhänge zwischen festgehaltenen Präferenzen und soziodemographische Daten untersucht.

Ergebnisse: Während 50% der n=62 Patient:innen (56% weiblich, Altersspanne: 44–93 Jahre) bei Einwilligungsunfähigkeit in einer lebensbedrohlichen Notfallsituation (z.B. Herzstillstand, Schlaganfall) eine uneingeschränkte Notfall- und Intensivtherapie präferieren, sind es bei einer stationären Behandlung mit unklarer Dauer der Einwilligungsunfähigkeit nur 1%. Besteht eine dauerhafte Einwilligungsunfähigkeit wird eine uneingeschränkte Therapie zur Lebensverlängerung in keiner der untersuchten Verfügungen gewünscht.

Diskussion: Es besteht eine geringe Varianz bei der Behandlungspräferenz in Fällen von dauerhafter Einwilligungsunfähigkeit. Hingegen gibt es eine deutliche Varianz in den dokumentierten Präferenzen im Hinblick auf plötzlich eintretende Einwilligungsunfähigkeit in lebensbedrohlichen Notfällen. Dies zeigt, dass eine informierte Entscheidungsfindung zu Behandlungspräferenzen relevant ist und in der Behandlung sowohl frühzeitig besprochen werden, als auch eine höhere Aufmerksamkeit erfahren sollte.

Take Home Message für die Praxis: Die Varianz der Behandlungspräferenzen im Hinblick auf die gewünschte Behandlung im Notfall zeigt, dass es wichtig ist, dies in der hausärztlichen Behandlung zu besprechen und zu dokumentieren.