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57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

28. - 30.09.2023, Berlin

Empfehlungen für das Ausschleichen von psychotropen, sedativen und anticholinergen Medikamenten – ein Rapid Review

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Kerstin Bernartz - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland
  • Svenja Claaßen - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland
  • Prashamsa Chapidi - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland
  • Kiran Chapidi - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland
  • Stephanie Picker-Huchzermeyer - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland
  • Helga Nolte - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland
  • Tobias Dreischulte - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Annette Härdtlein - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Vita Brisnik - Klinikum der Universität München, LMU München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Achim Mortsiefer - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Sophie Peter - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Michaela Maas - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Mark Horowitz - North East London NHS Foundation Trust (NELFT), London, Großbritannien
  • Christiane Muth - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland
  • Svetlana Puzhko - Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Berlin, 28.-30.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP-03-12

doi: 10.3205/23degam180, urn:nbn:de:0183-23degam1803

Published: September 27, 2023

© 2023 Bernartz et al.
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Text

Hintergrund: Multimedikation erhöht bei älteren Patient:innen das Risiko schwerwiegender unerwünschter Arzneimittelwirkungen und geriatrischer Syndrome. Das Absetzen von Psychopharmaka kann aufgrund von Absetzsymptomen schwierig sein. Optimale Absetzschemata können Absetzsymptome minimieren und daher die Patient:innen ermutigen, das Absetzen beizubehalten. Eine Übersicht über Ausschleichempfehlungen und häufige Absetzsymptome kann Hausärzt:innen dabei helfen, inadäquat verschriebene Psychopharmaka erfolgreich abzusetzen und die pharmakologische Belastung zu verringern.

Fragestellung: Welche Absetzschemata und Absetzsymptome werden für die in Hausarztpraxen in Deutschland am häufigsten verschriebenen, sedativ und anticholinerg wirkenden Psychopharmaka empfohlen bzw. beschrieben?

Methoden: Es wurde ein Rapid Review durchgeführt (Innov.-Fonds, Fkz: 01VSF21038): Die Datenbanken PubMed und Google scholar wurden nach evidenzbasierten Leitlinien und Empfehlungen zum Ausschleichen von sedativ und anticholinerg wirkenden Psychopharmaka unter Verwendung von Schlüsselwörtern (z. B. taper, withdrawal, antidepress*) und Medical Subject Headings (z. B. drug tapering, stubstance withdrawal syndrome, andtidepressive agents) durchsucht. Zwei Untersucherinnen waren an der Auswahl und Datenextraktion beteiligt und fassten die Daten nach Medikamentengruppen in einer narrativen Synthese zusammen.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 53 Studien zu Absetzschemata für die Zielmedikamentengruppen und 67 Studien, die häufige Absetzsymptome beschreiben, einbezogen. Die Wahl des Schemas hängt von den Behandlungsindikationen, der Behandlungsdauer, der Gesamttagesdosis, der Verträglichkeit der Absetzsymptome und den Präferenzen der Patient:innen ab. Das hyperbolische Absetzen sedativ und anticholinerg wirkender Psychopharmaka (schrittweise Verringerung der täglichen Dosis, um eine lineare Verringerung der Rezeptorbesetzung zu erreichen) wird als physiologischer angesehen und verringert das Risiko von Absetzsymptomen.

Diskussion: Das Absetzen inadäquat verschriebener Psychopharmaka ist herausfordernd. Evidenzbasierte Absetzhilfen sollen Hausärzt:innen und Patient:innen bei ihrer gemeinsamen Entscheidungsfindung für einen individuell verträglichen Absetzprozess unterstützen.

Take Home Message für die Praxis: Das Absetzen inadäquat verschriebener Psychopharmaka bei älteren Patient:innen mit Multimorbidität und Polypharmazie ist notwendig, da Nebenwirkungen den Nutzen überwiegen können. Das hyperbolische Absetzen ist ein neuer Ansatz, der dazu beitragen kann, Absetzsymptome zu verringern und die Chancen für ein erfolgreiches Absetzen zu erhöhen.